Hartz IV Abzocke im Rems-Murr- Kreis

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Problemfälle bei Hartz IV

Die SPD-Kreistagsfraktion täte besser daran, einmal bei den betroffenen Hartz-IV-Empfänger/innen nach zu fragen. Es entsteht der Eindruck, dass der neue Chef der ARGE Rems-Murr, K. Baumgardt, unbedingt an 1. Stelle sein möchte, wenn es darum geht, Geld bei den Ärmsten einzusparen. Grund: Seit seinem Amtsantritt benützt die ARGE Rems-Murr den Mietspiegel des WoGG. Dieser ist seit 15 Jahren nicht mehr angepasst worden. Nach diesem Mietspiegel beträgt die Miete für "angemessenen" Wohnraum nur 347,– Euro (für z. B. 2 Personen, statt bisher 375,– Euro).

Die ARGE Rems-Murr setzt aber neuerdings noch einen oben drauf. Hat ein Hartz-IV-Empfänger/in tatsächlich günstigen Wohnraum ergattert, bekommt dieser nicht selten trotzdem die Absage für den Umzug von der ARGE, wenn die Miete über dem WoGG liegt. Die Absage wird gleichwohl mit der Androhung erteilt, dass wenn man trotzdem umzieht, derjenige auch keine Leistungen mehr bekommen soll.

Bei älterem Wohnraum ist die Isolierung meist schlecht und somit sind die Heizkosten höher, als bei gut isoliertem Wohnraum. Dies wiederum ist dann der Anlass, dass die Betroffenen eine Auflage mit dem Bescheid über die Heizkostenabrechnung bekommen, die Heizkosten zu senken.

Die Problemfälle bei Unterkunft und Heizung von 33,3 % (Durchschnitt in Baden-Württemberg 8,79 %) ergeben sich nicht zuletzt daraus. Wohnraummiete im Rems-Murr-Kreis ist hoch und es ist kaum Wohnraum bis 375,– Euro für einen 2-Personen-Haushalt zu bekommen, geschweige denn für 347,– Euro.

Die Folgen liegen auf der Hand. Die von Wirtschaft und Regierung gewollte Armut per Gesetz wird weiter ausgebaut und kann schnell in die Obdachlosigkeit führen. Hier sollten SPD und andere Verantwortliche, z. B. die Wirtschaft, an ihre soziale Verpflichtung auch den schwächsten in unserer Gesellschaft gegenüber erinnert werden.

Beratungspflicht wird ganz klein geschrieben. Wozu auch. Je weniger die Betroffenen wissen, umso besser für die ARGE. Oder hat z. B. einer der Hilfsempfäner die Mitteilung bekommen, dass die ARGEn seit 1.1.07 nur noch die Hälfte der bisherigen Beiträge an die Rentenversicherungen überweist? Selbst die Mitarbeiter der ARGEn werden in Konkurrenzkampf versetzt. Diejenigen, die im laufenden Jahr zu viel (?) bewilligen, sollen am Ende des Jahres auch zu den Arbeitslosen gehören und somit zum so genannten Präkariat abrutschen.

In Wirklichkeit sollen die befristeten Arbeitsverträge der betroffenen Mitarbeiter/innen nicht mehr verlängert werden. Zumindest wissen die dann schon, was auf sie zukommt.


Exemplarisch eine Betroffenen Liste:

"Jeder unserer Kunden kriegt die Leistung, die ihm auch zusteht." sagte Baumgardt

Es wäre schön, wenn dies auch tatsächlich so wäre. 33,3% Problemfälle bei Hartz IV im Gegensatz zum Landesdurchschnitt von 8,79 % sprechen eine Sprache für sich.

Betroffener 1 Miete: Mietkosten sollen nach dem gültigen Mietspiegel übernommen werden. Dies ist leider nicht der Fall. Laut Mietspiegel Schorndorf und Umgebung vom 1.1.05 betragen die Mietkosten für eine 60 qm-Wohnung, nicht preisgebundener Wohnraum in Schorndorf 373,– Euro. Für die Gemeinden Plüderhausen, Remshalden, Urbach und Winterbach z. B. zählt derselbe Betrag für die Miete wie in Schorndorf direkt. Hier hat die ARGE eine Liste für Mietobergrenzen herausgegeben, die in keiner Weise dem Mietspiegel standhält. Sie ist vielmehr eine interne Dienstanweisung und somit nicht rechtsgültig.Gleichwohl werden Abstellplätze bzw. Garagen, die nicht vom Mietvertrag abzuspalten sind, ebenfalls nicht übernommen, obwohl diese fester Bestandteil des Mietvertrags ist (wenn kein gesonderter Mietvertrag für Garage oder Abstellplatz vorhanden ist).Hier sollte man Widerspruch bei der ARGE einreichen und notfalls klagen.

