Die Linke: Christel Wegner soll gehen

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Christel Wegner muß gehen. Eine persönliche Stellungnahme des Kreisvorsitzenden der Partei Die Linke
von Jörn Jan Leidecker

Die Ausführungen von Christel Wegner in der gestrigen Panoramasendung lassen nur eine Konsequenz zu: sie muß entweder heute zurücktreten oder umgehend aus der Fraktion DIE LINKE im Niedersächsischen Landtag ausgeschlossen werden.

Christel Wegner spricht nicht für DIE LINKE in Niedersachsen. Ihre Kandidatur war umstritten. Erst im zweiten Wahlgang hat sie sich gegen eine hannoversche Kandidatin mit 73 zu 71 Stimmen durchgesetzt. Ihre Kommentare sind ein Schlag ins Gesicht derjenigen die seit Jahren versuchen, eine linke Partei aufzubauen, die sich nicht auf die autoritären und dikatatorischen Traditionslinien, sondern auf die emanzipatorischen Wurzeln der Linken bezieht.

Gegenüber der Stasi kann es keine Ambivalenz geben. In der Stasi kam zum Ausdruck, was das gesamte sowjetische System in den 80 Jahren seiner Existenz von einer Hoffnung der Freiheit zu einem Alptraum aus Unterdrückung und Angst gemacht hat: Es war der Sicherheitsapparat einer miesen und menschenverachtenden Diktatur, die Angst vor den Menschen hatten, und zu Recht haben musste, die sie beherrschte. Der Kontrollwahn und die Bösartigkeit der Sicherheitsbehörden, die Folterungen und stalinischen Massenmorde, die Knäste, die Verfolgungen und das Ausspionieren von sog. Regimegegnern – all dies hat mit "Links" nichts zu tun. Wer demgegenüber ambivalent ist, der verhöhnt die Toten und verlacht die vielen immer noch lebenden Opfer.

Vielleicht fehlt bei einigen, die in der Bundesrepublik einen hohen Preis für ihr Linkssein gezahlt haben und die sich im Angesicht westdeutscher Intoleranz der DDR hoffnungsvoll zugewandt hatten, eine wesentliche Erkenntnis: Der sog. reale Sozialismus war ein autoritäres und menschenverachtendes Regime, das Uniformität und Kleingeistigkeit beförderte, Menschen vernichtete und das bei all den Hoffnungen und positiven individuellen Leistungen, umfassend, komplett, zu Recht und viel zu spät gescheitert ist.

Das Schicksal von Freunden ist für mich entscheidend, die, weil sie Christen waren unterdrückt, wurden, und nicht studieren durften. Ich denke an diejenigen, die zwangsumgesiedelt wurden. Ich denke an die Familien von Menschen, die auswanderen wollten, und deren Angehörige Leid und Verfolgung ertragen mussten.

Gerade auch im Bildungssystem hat die DDR versagt. Margot Honeckers Schulsystem mag als systematische Skizze ja im Wahlkampf lustig mit dem finnischen Schulsystem zu vergleichen sein, es war aber in der Praxis ein System das Anpassung statt dem Entdecken der eigenen Fähigkeiten und der Kreativität diente. Schon das Bildungssystem war politisch, anstatt offen zu sein. Die Widerlichkeit des Aussortierens von unangepaßten Schülern ist häufig dokumentiert.

Wenn wir eine neue LINKE sein wollen, dann müssen wir uns an diejenigen halten, die in den Staaten Mittel- uns Osteuropas und in der Sowjetunion diese graugesichtigen Diktaturen von der Landkarte gefegt haben. Und an die wenigen positiven Traditionslinien, die es wert sindm, erhalten zu werden: Eine moderne LINKE steht in der Tradition derjenigen die sich im Prager Frühling den sowjetischen Panzern entgegengestellt haben und nicht in der Tradition der Panzerfahrer.

Der Aufstand der Danziger Leninwerft hat mehr mit uns zu tun, als die Verkündung des polnischen Ausnahmezustandes. Der ungarische Aufstand von 1956 ist mehr Teil unseres Bezugssystems, als die Ermordung Imre Nagys. Mein Mitgefühl gehört denjenigen Menschen, die sich 1989 in die Prager Botschaft der Bundesrepublik geflüchtet haben. Wir stehen in der Tradition derjenigen die in den Zügen von Prag in den Westen durften und nicht an der Seite derjenigen, die mit Maschinengewehren versucht haben, tausende an der Erstürmung der Bahnhöfe zu hindern.

Und das alles, weil wir Sozialisten sind. 150 Jahre organisierte Arbeiterbewegung haben gezeigt, dass die soziale Veränderung, die nicht die Freiheit und die Unverletzlichkeit der Würde des einzelnen Menschen unabhängig von seiner ökonomischen, kulturellen und sozialen Herkunft in den Mittelpunkt ihres Handelns stellt, an sich selbst scheitert, ja sich selbst gegen sich wendet. Ich bin stolz darauf, wie eindeutig meine Partei ihren Anteil an den Chancen, aber auch am Versagen in den Neunzigerjahren aufgearbeitet hat.

Die Antwort auf die Verbrechen und die gebrochenen Versprechungen des Staatssozialismus ist nicht die Abwendung von der Idee, dass man die ökonomischen und sozialen Verhältnisse fundamental anders gestalten muss. Dies kann aber nur als Emanzipationsprozess geschehen. Die Geschichte der Bundesrepublik gibt uns Traditionen in die Hand, die zeigen, wie es geht. Ich denke an die Frauenbewegung, die Friedensbewegung und die Umweltbewegungen.

Die sozialen Bewegungen haben dieses Land verändert, freier und offener gemacht. Eine kluges Einher von parlamentarischer und außerparlamentarischer Bewegung haben Fortschritt und Emanzipation ermöglicht, so dass dieses Land heute freier und auch von links gestaltbar ist. Dafür haben die 68ger aber auch viele andere Demokraten jahrzehntelang gearbeitet.

Dieses Erbe, das Erbe von Gustav Heinemann und Willy Brandt, von Fritz Bauer und Martin Niemöller, von Elisabeth Selbert und vielen anderen, gilt es zu bewahren. Unser Sozialismus hat nicht nur ein menschliches Anlitz – er ist entweder menschlich, oder er ist Nichts. (15.02.2008, Jörn Jan Leidecker)