Wer zwei Jahre vor der geplanten Rente steht, braucht vor allem Klarheit: Welche Rentenart ist frühestmöglich erreichbar? Welche Einkommensquellen lassen sich rechtssicher kombinieren? Und wie bleiben Kranken- und Rentenversicherung lückenlos?
Der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt ordnet die wichtigsten Wege – von Arbeitslosengeld I über Teilrente und Flexirente bis hin zu Altersteilzeit, Minijob, Transfergesellschaft oder Bürgergeld – und zeigt, worauf Sie rechtlich und finanziell achten sollten.
Tabelle: So zwei Jahre zur Rente überbrücken
Möglichkeit | Besonderheiten und Wirkung |
Arbeitslosengeld I | Bis zu 24 Monate möglich (ab 58 Jahren und ausreichend Vorversicherungszeit). Achtung: Sperrzeit bei Eigenkündigung oder Aufhebungsvertrag; Ruhenszeit bei Abfindung. Zählt in den letzten zwei Jahren nicht auf die 45-Jahre-Wartezeit, außer bei Insolvenz oder Betriebsaufgabe. |
Bürgergeld | Greift nach Ende oder ohne Anspruch auf ALG I. Sichert Existenzminimum, jedoch strengere Vermögensgrenzen. Zeiten zählen nicht für die 45-Jahre-Wartezeit, aber für die 35-Jahre-Voraussetzung. |
Flexirente / Teilrente | Vorzeitige Rentenbezüge lassen sich flexibel mit Arbeit kombinieren. Seit 2023 ohne Hinzuverdienstgrenzen. Teilrente zwischen 10–99,99 % möglich. |
Altersteilzeit | Tarif- oder betriebsvertraglich geregelt. Ermöglicht Reduktion oder Blockmodell. Mindestens bis zum frühestmöglichen Rentenbeginn. |
Transfergesellschaft / Transferkurzarbeitergeld | Bei betrieblichen Umstrukturierungen. Kombination aus Transferkurzarbeitergeld und Qualifizierung, oft für bis zu 24 Monate. |
Minijob oder Teilzeit | Rentenversicherungspflichtig (Opt-out möglich). Eignet sich, um Beitragsmonate zu sammeln und Wartezeiten zu erfüllen. |
Freiwillige Beiträge | Lücken im Versicherungsverlauf lassen sich durch freiwillige Einzahlungen schließen. Ab 50 Jahren möglich: Sonderzahlungen zum Ausgleich von Rentenabschlägen. |
Abfindung | Steuerpflichtig; Fünftelregelung nur noch über Steuererklärung ab 2025. Kann ALG I verzögern (Ruhenszeit), wenn Kündigungsfristen nicht eingehalten werden. |
Weiterbildung / Bildungsgutschein | Von Arbeitsagentur oder Jobcenter förderbar. Ermöglicht Qualifizierung während der Übergangszeit, oft mit Leistungsansprüchen kombiniert. |
Ausgangslage prüfen: Welche Rentenart und wann?
Zuerst zählt die Zielmarke: Die Regelaltersgrenze liegt für Jahrgänge ab 1964 bei 67 Jahren. Eine vorgezogene Altersrente ist je nach Vita möglich – etwa die Altersrente für langjährig Versicherte (mindestens 35 Versicherungsjahre, dann mit Abschlägen) oder für besonders langjährig Versicherte (45 Jahre, abschlagsfrei – das frühestmögliche Alter hängt vom Jahrgang ab und wurde stufenweise angehoben). Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) stellt dafür Rechner und Auskünfte bereit; entscheidend sind Ihre Wartezeiten und der Geburtsjahrgang.
Besonders heikel ist die „45-Jahre-Falle“: Zeiten mit Arbeitslosengeld I kurz vor Rentenbeginn zählen für die 45-Jahre-Wartezeit grundsätzlich nicht, außer die Arbeitslosigkeit beruhte auf einer Insolvenz oder vollständigen Betriebsaufgabe des Arbeitgebers. Planen Sie mit Blick auf die letzten 24 Monate deshalb sehr sorgfältig.