Betroffener 2 Nebenkosten: Hier wird von der ARGE monatlich von den Mietnebenkosten für Warmwasser-Energiekosten eine Pauschale von 13,– Euro abgezogen. Das mag zunächst einmal richtig sein. Aber wenn dann die Nebenkostenabrechnung vorliegt, kann man die verbrauchten Energiekosten genau ausrechnen, indem man den Warmwasserverbrauch vom Kaltwasserverbrauch abzieht. Da bleibt dann sehr oft ein größerer Betrag übrig, den die ARGE zurückerstatten müsste. Das wird aber nicht gemacht. Sind die Heizkosten nach Meinung der ARGE zu hoch, soll man diese beschränken. Das ist nicht einfach, wenn man in einer nicht gut isolierten Wohnung wohnt, die schon so nicht warm zu bekommen ist. Anders ist es bei der Heizung. Hat man da zu viel Abschlagszahlungen gezahlt, wird der Rückerstattungsbetrag von den Energiewerken sofort zurückgefordert. Gleichfalls werden eingereichte Rechnungen (z.B. Nebenkostenabrechnungen), die von der ARGE zu erstatten sind, oft monatelang nicht bearbeitet. Mahnt man dies dann bei der ARGE an und fragt, wann denn das erledigt wird, bekommt man oft erst nach 2 bis 3-maliger Anfrage eine Antwort, dass diese Rechnungen nicht bei der ARGE vorhanden sind. Das kommt sehr oft vor. Wenn das dann aber jährlich wiederkehrend geschieht, ist das mehr als peinlich. Hier empfiehlt es sich, entweder die Rechnungen per Einschreiben einzusenden oder diese direkt bei der ARGE abzugeben und eine Empfangsbestätigung zu verlangen.Alles in Allem kann man hier schon sehen, dass es nicht den Tatsachen entspricht, dass jeder Kunde der ARGE das bekommt, was ihm auch zusteht.

Betroffener 3 Umzugsaufforderung: Anfang März 07 eine Umzugsaufforderung erhalten weil die Miete zu hoch ist. Im Bescheid steht: „Ich weise darauf hin, dass Ihre Miete unangemessen hoch ist. Die tatsächliche Miete ist deshalb längstens für 6 Monate, also bis 30.04.07 bei der Berechnung von Arbeitslosengeld II berücksichtigt.“Hier sind also 6 Monate nur 58 Tage, bis man eine angemessene, meist nicht vorhandene Wohnung finden muss.

Betroffener 4: Vergangenes Jahr hatte ich außergewöhnlich hohe Stromabschlagskosten zu bezahlen (über 90,– Euro monatlich). Weil ich noch ein minderjähriges Kind zu versorgen hatte, konnte ich diese nicht mehr bezahlen, was letztendlich dazu führte, dass die EnBW mir den Strom abstellte.Ich bekam den Tipp, dass ich bei der ARGE ein Darlehen beanspruchen kann, um diese Kosten zu bezahlen, damit mir die Stromzufuhr wieder geöffnet wird.Ich ging also zu der ARGE in Schorndorf. Dort wurde ich zunächst schon an der Information abgeschreckt, ich hätte kein Darlehen zu beantragen. Da ich und meine damalige Begleitung hartnäckig blieben, wurde ich an eine Sachbearbeiterin weitergeleitet. Auch diese behauptete, dass mir keine Hilfe in Form eines Darlehens zustehen würde.Ich sollte mit einem Formular nach Stuttgart zur EnBW fahren und mir dort bestätigen lassen, dass diese nicht mehr mit Ratenzahlungen einverstanden sind. Bevor ich nach Stuttgart fuhr, rief ich bei der EnBW an und erkundigte mich. Der Sachbearbeiter erklärte mir, ich hätte doch dieses Schreiben bei der Sperrung der Stromzulieferung ausgehändigt bekommen. Das müsse der ARGE reichen. Ein anderes würde er mir nicht aushändigen.Daraufhin fuhr ich wieder mit meiner Begleitung zur ARGE. Wir wurden an den nächsten Sachbearbeiter verwiesen. Auch dieser behauptete, es gibt kein Darlehen. Daraufhin verlangten wir von diesem mehrmals, den Vorgesetzten zu sprechen, was uns zunächst abgeschlagen wurde. Der würde auch nichts anderes sagen. Aufgrund der Hartnäckigkeit meiner Begleitung wurden wir dann nach langem Hin und Her doch zu dem Vorgesetzten der Sachbearbeiter vorgelassen.Ich brachte meine Notlage vor und erhielt das Darlehen. Allerdings wurde mir auch hier dann 10 % vom Regelsatz von mir und dem Regelsatz meiner Tochter monatlich abgezogen.Ich weiß heute, dass dies nicht richtig war. Es hätten, da ich der Antragsteller war, nur von meinem Regelsatz 10 % abgezogen werden dürfen.

