Hรคufig erhalten wir die Frage, ob im speziellen Fall des weitergeleiteten Pflegegeldes dieses an das Wohngeld angerechnet werden darf.
Zunรคchst einmal: Wohngeld ist ein einkommensabhรคngiger Zuschuss zur Miete bzw. zu den Wohnkosten. Pflegegeld nach ยง 37 SGB XI ist eine zweckgebundene Leistung der Pflegeversicherung, die die hรคusliche Pflege sicherstellen soll โ nicht die allgemeine Lebensfรผhrung. Diese unterschiedliche Zweckbestimmung ist der Schlรผssel fรผr die Frage der Anrechnung.
Grundsatz: Pflegegeld der pflegebedรผrftigen Person bleibt unberรผcksichtigt
Fรผr die pflegebedรผrftige Person selbst wird das Pflegegeld beim Wohngeld nicht als Einkommen berรผcksichtigt. Es handelt sich um zweckgebundene Mittel fรผr Pflege, die bei einkommensabhรคngigen Sozialleistungen grundsรคtzlich nicht als Einkommen zรคhlen.
Der Sonderfall: Weitergeleitetes Pflegegeld an eine Pflegeperson
Anders stellt sich die Lage dar, wenn das Pflegegeld an eine Pflegeperson weitergereicht wird โ etwa an ein erwachsenes Kind, eine Nachbarin oder einen Freund. Sobald diese Pflegeperson selbst Wohngeld beantragt, kommt ยง 14 Abs. 2 Nr. 26 WoGG ins Spiel: Danach gehรถrt die Hรคlfte bestimmter โ nach ยง 3 Nr. 36 EStG steuerfreier โ Einnahmen aus Pflegeleistungen zum wohngeldrechtlichen Jahreseinkommen.
Die Vorschrift zielt auf Aufwandsentschรคdigungen, die Pflegepersonen (typischerweise Angehรถrige oder sittlich verpflichtete Personen) bis zur Hรถhe des Pflegegeldes erhalten.
Haushaltszugehรถrigkeit als Lรถsung
Entscheidend ist, ob die Pflegeperson zum Wohngeld-Haushalt der pflegebedรผrftigen Person gehรถrt. Die wohngeldrechtlichen Vorgaben und die Rechtsprechung stellen klar: Die hรคlftige Anrechnung betrifft Einnahmen von Pflegepersonen, die kein Haushaltsmitglied sind.
Lebt also die Pflegeperson mit der pflegebedรผrftigen Person im selben Haushalt, greift diese hรคlftige Anrechnungsvorschrift nicht.
In der Praxis bedeutet das: Weitergeleitetes Pflegegeld an eine im gleichen Haushalt lebende, sittlich verpflichtete Pflegeperson fรผhrt in der Regel zu keiner Einkommensanrechnung beim Wohngeld; bei Pflegepersonen auรerhalb des Haushalts wird die Vergรผtung demgegenรผber typischerweise zur Hรคlfte als Einkommen berรผcksichtigt.
Diese Auslegung ist in Verwaltungshinweisen niedergelegt und durch ein Urteil des OVG Niedersachsen gestรผtzt.
Wenn keine โsittliche Pflichtโ vorliegt
Die Steuerfreiheit nach ยง 3 Nr. 36 EStG setzt voraus, dass die Pflege von Angehรถrigen oder von Personen erbracht wird, die damit eine sittliche Pflicht erfรผllen. Wird eine solche Pflege โohne sittliche Pflichtโ entgeltlich erbracht, greift die Steuerbefreiung nicht.
Wohngeldrechtlich ist dann nicht die hรคlftige Sonderregel des ยง 14 Abs. 2 Nr. 26 WoGG maรgeblich, sondern es werden die tatsรคchlichen โ dann steuerpflichtigen โ Einnahmen der Pflegeperson als Einkommen behandelt. Praxishinweise aus der Beratung fassen das so zusammen: im gleichen Haushalt keine Anrechnung, bei Pflege auรerhalb des Haushalts hรคlftige Anrechnung bei sittlicher Pflicht und volle Anrechnung ohne sittliche Pflicht.
Konkretes Beispiel aus der Praxis
Erhรคlt eine nicht im selben Haushalt lebende Tochter monatlich 545 Euro, die die pflegebedรผrftige Mutter aus dem Pflegegeld weitergibt, und erfรผllt die Tochter eine sittliche Pflicht, werden wohngeldrechtlich rund 272,50 Euro pro Monat als Einkommen der Tochter berรผcksichtigt.
Gehรถrt die Tochter zum selben Haushalt wie die Mutter, bleibt diese Zahlung im Regelfall unberรผcksichtigt; fรคllt die sittliche Pflicht weg und handelt es sich um entgeltliche Pflege auรerhalb des Haushalts, kรถnnen die 545 Euro vollstรคndig als Einkommen zรคhlen.
Die rechtliche Grundlage ist in ยง 14 Abs. 2 Nr. 26 WoGG mit Verweis auf ยง 3 Nr. 36 EStG verankert.
Wichtige Abgrenzung: Pflegeunterstรผtzungsgeld ist etwas anderes
Nicht zu verwechseln ist das Pflegegeld mit dem Pflegeunterstรผtzungsgeld nach ยง 44a Abs. 3 SGB XI. Fรผr dieses gilt die generelle โNichtanrechnungโ aus ยง 13 Abs. 5 SGB XI ausdrรผcklich nicht; es kann daher wohngeldrechtlich als Einkommen der Pflegeperson relevant sein โ je nach Einzelfall.
Zusรคtzlicher Hebel: Freibetrag bei Schwerbehinderung/Pflege
Unabhรคngig von der Anrechnung wirkt oft ein Freibetrag: Fรผr schwerbehinderte Haushaltsmitglieder โ oder bei Pflegebedรผrftigkeit mit hรคuslicher/teilstationรคrer Pflege โ wird ein jรคhrlicher Freibetrag von 1.800 Euro vom wohngeldrechtlichen Einkommen abgezogen. Das kann den Wohngeldanspruch spรผrbar erhรถhen.
Fazit: Das Wohngeld wird angerechnet aber nur dann
Pflegegeld der pflegebedรผrftigen Person mindert das Wohngeld nicht. Wird es an eine Pflegeperson weitergeleitet, kommt es auf die Konstellation an: Innerhalb desselben Haushalts bleibt die Zahlung in der Regel ohne Wirkung auf das Wohngeld, auรerhalb des Haushalts wird eine bis zur Hรถhe des Pflegegeldes steuerfreie Pflegevergรผtung รผblicherweise zur Hรคlfte als Einkommen der Pflegeperson berรผcksichtigt; fehlt die sittliche Pflicht, kann eine vollstรคndige Anrechnung erfolgen.
Wer einen Wohngeldantrag stellt, sollte Pflegebedรผrftigkeit und ggf. Schwerbehinderung immer belegen โ nicht wegen einer Anrechnung, sondern um den 1.800-Euro-Freibetrag zu sichern.