Zwei Jahre mit Arbeitslosengeld I überbrücken
Für viele nahe am Ruhestand ist Arbeitslosengeld I (ALG I) das zentrale Brückeninstrument.
Ab 58 Jahren ist bei mindestens 48 Monaten Versicherungspflicht in den letzten fünf Jahren eine Bezugsdauer von bis zu 24 Monaten möglich. Die Anspruchsdauer steigt stufenweise mit dem Alter.
Vorsicht bei Sperrzeit und Ruhenszeit: Wer ohne wichtigen Grund selbst kündigt oder einen Aufhebungsvertrag unterschreibt, riskiert regelmäßig eine zwölfwöchige Sperrzeit.
Erhält man zusätzlich eine Abfindung und endet das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, ruht der ALG-Anspruch bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis regulär geendet hätte (§§ 159, 158 SGB III). In der Ruhenszeit besteht zudem kein Versicherungsschutz über die Agentur für Arbeit – klären Sie daher die Krankenversicherung rechtzeitig.
Die gute Nachricht: Während des ALG-I-Bezugs sind Sie grundsätzlich gesetzlich kranken- und pflegeversichert; die Beiträge zahlt die Agentur für Arbeit. Das sichert Versorgung und verhindert Versicherungslücken.
Bürgergeld als Sicherheitsnetz – mit Blick auf Wartezeiten
Reicht ALG I nicht oder besteht kein Anspruch, kann Bürgergeld das Existenzminimum sichern. Voraussetzung sind u. a. Erwerbsfähigkeit (mindestens drei Stunden täglich) und Hilfebedürftigkeit.
In der einjährigen Karenzzeit nach Erstantrag ist Vermögen bis 40.000 Euro (plus 15.000 Euro je weiterer Person in der Bedarfsgemeinschaft) geschützt; danach gelten niedrigere Freibeträge. Beachten Sie, dass Bürgergeld grundsätzlich nicht auf die 45-Jahre-Wartezeit angerechnet wird, wohl aber auf die 35-Jahre-Wartezeit im Rahmen der Anrechnungszeiten.
Flexirente und Teilrente: Arbeiten und Rentenbezug kombinieren
Seit dem 1. Januar 2023 gibt es für vorgezogene Altersrenten keine Hinzuverdienstgrenzen mehr: Sie dürfen beliebig hinzuverdienen, ohne dass die Rente gekürzt wird. Damit lassen sich Übergänge deutlich flexibler gestalten – etwa durch Reduktion auf eine Teilrente zwischen 10 und 99,99 Prozent der Vollrente und eine ergänzende Beschäftigung.
Altersteilzeit: Wo Tarif- oder Betriebsvereinbarungen greifen
Wenn es der Arbeitgeber anbietet (oft tarif- oder betrieblich geregelt), ermöglicht Altersteilzeit ab 55 Jahren einen gleitenden Ausstieg – im Block- oder Teilzeitmodell. Voraussetzung ist u. a. eine bestimmte Vorbeschäftigungszeit; Details regelt das jeweilige Abkommen. Altersteilzeit muss mindestens bis zum frühestmöglichen Rentenbeginn laufen.
Transfergesellschaft und Weiterbildung: Strukturierter Übergang statt Leerlauf
Bei betrieblichem Personalabbau kann der Wechsel in eine Transfergesellschaft samt Transferkurzarbeitergeld den Übergang abfedern; parallel sind Qualifizierungen möglich.
Zusätzlich lassen sich mit BildungsgutscheinenWeiterbildungen fördern – seit 01.01.2025 auch für Jobcenter-Kundinnen und -Kunden über die Agentur für Arbeit. Das hilft, die zwei Jahre sinnvoll zu nutzen und Beschäftigungsfähigkeit zu stärken.
Minijob und Teilzeit: Kleine Brücken mit Beitragswirkung
Minijobs sind seit 2013 grundsätzlich rentenversicherungspflichtig (Opt-out möglich). Wer den Eigenbeitrag nicht abwählt, sammelt vollwertige Beitragsmonate – wichtig, wenn Wartezeiten erfüllt werden sollen. Gerade für die kritischen letzten Jahre bis zur Rente kann das Puzzle-Steine schließen.
