Pflegegeld soll die häusliche Pflege sichern – in der Realität heißt das: Angehörige übernehmen den Großteil der Arbeit und stehen vor der Frage, wie sie sich für diese Belastung finanziell anerkennen lassen können, ohne Ärger mit Pflegekasse, Finanzamt oder Jobcenter zu bekommen.
Inhaltsverzeichnis
Ausgangspunkt: Wem das Pflegegeld gehört – und wie es bei Angehörigen landet
Pflegegeld nach § 37 SGB XI erhalten Pflegebedürftige mit Pflegegrad 2 bis 5, wenn sie zu Hause von privaten Pflegepersonen versorgt werden. Gemeint sind typischerweise Angehörige, Nachbarn oder enge Freunde, die nicht als Pflegedienst zugelassen sind.
Rechtlich gehört das Pflegegeld immer der pflegebedürftigen Person. Sie entscheidet, ob und in welchem Umfang sie dieses Geld an die Pflegeperson weitergibt. In vielen Familien wird das Pflegegeld ganz oder teilweise an die pflegende Person überwiesen. Genau an dieser Stelle beginnt die Gestaltungsfrage: Wie werden solche Zahlungen organisiert, damit sie rechtlich und steuerlich sauber bleiben?
Zahlungswege im Überblick: Weiterleitung, Extra-Zahlungen, Minijob
Der einfachste Weg ist die direkte Weiterleitung des Pflegegeldes. Viele Pflegebedürftige überweisen ihrer Tochter, ihrem Sohn oder dem Ehepartner das Pflegegeld als monatliche Anerkennung. Solange nur das Pflegegeld weitergegeben wird und keine formale Anstellung besteht, liegt in der Regel kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor.
Mehr Klarheit bringt eine einfache Pflegevereinbarung. Darin steht, wer wen pflegt, in welchem ungefähren zeitlichen Umfang die Pflege stattfindet und welcher Betrag monatlich als Anerkennung gezahlt wird.
Wenn die Zahlung per Überweisung erfolgt und der Verwendungszweck eindeutige Hinweise auf Pflegegeld und Monat enthält, lassen sich spätere Nachfragen von Behörden besser beantworten.
Pflegebedürftige können zusätzlich zum Pflegegeld eigene Mittel einsetzen, etwa für Fahrten zu Ärzten, nächtliche Betreuung oder besondere Belastungen.
Diese zusätzlichen Zahlungen sind rechtlich erlaubt, haben aber andere steuerliche Wirkungen als die bloße Weiterleitung des Pflegegeldes. Für pflegende Angehörige ist wichtig zu wissen, dass solche Extras steuerlich als Einkommen gewertet werden können.
Wer die Pflege noch stärker formalisiert, kann die pflegende Person als Haushaltshilfe im Minijob anstellen. Dann wird die Pflegeperson bei der Minijob-Zentrale angemeldet, erhält einen festen Lohn, und die pflegebedürftige Person zahlt Pauschalabgaben.
Pflegegeld kann zur Finanzierung dieses Lohns genutzt werden. In dieser Konstellation ist klar: Es handelt sich um ein Beschäftigungsverhältnis mit allen steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Folgen, nicht mehr nur um weitergeleitetes Pflegegeld.
Alle Pflegeleistungen 2025 in der Übersicht
Stundenhonorar oder monatliche Pauschale: Was sich in der Praxis bewährt
Das Gesetz schreibt keine festen Stundensätze für Angehörigenpflege vor. Entscheidend ist, dass die Vergütung nachvollziehbar ist. In vielen Familien hat sich ein einfaches Stundenmodell durchgesetzt.
Die Pflegeperson hält fest, welche Tätigkeiten sie übernommen hat – zum Beispiel Körperpflege, Hilfe beim Essen, Haushalt oder Arztfahrten – und wie viel Zeit sie dafür benötigt hat. Am Monatsende erfolgt eine Abrechnung nach einem vereinbarten Stundenhonorar, das sich meist an einfachen Hilfskraftlöhnen orientiert.
Ebenfalls verbreitet sind Monatspauschalen. Dabei wird ein fester Betrag vereinbart, etwa für die gesamte Organisation der Pflege, die tägliche Grundversorgung und die Koordination von Arztterminen.
Eine schriftliche Vereinbarung schützt hier vor Missverständnissen, gerade wenn mehrere Angehörige beteiligt sind oder später Fragen von Finanzamt oder Sozialleistungsträgern auftauchen.
Für Sie als pflegende Person bedeutet das konkret: Jede Form der Vergütung sollte sich plausibel mit der tatsächlichen Pflegeleistung verbinden lassen. Je klarer diese Verbindung dokumentiert ist, desto geringer ist das Risiko, dass Behörden die Zahlungen später als ungewöhnlich oder missbräuchlich einstufen.
