Fรผr viele klingt der Plan bestechend und einfach: Mit 63 in eine Teilrente starten, parallel weiterarbeiten und spรคter โ sobald die Voraussetzungen fรผr eine abschlagsfreie Altersrente erfรผllt sind โ den โRestโ der Rente ohne Abzรผge beziehen.
Dieses Bild hat sich in Kรถpfen festgesetzt, weil es auf den ersten Blick plausibel wirkt. Wer frรผher etwas nimmt, akzeptiert dafรผr Abschlรคge, und was spรคter hinzukommt, soll dann ohne Kรผrzung flieรen. In der Praxis funktioniert dieses Konstrukt jedoch nicht.
Wer den ersten Schritt in eine vorgezogene Altersrente wagt โ selbst nur anteilig โ bindet sich damit an eine bestimmte Rentenart. Ein spรคterer Wechsel in eine andere, abschlagsfreie Altersrente ist ausgeschlossen.
Wechselverbot zwischen Altersrenten
Der Dreh- und Angelpunkt liegt im Sozialgesetzbuch VI. Danach ist der Wechsel in eine andere Altersrente nach bindender Bewilligung oder wรคhrend des Bezugs einer Altersrente nicht vorgesehen. Entscheidend ist nicht, ob es sich um eine Voll- oder Teilrente handelt. Maรgeblich ist, dass eine Altersrente bereits bewilligt wurde.
Wer etwa mit 63 die Altersrente fรผr langjรคhrig Versicherte als Teilrente in Anspruch nimmt, bleibt an diese Rentenart gebunden. Das gilt auch dann, wenn spรคter die Voraussetzungen fรผr eine abschlagsfreie Altersrente โ etwa fรผr besonders langjรคhrig Versicherte nach 45 Versicherungsjahren โ erfรผllt wรคren.
Der erhoffte โWechselโ der Rentenart findet nicht statt; vielmehr wird die begonnene Rentenart fortgefรผhrt.
Was das konkret bedeutet: Abschlรคge bleiben โ auch fรผr spรคtere Rentenanteile
In der Lebensplanung ist dieser Punkt wirklich wichtig. Die Teilrente mit Abschlag ist kein separates โRenten-Kontoโ, das spรคter gegen eine neue, abschlagsfreie Rentenart eingetauscht werden kann. Wer frรผh in eine Rentenart eintritt, nimmt den zu diesem Zeitpunkt geltenden Abschlag in Kauf.
Spรคter hinzukommende Rentenanteile richten sich weiterhin nach derselben Rentenart; die Abschlรคge reduzieren sich lediglich insoweit, wie der Abstand zum regulรคren oder abschlagsfreien Zugangsalter kleiner wird. Ein kompletter Sprung in die Abschlagsfreiheit durch Wechsel der Rentenart bleibt verwehrt.
Ein Rechenbeispiel
Ein fiktiver Versicherter, Jahrgang 1962, entscheidet sich mit 63 Jahren fรผr eine Teilrente von 50 Prozent. Sein fiktiver Gesamtanspruch lรคge โ stark vereinfacht โ bei 1.600 Euro monatlich.
Er ruft davon zunรคchst die Hรคlfte, also 800 Euro, ab. Fรผr diesen Teil greifen bei einem Zugangsalter von 63 Jahren Abschlรคge von 13,2 Prozent. Aus 800 Euro werden damit rund 694 Euro brutto. Parallel arbeitet er weiter.
Zwei Jahre spรคter ist er 65 und mรถchte nun die zweite Hรคlfte seiner Rente hinzunehmen. Weil er weiter Beitrรคge gezahlt hat, sei diese zweite Hรคlfte in der vereinfachten Rechnung auf 850 Euro angewachsen.
Ein Wechsel in die abschlagsfreie Altersrente fรผr besonders langjรคhrig Versicherte ist an dieser Stelle nicht mรถglich, da bereits mit 63 Jahren der Einstieg in die Altersrente fรผr langjรคhrig Versicherte erfolgt war.
