Schwerbehinderung: Wann wird ein Schwerbehindertenausweis unbefristet verlängert?

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Bevor es um Fristen geht, lohnt ein Blick auf den Unterschied zwischen Feststellung und Ausweis. Die Schwerbehinderteneigenschaft (Grad der Behinderung, Merkzeichen) wird durch einen Bescheid der zuständigen Behörde festgestellt. Der Schwerbehindertenausweis ist lediglich der amtliche Nachweis dieses Status im Alltag – etwa gegenüber Arbeitgebern, Behörden oder Verkehrsunternehmen.

Rechtlich wichtig ist also der Bescheid; der Ausweis „folgt“ ihm in Form und Gültigkeit. In der Praxis wird der Ausweis zunächst häufig befristet ausgegeben und später verlängert oder neu ausgestellt, sofern die Voraussetzungen weiterhin vorliegen.

Der Bundesbehindertenbeauftragte beschreibt als Regelfall eine Ausstellungsdauer von bis zu fünf Jahren mit anschließender Verlängerungsmöglichkeit; bei unveränderlicher Behinderung ist auch eine unbefristete Ausstellung möglich.

Was das Gesetz erlaubt – und was nicht garantiert

Rechtsgrundlage für Form und Gültigkeit des Ausweises ist die Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV). Sie regelt insbesondere, dass der Ausweis grundsätzlich befristet wird und längstens fünf Jahre gilt. Zugleich eröffnet sie den Behörden den Spielraum, einen Ausweis unbefristet auszustellen, wenn nach den medizinischen Befunden auf Dauer keine wesentliche Besserung zu erwarten ist.

Ein einklagbarer Anspruch auf Unbefristung besteht daraus allerdings nicht; die Gerichte betonen regelmäßig, dass auch bei dauerhaft festgestellter Behinderung der Ausweis im Grundsatz befristet werden kann.

Das zeigen etwa Entscheidungen des LSG Baden-Württemberg und des Thüringer LSG, die einen generellen Anspruch auf „Ausweis ohne Ablaufdatum“ verneint haben.

Der Regelfall: Befristung, Prüfung und erneute Ausstellung

In der behördlichen Praxis wird ein Erst-Ausweis in aller Regel bis zu fünf Jahren befristet. Zum Ende dieser Frist prüft die Behörde, ob die Voraussetzungen unverändert bestehen. Bei Erkrankungen mit typischer Heilungsbewährung – etwa nach Tumorentfernung – werden Ausweise bewusst nur für den Beobachtungszeitraum befristet.

Nach Ablauf holt die Behörde aktuelle medizinische Einschätzungen ein und entscheidet über Verlängerung, Befristung oder Änderung.

Der bundesweite Ratgeber der Integrations-/Inklusionsämter schildert diese Praxis einschließlich der Heilungsbewährung ausdrücklich; er hält zudem fest, dass ein unbefristeter Ausweis nur in Betracht kommt, wenn die Behinderung lebenslang bestehen wird.

Wann „unbefristet“ möglich ist – die medizinische Prognose entscheidet

Eine unbefristete Verlängerung bzw. Neuausstellung setzt voraus, dass sich aus den Unterlagen eine dauerhaft unveränderte Situation ergibt. Maßgeblich ist die Prognose: Wird nach fachärztlicher Einschätzung keine wesentliche Besserung mehr eintreten, kann die Behörde den Ausweis ohne Ablaufdatum ausstellen.

Das ist etwa bei irreversiblen Funktionsverlusten oder chronisch-progredienten Erkrankungen mit stabilem, nicht besserungsfähigem Zustand denkbar. Wichtig ist: Auch ein unbefristeter Ausweis steht unter dem gesetzlichen Änderungsvorbehalt.

Verbessert sich der Gesundheitszustand erkennbar, darf die Behörde den Bescheid neu bewerten und den Ausweis einziehen oder – künftig – wieder befristen.