Steuerliche Grundregel: Wann Pflegegeld steuerfrei bleibt – und wann nicht
Steuerlich lässt sich die Situation vereinfacht in zwei Bereiche teilen:
Zum einen gibt es Einnahmen, die nach § 3 Nr. 36 Einkommensteuergesetz steuerfrei sein können. Dazu zählen Zahlungen für Pflege und hauswirtschaftliche Versorgung, die von der pflegebedürftigen Person selbst stammen oder aus Pflegeleistungen der Sozialversicherungen weitergeleitet werden.
Voraussetzung ist, dass die Pflegeperson Angehörige oder nahestehende Person ist und die Pflege nicht gewerblich betrieben wird. In diesem Rahmen bleiben weitergeleitetes Pflegegeld und entsprechende Leistungen aus der Pflegeversicherung in vielen Fällen steuerfrei.
Zum anderen gibt es Vergütungen, die über diese Grenzen hinausgehen. Höhere Pauschalen, umfangreiche Zusatzleistungen oder regelmäßige Zahlungen, die die Pflegegeldhöhe deutlich überschreiten, werden vom Finanzamt in der Regel als steuerpflichtige Einkünfte behandelt.
Das gilt erst recht, wenn dieselbe Pflegeperson mehrere Pflegebedürftige gegen Bezahlung betreut und damit faktisch einer gewerblichen Tätigkeit nachgeht.
Für Sie als pflegende Person ist wichtig: Selbst wenn Zahlungen aufgrund der gesetzlichen Steuerbefreiung im Ergebnis nicht besteuert werden, sollten sie in der Steuererklärung vollständig angegeben und dort mit dem Hinweis auf die einschlägige Vorschrift versehen werden. Das schafft Transparenz und reduziert das Risiko späterer Rückfragen oder Nachforderungen.
Pflege-Pauschbetrag und Vergütung: Wie viel „unentgeltlich“ sein muss
Neben der Steuerbefreiung bestimmter Einnahmen gibt es den Pflege-Pauschbetrag nach § 33b Einkommensteuergesetz. Wer eine Person mit mindestens Pflegegrad 2 persönlich pflegt, kann – je nach Pflegegrad – einen festen Jahresbetrag als außergewöhnliche Belastung geltend machen. Dieser Pauschbetrag soll Personen entlasten, die überwiegend unentgeltlich pflegen.
Und genau hier treffen Vergütung und Steuerrecht aufeinander. Je höher die Zahlungen für die Pflege ausfallen, desto eher kann das Finanzamt argumentieren, dass die Pflege nicht mehr „im Wesentlichen unentgeltlich“ ist. In dieser Situation wird der Pflege-Pauschbetrag häufig nicht mehr gewährt.
Für pflegende Angehörige stellt sich deshalb eine Abwägung: Eine spürbare laufende Anerkennung ist wichtig und gerechtfertigt. Gleichzeitig kann ein zu hohes Vergütungsniveau dazu führen, dass der Pflege-Pauschbetrag verloren geht. In vielen Fällen ist eine mittlere Lösung sinnvoll – eine moderate finanzielle Anerkennung, kombiniert mit der steuerlichen Entlastung durch den Pauschbetrag.
Verhinderungspflege: Extra-Topf für Vertretung und Stundenhonorare
Die Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI ist ein zusätzlicher Baustein. Sie springt ein, wenn die Hauptpflegeperson Urlaub braucht, krank ist oder aus anderen Gründen ausfällt. Dann übernimmt eine Ersatzpflegeperson – oft ein anderes Familienmitglied – für einen begrenzten Zeitraum die Pflege.
Seit Juli 2025 steht für Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege ein gemeinsamer Jahresbetrag zur Verfügung, der flexibel auf beide Leistungen verteilt werden kann. Für Pflegebedürftige mit Pflegegrad 2 bis 5 bedeutet das: Es gibt einen zusätzlichen finanziellen Topf, aus dem Stundenhonorare für Vertretungspflege gezahlt werden können.
Wird die Verhinderungspflege ganztägig genutzt, wird das Pflegegeld in der Regel für bis zu sechs Wochen im Jahr zur Hälfte weitergezahlt. Bei stundenweiser Vertretung, bei der die Hauptpflegeperson weniger als acht Stunden am Tag ausfällt, bleibt das Pflegegeld meist ungekürzt.
Damit können Pflegegeld und Verhinderungspflege kombiniert werden, ohne dass die laufende Leistung vollständig wegfällt.
Für die Ersatzpflegeperson gelten steuerlich dieselben Leitlinien wie bei der normalen Pflegegeld-Weiterleitung. Angehörige und nahestehende Personen können Zahlungen aus der Verhinderungspflege unter engen Voraussetzungen steuerfrei erhalten.