Betroffener 5 Genehmigung Umzug: Anfang Februar 07 ging die Betroffene nach einer Umzugsaufforderung mit einem neuen Mietvertrag zur ARGE. Der Umzug wurde von der ARGE abgelehnt, weil die Miete statt 347,– Euro (nicht am Wohnort zu bekommen, laut Mietspiegel Schorndorf 373,– Euro) 400,– Euro beträgt (vorherige Miete 550,– Euro.).Beim 2. Versuch Mitte Februar wurde der Umzug wieder abgelehnt, trotz Hinweis auf den Schorndorfer Mietspiegel. Zur Antwort bekam die Betroffene, dass eine günstigere Wohnung in Schorndorf und Umgebung zu bekommen wäre. Wenn ich die neue Wohnung, für die sie schon den Mietvertrag in Händen hielt, trotzdem beziehen würde, müsste sie mit einer Leistungsverweigerung rechnen.Die Sachbearbeiterin der ARGE meinte, die Betroffene soll mit dem Vermieter sprechen und für die ARGE den Mietvertrag auf 347,– Euro heruntersetzen lassen. Dann würde der Umzug genehmigt werden. Danach könne die Betroffene ja mit dem Vermieter einen neuen Mietvertrag über die 400,-. Euro machen. Diese Argumentation ist Verleitung von Amtswegen zum Betrug. Dazu kommt noch, dass die Betroffene ein schulpflichtiges Kind hat. Gleichzeitig kann niemand von ihr verlangen, dass sie den Wohnort wechselt, wie hier vorgeschlagen wurde.

Betroffener 6: LehrgängeLehrgänge werden als Bewerbungstraining deklariert. Diese sollen 3 Monate gelten. Bei näherem Hinschauen ist noch ein Computerkurs angehängt. Es werden aber alle, die man geschwind von der Statistik weghaben will, da hineingesteckt, auch die, die schon längst mit Computern arbeiten und sich oft besser in den Programmen auskennen, als diejenigen, die das Wissen vermitteln sollen.Diese Maßnahmen dienen lediglich einem: Die Statistik zu verschönen und der Bevölkerung weiter Sand in die Augen zu streuen. Der Betroffene selbst hat nur in sehr wenigen Fällen einen Nutzen davon. Nur die Maßnahmeträger, denen geholfen wird, ihre „Klassenräume“ für teures Geld, das letztendlich der Steuerzahler bezahlt, zu füllen.

Betroffene 7 Umschulung: Bei dem Versuch, eine Umschulung zu bekommen, kam es dazu, dass die Betroffene zuerst einmal zum Amtsarzt gehen sollte, ob sie wirklich nicht mehr in ihrem alten Beruf arbeiten kann.Beim nächsten Gespräch mit der Sachbearbeiterin der ARGE wurde ihr mitgeteilt, dass sie 100% arbeitsfähig wäre laut dem Bericht des Amtsarztes, obwohl dieser die Betroffene nie gesehen hatte. Im Bericht wurde nicht einmal der wahre Grund, weswegen die Betroffene dort hingeschickt werden sollte, erwähnt. Die Betroffene wartet heute noch nach Monaten auf die Nachricht, ob sie eine Umschulung erhält oder nicht. Trotzdem sollte sie ihre Bewerbungsunterlagen vorlegen. Da sie aber früher einen stehenden Beruf ausgeübt hatte und dies aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht mehr kann, weiß sie auch nicht, worauf sie sich bewerben soll.

GEZ Ein weiterer Punkt zur Klage ist die GEZ. Der Antrag für Rundfunkgebührenbefreiung, der seit 01.04.05 über die Meldebehörde beantragt werden muss, wird längstens für 6 Monate genehmigt, nämlich solange, wie der Bescheid der ARGE gilt. Er muss regelmäßig erneuert werden. Die Befreiung beginnt mit dem Monat, der auf den Monat der Antragsstellung (Eingang bei der GEZ) folgt. Rückwirkende Befreiung ist nicht möglich.Es kommt aber des Öfteren vor, dass der Bescheid der ARGE zu spät oder gar nicht eingeht und somit der Betroffene dadurch Nachteile hat. Dieser soll dann, weil der Antrag zu spät bei der GEZ eingegangen ist, den vollen Betrag an die GEZ bezahlen. Es gibt deshalb immer wieder Probleme bei der Befreiung der Rundfunkgebühren. Die BA hat bereits im August 2006 eine Lösung vorgeschlagen. Sie war bereit, zum alten Verfahren zurückzukehren, wie es früher die Sozialämter praktiziert hatten. Dies lehnte die GEZ jedoch ab. Ein Grund dafür war, dass die GEZ mehr als 1,2 Mill. Euro pro Jahr an Portogebühren für den Versand dieser Bescheinigungen verlangte.

Auskunftspflicht der ARGE: Alle oben angeführten Betroffenen erhielten keine, falsche oder keine ausreichende Auskunft, bzw. sollten schon an der Information abgewimmelt und eingeschüchtert werden. Die hier aufgeführten Beispiele sind keine Einzelfälle. Nur wenige Betroffene haben das Wissen, was ihnen zusteht und was sie tun können, um zu ihrem Recht zu kommen. Dafür spricht schon das, das es sehr viele Bescheide gibt, die falsch bewilligt wurden, aber nur eine geringe Anzahl von Widersprüchen eingereicht wird.

Alles in allem wollen die Betroffenen nicht namentlich genannt werden, weil sie sonst massive Probleme durch die ARGE befürchten. Die Beispiele stehen für viele Betroffene, denen es auch nicht anders ergeht. (Ein Leserbrief von Jochen B., 27.03.07)