Fรผr den nachtrรคglich hinzukommenden Rentenanteil mindert sich der Abschlag zwar, weil der Rentenbeginn zwei Jahre spรคter liegt, ganz verschwindet er aber nicht. In der vereinfachten Darstellung reduziert sich der Abschlag um 7,2 Prozentpunkte, sodass fรผr diesen zweiten Teil ein Abschlag von 6 Prozent bleibt. Aus 850 Euro werden damit 799 Euro brutto.
Das Beispiel zeigt, dass die Vorstellung, den spรคteren Rentenanteil โabschlagsfreiโ zu beziehen, in die Irre fรผhrt. Wer den ersten Schritt in eine vorgezogene Altersrente geht, setzt die Weichen dauerhaft.
Konsequenzen fรผr den รbergang
Wer gesundheitlich und beruflich dazu in der Lage ist, sollte prรผfen, ob sich ein lรคngeres Weiterarbeiten ohne Rentenbezug bis zum abschlagsfreien Zugangsalter rechnet. In diesem Fall lรคsst sich mit Erreichen der Abschlagsfreiheit eine Teilrente in sehr hoher Hรถhe โ faktisch fast die volle Rente โ beziehen, wรคhrend gleichzeitig weiter gearbeitet werden kann. Das ergibt in manchen Konstellationen einen spรผrbaren finanziellen Vorteil, weil die Rente dann ohne dauerhafte Abschlรคge gezahlt wird und die Erwerbseinkรผnfte zusรคtzlich hinzukommen.
Nicht immer ist diese โspรคteโ Lรถsung realistisch. Gesundheitsprobleme, betriebliche Grรผnde oder der Wunsch nach Entlastung kรถnnen einen frรผheren Ausstieg aus der Vollzeitarbeit notwendig machen. Fรผr diese Phase kommen โ je nach Situation โ sozialrechtliche รberbrรผckungen in Betracht, etwa Krankengeld bei erheblicher gesundheitlicher Einschrรคnkung oder Arbeitslosengeld, wenn eine Beschรคftigung endet. Ziel kann sein, die Zeit bis zum abschlagsfreien Rentenbeginn zu รผberbrรผcken, ohne einen irreversiblen Einstieg in eine vorgezogene Altersrente zu vollziehen, der spรคtere Abschlรคge festschreibt.
Teilrente bleibt ein sinnvoll โ aber nur mit klarem Blick auf die Folgen
Die Teilrente ist kein Fehlkonstrukt. Sie kann helfen, Arbeitszeit flexibel zu reduzieren und den รbergang in den Ruhestand sozialvertrรคglich zu gestalten. Ihr Nutzen entfaltet sich aber nur dann vollstรคndig, wenn Versicherte sich der juristischen Mechanik bewusst sind. Wer mit Abschlรคgen vorzeitig einsteigt, bleibt in der gewรคhlten Rentenart.
Das gilt unabhรคngig davon, ob es sich um 10, 50 oder 99 Prozent Rente handelt. Wirtschaftliche und gesundheitliche Erwรคgungen sollten deshalb stets mit der Frage verknรผpft werden, ob und wann der Schritt in eine Altersrente โ selbst als Teilrente โ tatsรคchlich erfolgen soll.
Fazit: Vorsicht vor teurem Irrtum
Die scheinbar einfache Idee, heute eine Teilrente mit Abschlag und morgen den Rest ohne Abschlag zu beziehen, erweist sich in der Realitรคt als Fallstrick.
Wer frรผh in eine Altersrente eintritt, bindet sich an diese Rentenart โ ein spรคterer Wechsel in eine andere, abschlagsfreie Altersrente ist ausgeschlossen. Finanzielle Planungen rund um den Rentenbeginn sollten diesen Punkt an den Anfang stellen.
Wo es mรถglich ist, kann das Hinausschieben des Rentenbeginns bis zur Abschlagsfreiheit spรผrbare Vorteile bringen. Wo das nicht geht, hilft eine vorausschauende Gestaltung der รbergangszeit. Entscheidend ist, die Weichen bewusst zu stellen โ und nicht von einem verbreiteten, aber kostspieligen Irrtum leiten zu lassen.