Lücken schließen: Freiwillige Beiträge und Sonderzahlungen
Fehlzeiten im Versicherungsverlauf lassen sich mit freiwilligen Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung schließen; Zahlungen für das Vorjahr sind jeweils bis zum 31. März möglich.
Unabhängig davon können ab 50 Jahren Sonderzahlungen genutzt werden, um geplante Abschläge einer vorgezogenen Rente ganz oder teilweise auszugleichen – die DRV berechnet die individuelle Summe auf Antrag.
Krankenversicherung rechtzeitig klären
Im Ruhestand hängt die günstige Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) von der sogenannten 9/10-Regel ab: Wer in der zweiten Hälfte des Erwerbslebens überwiegend gesetzlich versichert war (inklusive Zeiten der Familien- oder freiwilligen Versicherung), erfüllt in der Regel die Vorversicherungszeit.
Wer ALG I bezieht, bleibt ohnehin gesetzlich versichert; die Beiträge übernimmt die Agentur für Arbeit. Falls der ALG-Anspruch wegen Abfindung ruht, besteht dieser Schutz über die Arbeitsagentur jedoch nicht – dann muss Übergangsschutz separat organisiert werden.
Abfindung, Steuern und Timing: 2025 gilt eine wichtige Änderung
Abfindungen sind steuerpflichtig; die Fünftelregelung kann die Progression abmildern. Seit 2025 wenden Arbeitgeber die Fünftelregel im Lohnsteuerabzug jedoch nicht mehr an – der Vorteil wird über die Einkommensteuererklärunggeltend gemacht.
Für die Liquidität bedeutet das: zunächst höherer Abzug, Erstattung später über den Bescheid. Binden Sie das in die Überbrückungsplanung ein, insbesondere wenn ALG I und mögliche Ruhenszeiten (§ 158 SGB III) betroffen sind.
Drei typische Brückenpfade – was in der Praxis funktioniert
Wer 58 plus ist und die Versicherungszeiten erfüllt, plant häufig den nahtlosen ALG-I-Bezug über 24 Monate, achtet auf sperrzeitfreie Beendigung und vermeidet Ruhenszeiten. Parallel lassen sich kleinere Nebenjobs oder Qualifizierungen nutzen, ohne die Ansprüche zu gefährden.
Wer die Altersrente für langjährig Versicherte ansteuert, kombiniert oft Teilrente mit reduzierter Erwerbstätigkeit. Seit dem Wegfall der Hinzuverdienstgrenzen lassen sich Umfang und Zeitpunkt flexibler wählen – bis der volle Ruhestand beginnt.
Wer kurz vor der abschlagsfreien 45-Jahre-Rente steht, vermeidet – wenn irgend möglich – ALG-I-Zeiten in den letzten zwei Jahren vor Rentenstart oder kompensiert durch Beitragsmonate, etwa mit einem rentenversicherungspflichtigen Minijob. Im Ausnahmefall (Insolvenz/Betriebsschließung) zählen ALG-I-Zeiten trotzdem.
Fazit: Erst den Pfad festlegen, dann sauber umsetzen
Zwei Jahre bis zur Rente lassen sich in Deutschland auf mehreren Wegen überbrücken – aber die optimale Route hängt an Details: Jahrgang, Wartezeiten, Gesundheitslage, Arbeitgeberangeboten und Familien- sowie Vermögenssituation.
Wer zu Beginn nüchtern prüft, welche Rentenart wann erreichbar ist, und dann ALG I, Teilrente/Flexirente, Altersteilzeit, Weiterbildung oder Minijob passgenau kombiniert, kommt rechtssicher und ohne Versorgungslücken in den Ruhestand. Bei Abfindung, Sperr- und Ruhenszeiten sowie der KVdR-Vorversicherungszeit lohnt sich eine besonders sorgfältige Gestaltung – idealerweise mit individueller DRV-Auskunft und steuerlicher Beratung.