Bürgergeld beziehen geht auch mit Eigentumswohnung

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Nicht nur armutsbetroffene Mieter können Leistungen vom Jobcenter beziehen, sondern auch Menschen, die in ihrem Wohneigentum leben. Bei diesen ist die Berechnung der Kosten der Unterkunft allerdings wesentlich komplizierter.

Bürgergeld trotz Wohneigentum

Viele Wohnungs-/Hauseigentümer gehen davon aus, dass sie keinerlei Anspruch beim Jobcenter haben, da sie zu viel Vermögen (ihr Wohneigentum) besitzen. Dieses wird aber in recht hohem Umfang nach §12 Abs1 Nr5 SGB II noch nicht mal als Vermögen angerechnet.

In der “Karenzzeit”

Im 1. Jahr Bürgergeldbezug, der Karenzzeit, gibt es bezüglich Größe des selbst genutzen Wohneigentums keinerlei Einschränkungen – §12 Abs4 S2 SGB II. Wer sein Eigentum aber nicht selbst bewohnt, muss es sich als Vermögen anrechnen lassen und ist dann häufig nicht bedürftig.

§12 Abs4 S2 SGB II: Bei der Berechnung des erheblichen Vermögens ist ein selbst genutztes Hausgrundstück oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung abweichend von Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 nicht zu berücksichtigen. Screenshot von buzer.de
§12 Abs4 S2 SGB II; Screenshot von buzer.de

Nach 1 Jahr Bürgergeldbezug

Nach der Karenzzeit sind selbst bewohnte Häuser bis 140qm und Wohnungen bis 130qm angemessen. Ab der 5.Person werden weitere 20qm zugelassen. Zusätzlich gibt es eine Härtefallregelung.

§12 Abs1 Nr5 SGB II: 2Nicht zu berücksichtigen sindein selbst genutztes Hausgrundstück mit einer Wohnfläche von bis zu 140 Quadratmetern oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung von bis zu 130 Quadratmetern; bewohnen mehr als vier Personen das Hausgrundstück beziehungsweise die Eigentumswohnung, erhöht sich die maßgebende Wohnfläche um jeweils 20 Quadratmeter für jede weitere Person; höhere Wohnflächen sind anzuerkennen, sofern die Berücksichtigung als Vermögen eine besondere Härte bedeuten würde,; Screenshot von buzer.de
§12 Abs1 Nr5 SGB II; Screenshot von buzer.de

Da nun schon klar ist, dass das Wohneigentum geschützt ist, stellt sich die Frage, wie der Bedarf an den Kosten der Unterkunft berechnet wird.

Berechnung der Kosten der Unterkunft –
Was wird denn übernommen?

Die Kosten der Unterkunft für Wohneigentum umfassen vier Kostenbereiche:
1. Finanzierungskosten
2. Wohnkosten
3. Erhaltungsaufwendungen
4. Heizkosten

1. Finanzierungskosten

Muss die Wohnung noch abgezahlt werden, gehören die Schuldzinsen (ungleich Tilgung)immer zu den Kosten der Unterkunft.
Ist eine Lebensversicherung Voraussetzung für den Kredit gewesen, ist deren Beitrag hier anzusetzen

Tilgung von Darlehen

Tilgungsraten können zumeist nicht übernommen werden, da aus Sozialleistungen kein Vermögen gebildet werden soll.

Sind die Raten sehr gering, so dass die Gesamtkosten unter der Angemessenheitsgrenze für Mietwohnungen bleiben, ist dies aber doch möglich. Der Grund dafür ist, ein einfach wirtschaftlicher. Es würden dem Staat höhere Kosten entstehen, wenn er die Tilgung nicht übernehmen würde (BSG Az: B 14/11b AS 67/06 R). Voraussetzung dafür ist aber, dass eine Aussetzung/Streckung der Tilgung nicht möglich ist.

Beispiel:
Angemessen sind für eine 4-köpfige Familie 870€ inkl. Nebenkosten aber ohne Heizung. Die Familie wohnt im Eigentum und hat mit Nebenkosten und 400€ gestreckter Tilgung nur 850€ für die Eigentumswohnung zu zahlen. Das Jobcenter muss daher die Tilgung mit übernehmen. Wären es aber beispielsweise nicht 850€, sondern 900€ inklusive 450€ Tilgung, würde das Jobcenter keinerlei Tilgung übernehmen.

Ein weiterer Grund für die Übernahme von Tilgung ist, wenn die Schulden fast abgezahlt sind. Dafür gibt es allerdings nur Urteile, die zum Teil ab 74% getilgt eine Übernahme der Tilgung zusprechen. Es gibt aber auch Urteile, die schon 50.000€ Restschuld als zu hoch ansehen.

2. Wohnkosten

Zu den Wohnkosten gehören die klassischen Nebenkosten (Müll, Wasser, Schornsteinfeger,…), die auch Mietern zahlen, aber auch Beträge die Eigentümer nicht auf Mieter umlegen dürfen (wie z.B. Erschließungskosten). Praktisch (fast) alle anfallenden Kosten.

Wichtig ist, dass keine monatliche Durchschnittsberechnung zulässig ist, sondern die Kosten in dem Monat zu berücksichtigen sind, in dem sie anfallen.

3. Erhaltungsaufwendungen

Es können aber auch Erhaltungsaufwendungen zusätzlich in der Wohnung anfallen, die übernommen werden müssen. Dazu wird es demnächst einen eigenen Artikel geben.

4. Heizkosten

Bei Eigentümern von Wohnungen sind typischerweise keine Besonderheiten gegenüber den Heizkosten von Mietern zu beachten.
Bei selbst beschafften Brennstoffen (untypisch in Wohnungen) siehe hier bei Twitter.

Rechtsgrundlagen

§22 Abs1 SGB II: Grundlegend
§22 Abs2 SGB II: Erhaltungsaufwendungen
LSG NRW vom 3.7.2009 – L 12 B 42/09 AS ER: Instandhaltungsrücklage

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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