250 Euro mehr muss der Bürgergeld-Regelsatz sein

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Die Debatte um die Höhe der Regelleistungen im Bürgergeld verkennt die Sicherung vor Armut. Experten der Forschungsstelle des Paritätischen Gesamtverbandes haben im Rahmen eines Gutachten mit amtlichen Zahlen einen armutsfesten Regelsatz  errechnet. Dieser müsste eigentlich 250 Euro höher sein, um Existenzsichernd zu wirken.

Experten errechnen Bürgergeld-Bedarf von 813 Euro für Existenzsicherung

Experten der Forschungsstelle haben in einer aktuellen Analyse festgestellt, dass das ab 2024 vorgesehene sogenannte Bürgergeld in Höhe von 563 Euro bei weitem nicht ausreicht, um vor Armut zu schützen.

Für die  Anpassung zum 1.1.2024 wurden nicht die aktuell geltenden Regelbedarfe als Ausgangspunkt des zweistufigen Berechnungsverfahrens genommen, sondern die Werte, die sich für 2023 allein aus dem Mischindex ergaben, also ohne zusätzliche Fortschreibung entsprechend der Preisentwicklung (von 6,9 Prozent).

Der Ausgangswert 2023 für die Anpassung zum 1.1.2024 lag – für eine allein lebende Person – mit 469 € unter dem aktuellen Regelbedarf von 502 €.

Nach dem Mischindex ergibt sich nach dem Verordnungsentwurf zum 1.1.2024 eine Anpassung von 9 Prozent (Preisentwicklung: 10,6 Prozent und Lohnentwicklung: 5,5 Prozent).

Im zweiten Schritt erfolgt die ergänzende Fortschreibung (Preisentwicklung im 2. Quartal 2023 gegenüber dem Vorjahr) in Höhe von 9,9 Prozent.

Aus der Kombination aller Berechnungsschritte ergibt sich schließlich eine Anpassung der Regelbedarfe um rund 12 Prozent gegenüber dem Status quo.

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Alternative Berechnung der Regelleistungen

Die Paritätische Forschungsstelle legt allerdings regelmäßig eine alternative Berechnung der Regelsätze in der Grundsicherung vor. Hinsichtlich der Fortschreibung orientiert sie sich an den jeweils geltenden Regeln analog zum Fortschreibungsverfahren der Bundesregierung.

In einem ersten Schritt werden „veränderte Werte“ für das Jahr 2023 ermittelt, indem die ergänzende Fortschreibung ausgesetzt und nur die Basisfortschreibung von 2022 auf 2023 durchgeführt wird.

In einem zweiten Schritt wurden diese neu ermittelten Werte für 2023 mit dem neuen zweistufigen Verfahren auf das Jahr 2024 fortgeschrieben.

Ausgangspunkt für die Alternativrechnung zum 1.1.2024 sind die Ergebnisse der Alternativrechnung zum 1.1.2022. Danach ergibt sich für 2022 ein Regelbedarf für einen alleinstehenden Erwachsenen (Regelbedarfsstufe 1) in Höhe von 649 Euro.

Dieser Betrag wird nun im ersten Schritt nur um die Basisfortschreibung 2023 (Mischindex 2023: 4,54 %) fortgeschrieben – enthält also nicht die ergänzende Fortschreibung 2023.

Im nächsten Schritt wird dieser in Schritt 1 ermittelte Basiswert mit der Basisfortschreibung 2024 (Mischindex: 9,07 %) und der ergänzenden Fortschreibung 2024 (9,9 %) multipliziert bzw. fortgeschrieben.

Nach diesem zweistufigen Verfahren ergibt sich im Ergebnis die Fortschreibung der alternativen Regelbedarfsermittlung der Paritätischen Forschungsstelle auf das Jahr 2024. Der Regelbedarf für einen alleinstehenden Erwachsenen beträgt demnach 813 Euro.

Derzeitige Regelsätze vs. armutssicherer Regelleistungen

Regelsätze Bürgergeld Regelsätze 2024 Bundesregierung Regelsätze 2024 Paritätischer 
Alleinstehender Erwachsener 563 Euro 813 Euro
Partner 506 Euro 732 Euro
Anderer Erwachsener in Bedarfsemeinschaft 451 Euro 651 Euro
Kind 14 – 17 Jahre 471 Euro 573 Euro
Kind 6 -13 Jahre 390 Euro 479 Euro
Kind 0 – 5 Jahre 357 Euro 402 Euro

Kritik an geplanten Kürzungen und Inflationsausgleich

Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat die aktuellen Forderungen nach einer Kürzung des Bürgergelds demnach deutlich kritisiert. Die geplante Erhöhung der Grundsicherungsleistungen auf 563 Euro ab 2024 sei nach Ansicht des Verbands keineswegs ausreichend und dürfe nicht ausgesetzt werden.

Nach Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle müsste also der Bürgergeld Regelsatz deutlich höher liegen, nämlich, wie beschrieben, bei mindestens 813 Euro für alleinstehende Erwachsene, um nicht nur die Inflation auszugleichen, sondern auch effektiv vor Armut zu schützen.

Warnung vor möglichen Verfassungsbrüchen

Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, kritisiert die aktuellen Überlegungen zur Kürzung des Bürgergelds und weist auf die massiven Kaufkraftverluste der Bevölkerung hin.

Mit Blick auf die Preisentwicklung in den letzten Jahren, die zu einem Anstieg des allgemeinen Preisniveaus um 13 Prozent und der Lebensmittelpreise um 27 Prozent geführt habe, betont Schneider die Notwendigkeit einer angemessenen Anpassung der Regelsätze.

Forderung nach angemessener Anhebung des Bürgergelds

Der Paritätische warnt vor einem möglichen Verfassungsbruch der Bundesregierung, sollte die geplante Erhöhung des Bürgergeldes ausgesetzt oder gekürzt werden.

Nach Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle müsste das Bürgergeld sogar um 60 Prozent auf mindestens 813 Euro angehoben werden, um den tatsächlichen Bedarf der Bürgerinnen und Bürger angemessen zu decken.

Die Diskrepanz zwischen den geplanten Leistungen und dem tatsächlichen Bedarf zeigt die Dringlichkeit einer entsprechenden Anpassung des Bürgergeldes, um einen wirksamen Schutz vor Armut zu gewährleisten.