Das Land Niedersachsen weist in seinen amtlichen FAQ ausdrücklich darauf hin, dass „unbefristet“ nicht „für immer“ bedeutet.

Behördenpraxis: Unbefristung ist möglich, aber restriktiv

Verbände wie der Sozialverband VdK berichten übereinstimmend, dass die Möglichkeit der Unbefristung zurückhaltend genutzt wird. Hintergrund sind die gesetzlichen Prüfpflichten und die Vielfalt medizinischer Verläufe.

So hebt der VdK hervor, dass selbst bei unumkehrbaren Beeinträchtigungen kein genereller Anspruch auf einen Ausweis ohne Befristung besteht; die Ausgestaltung bleibt eine Einzelfallentscheidung. Gerichte stützen diese Linie:

Das LSG Baden-Württemberg stellte klar, dass auch bei unbefristet festgestelltem GdB der Ausweis an sich grundsätzlich befristet werden darf.

„Verlängern“ oder „neu ausstellen“: Was heute technisch geschieht
Mit der Einführung des Ausweises im Scheckkartenformat wird bei Ablauf nicht mehr „gestempelt“, sondern neu ausgestellt.

Sozialrechtlich spricht man weiterhin von Verlängerung, praktisch erhalten Betroffene eine neue Karte auf Basis des fortgeltenden Bescheids. Der Ratgeber der Integrations-/Inklusionsämter hält fest, dass die aktuelle Plastikkarte nach Ablauf nicht mehr verlängert oder geändert wird, sondern neu auszustellen ist. Inhaltlich entspricht die neue Karte dem unveränderten Status – befristet oder unbefristet.

Verfahren und Fristen: So bleibt der Nachweis nahtlos gültig

Um Leistungslücken zu vermeiden, empfehlen Behörden, die Verlängerung mehrere Wochen bis Monate vor Ablauf zu beantragen. Liegen keine Änderungen vor, kann die Gültigkeit ohne erneute medizinische Begutachtung fortgeschrieben werden; bei Zweifeln fordert die Behörde aktuelle Befunde an.

Der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt rät beispielhaft zur Antragstellung etwa drei Monate vor Fristende und erläutert, dass bei fortbestehender Rechtslage die Gültigkeit ohne Änderungen verlängert wird.

Parallel betonen bundeseinheitliche Informationsseiten, dass bei stabiler, nicht besserungsfähiger Behinderung eine unbefristete Ausstellung möglich ist.

Sonderfälle und Grenzen: Was die Unbefristung ausschließt

Es gibt Konstellationen, in denen trotz hoher Wahrscheinlichkeit der Dauerhaftigkeit zunächst befristet wird – etwa bei Erkrankungen, bei denen eine Heilungsbewährung oder Therapieresponse abzuwarten ist.

Speziell die Onkologie zeigt, dass auch nach erfolgreicher Behandlung Folgebeschwerden fortbestehen können; im Anschluss an solche Übergangsphasen entscheidet die Behörde erneut über Befristung oder Unbefristung. Verbände und Fachinformationen weisen daher darauf hin, dass der Weg zur Unbefristung über die belegte Dauerstabilität führt – nicht über die Diagnose allein.

Fazit: Unbefristete Verlängerung ist möglich – aber immer eine Einzelfallprüfung

Ein Schwerbehindertenausweis kann unbefristet verlängert beziehungsweise neu ausgestellt werden, wenn ärztlich keine relevante Besserung mehr zu erwarten ist und die Behörde diese Prognose teilt.

Ein Rechtsanspruch auf Unbefristung besteht nicht; Gerichte billigen den Behörden die Befristung auch bei dauerhaft festgestellter Schwerbehinderung zu.

Praktisch bleibt entscheidend, frühzeitig zu beantragen, aktuelle Befunde bereitzuhalten und die eigene Situation konsistent zu belegen. Dann stehen die Chancen gut, dass der Nachweis entweder weiter befristet – lückenlos – gültig bleibt oder, bei klarer Dauerhaftigkeit, ohne Ablaufdatum ausgestellt wird.