Werden hohe Stundenhonorare abgerechnet oder mehrere Pflegeverhältnisse parallel geführt, ist dagegen eher von steuerpflichtigen Einkünften auszugehen.
Dokumentation: Was Sie schriftlich festhalten sollten
Unabhängig vom gewählten Modell hängt viel davon ab, was sich später nachweisen lässt. Für eine rechtssichere Gestaltung sollten Sie zumindest folgende Punkte dokumentieren:
Wer ist Hauptpflegeperson, wer Ersatzpflegeperson, und für welche Aufgaben sind sie verantwortlich?
In welchem zeitlichen Umfang findet die Pflege typischerweise statt?
Welche Beträge werden monatlich aus Pflegegeld oder Verhinderungspflege gezahlt, und auf welcher Grundlage?
Wann war die Hauptpflegeperson verhindert, und wie viele Stunden hat die Ersatzpflegeperson in dieser Zeit tatsächlich übernommen?
Solche Unterlagen helfen bei der Abrechnung mit der Pflegekasse, bei Steuererklärungen und im Umgang mit Jobcenter oder Wohngeldstelle. Sie machen zudem deutlich, dass die Zahlungen kein „verdeckter Job“, sondern eine nachvollziehbare Anerkennung für konkrete Pflegeleistungen sind.
Sozialleistungen der Pflegeperson: Bürgergeld, Wohngeld und Co.
Pflegende Angehörige, die selbst auf Sozialleistungen angewiesen sind, müssen eine zweite Ebene beachten: die Anrechnung als Einkommen. Pflegegeld, das bei der pflegebedürftigen Person verbleibt, wird beim Bürgergeld grundsätzlich nicht als Einkommen berücksichtigt, weil es zweckgebunden für die Pflege ist.
Wird es jedoch an eine pflegende Person weitergeleitet, kommt es darauf an, ob die Zahlungen als steuerfrei und zweckbestimmt anerkannt werden.
In der Praxis berücksichtigen viele Stellen die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 36 Einkommensteuergesetz und werten solche Einnahmen nicht als zu berücksichtigendes Einkommen. Verbindlich ist aber immer der konkrete Bescheid. Gerade bei Bürgergeld und Wohngeld kann die Bewertung von Jobcenter oder Wohngeldbehörde voneinander abweichen.
Für Sie als pflegende Person bedeutet das: Wenn Sie Bürgergeld, Wohngeld oder andere bedarfsabhängige Leistungen beziehen, sollten Sie die geplante Vergütungsregelung frühzeitig schriftlich schildern und sich bestätigen lassen, wie die Zahlungen behandelt werden. Dadurch können Sie verhindern, dass eine gut gemeinte Anerkennung später zu Kürzungen führt.
Drei typische Konstellationen und was daraus folgt
In einer Familie pflegt die Tochter ihre Mutter mit Pflegegrad 3. Die Mutter leitet das gesamte Pflegegeld an die Tochter weiter und nutzt zusätzlich Verhinderungspflege, wenn die Tochter Urlaub nimmt.
In dieser Zeit übernimmt der Sohn die Pflege, und die Mutter bezahlt ihn aus dem Verhinderungspflege-Budget. Die Zahlungen bleiben im Rahmen der gesetzlichen Beträge, werden dokumentiert und orientieren sich an üblichen Hilfskraftlöhnen.
Damit sind sie steuerlich gut begründbar, und die Tochter kann – sofern die Vergütung moderat bleibt – zusätzlich vom Pflege-Pauschbetrag profitieren.
In einer anderen Familie pflegt ein entfernter Bekannter eine ältere Frau und erhält dafür eine deutlich höhere Pauschale als das Pflegegeld. Er betreut zudem zwei weitere Personen gegen Honorar. In dieser Konstellation liegt faktisch eine gewerbliche Tätigkeit vor.
Die Einnahmen müssen versteuert werden, und es können Sozialversicherungspflichten entstehen. Wer sich in einer vergleichbaren Lage wiederfindet, sollte sehr genau prüfen, ob er nicht als Selbständiger oder Arbeitnehmer eingestuft wird.
Im dritten Fall ist der Sohn Bürgergeld-Bezieher und pflegt seinen Vater mit Pflegegrad 4. Der Vater möchte ihm einen Teil des Pflegegeldes als Anerkennung geben. Hier ist entscheidend, mit dem Jobcenter zu klären, dass die Zahlungen nach der gesetzlichen Regelung steuerfrei sein können und im Rahmen der Pflegeleistungen bleiben.
Eine einfache Pflegevereinbarung und eine saubere Dokumentation der Zahlungsvorgänge helfen dabei, die Anerkennung durchzusetzen, ohne dass das Bürgergeld gekürzt wird.





