Rente schon mit 36 Jahren? Betroffener wehrte sich erfolgreich
Ein ehemaliger Hartz IV Bezieher, der eigentlich erst 36 Jahre alt ist, sollte nach Auffassung des Jobcenters und der Deutschen Rentenversicherung zwangsverrentet werden. Doch der Betroffene wehrte sich erfolgreich vor dem Hamburger Sozialgericht. Durch einen Geburtsfehler ist der Betroffene leicht geistig eingeschrรคnkt. Das allein reichte der Behรถrde aus, ihn aufs Abstellgleis zu schicken.
Jobcenter schickte jungen Mann in Rente
Der 36-jรคhrige Raymond W. will arbeiten wie jeder andere Mensch im erwerbsfรคhigen Alter auch. Doch das Jobcenter und die Deutsche Rentenversicherung vertraten eine andere Position entgegen des Willens des Klรคgers. Die beiden Behรถrden sahen aufgrund der geistigen Einschrรคnkungen des Klรคgers keine Erwerbsfรคhigkeit am Arbeitsmarkt.
Statt der Rente will Raymond W. lieber als Fach-Lagerist arbeiten. Trotz seiner Lernbehinderung sieht er fรผr sich eine Chance auf dem Arbeitsmarkt Fuss zu fassen. Weil aber Lernen, Lesen und Schreiben eine Herausforderung fรผr den Klรคger sind, schob ihn das Jobcenter an die Deutsche Rentenversicherung ab.
Keine Chance auf dem regulรคren Arbeitsmarkt als Rentner
Seit dem zahlt die Rentenkasse dem Betroffenen eine Erwerbsunfรคhigkeitsrente. Zwar kรถnnte er dennoch in Werstรคtten fรผr kรถrperlich und geistig behinderte Menschen arbeiten, doch das entsprucht nicht seinen eigenen Wรผnschen. Wenn Raymond W. als Fach-Lagerist arbeiten mรถchte, darf er keine Rente beziehen. Ein Zustand, den er nicht mitmacht.
Rentenbescheid aufgehoben
Daraufhin klagte er gegen die Deutsche Rentenversicherung vor dem Sozialgericht Hamburg. Nach 3-stรผndiger Verhandlung gab das Gericht dem Klรคger Recht. Durch das Urteil ist er seinem eigenen Wunsch nun einem groรen Schritt nรคher gekommen.
Die Deutsche Rentenversicherung gibt sich nach dem Urteil einsichtig. “Das Gericht hat entschieden, dass die Bescheide aufgehoben werden und wir haben dem stattgegeben”, bestรคtigt Sebastian Bollig von der Deutschen Rentenversicherung gegenรผber dem NDR-Fernsehen. “Wir werden jetzt prรผfen, wie wir dem Klรคger dabei helfen kรถnnen, dass er wieder ins Arbeitsleben einsteigen kann.”
Zwar glaubt das Gericht nicht daran, dass der Einstieg in das regulรคre Berufsleben sofort klappen kรถnnte, aber “es muss geprรผft werden, wie man den Klรคger am besten in den Arbeitsmarkt integrieren kann”, so ein Sprecher des Gerichts.
Hartz IV Kritikerin unterstรผtze Klรคger
Die Hartz IV Kritikerin und ehemalige Jobcenter-Mitarbeiterin Inge Hannemann unterstรผtzte den Klรคger vor Gericht. Sie kennt Raymond W. noch aus Zeiten ihrer Tรคtigkeit als Fallmanagerin. Damals vermittelte sie dem Klรคger mehrere Praktikumsplรคtze. Bei einem Arbeitgeber klappte es schlieรlich. โEr hรคtte dort eine Ausbildung mit ausbildungsbegleitenden Hilfen machen kรถnnen”, so Hannemann gegenรผber der Hamburger Morgenpost. “Die schriftliche Prรผfung hรคtte er mรผndlich ablegen kรถnnen.”
Doch dann war Raymond W. lรคnger erkrankt. Der Nachfolger von Hannemann im Jobcenter habe die Maรnahme ohne eine Begrรผndung beendet und ihn in die Rente abgeschoben. Das war der einfachste Weg fรผr die Behรถrde, kritisiert Hannemann.
Urteil im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention
Nun aber gab das Gericht dem Mann Rรผckendeckung. Zudem kommt der Verhandlung auch eine Grundsatzbedeutung zu. Dieย Behindertenrechtskonvention der UN erklรคrte nรคmlich das Ziel, dass auch behinderte Menschen eine Mรถglichkeit bekommen sollten, eine regulรคre Arbeit am Arbeitsmarkt zu finden, ohne gesellschaftlich aufs Abstellgleis zu landen. Durch dieses Urteil bekommen Menschen in รคhnlichen Lagen Rรผckendeckung.