Der Arbeitgeber trรคgt die Beweislast dafรผr, dass kein Verstoร gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat, wenn der Arbeitnehmer seinerseits Indizien beweist, die eine Benachteiligung vermuten lassen.
Im ersten Schritt muss also der Beschรคftigte Indizien vortragen und mรถglicherweise auch beweisen, die eine Benachteiligung vermuten lassen. Erst im zweiten Schritt ist dann ein zwingender Schluss einer Benachteiligung nicht mehr notwendig, sondern er reicht eine รผberwiegende Wahrscheinlichkeit, die der Arbeitgeber widerlegen muss.
Mit dieser Begrรผndung wies das Arbeitsgericht Dรผsseldorf die Klage eines Beschรคftigten ab, der eine Entschรคdigung wegen Diskriminierung aufgrund seiner Schwerbehinderung gefordert hatte. (10 Ca 4027/15)
Inhaltsverzeichnis
Nach Motorradunfall schwerbehindert
Der Betroffene arbeitete als Ingenieur und war nach einem Motorradunfall zu 100 Prozent schwerbehindert. Er kann sich nur auf Krรผcken oder im Rollstuhl bewegen. Sein Arbeitgeber entwickelt Beleuchtungskonzepte, und der Arbeitnehmer war verantwortlich fรผr Aufnahme, Umsetzung und Installation von Projekten im Bereich der energiesparenden Beleuchtung und Planungen und Realisierung von elektrischen Anlagen.
Kรผndigung und Klage
Der Arbeitgeber wies den Betroffenen an, keine privaten elektronischen Gerรคte am Arbeitsplatz zu nutzen. Der Arbeitgeber kรผndigte ihm fristlos, offensichtlich wegen lรคngerem Verlassen seines Arbeitsplatzes und mehreren Tagen unentschuldigten Fehlens.
Nachdem sein Widerspruch gegen die Kรผndigung erfolglos geblieben war, reichte er eine Klage ein und forderte eine Entschรคdigung in Hรถhe von 10.000 Euro, da er wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden sei.
Auf elektronische Gerรคte angewiesen
Er begrรผndete die Klage damit, dass ihm verboten worden sei, elektronische Gerรคte an seinem Arbeitsplatz zu benutzen. Er sei jedoch darauf angewiesen, sich Luftzufuhr durch technische Hilfe zu verschaffen, da er nicht aus dem Rollstuhl aufstehen kรถnne und seinen Arbeitsplatz nicht verlassen durfte. Er hรคtte auch nicht mit anderen Mitarbeitern sprechen dรผrfen. Dieses Verbot wรผrde fรผr andere Mitarbeiter nicht gelten. Es sei Aufgabe des Arbeitgebers, das Gegenteil zu beweisen, im Sinne der Umkehr der Beweislast.
Das Gericht informiert รผber seine weiteren Ausfรผhrungen: โDie fristlose Kรผndigung sei in Ermangelung eines wichtigen Grundes unwirksam. Auch sei die Zweiwochenfrist nicht eingehalten worden. Auch diese weitere Kรผndigung zeige aber deutlich, dass der Klรคger diskriminiert und mit grundlosen Kรผndigungen รผberzogen werde.โ
Laut Arbeitgeber gab es das Verbot nicht
Der Arbeitgeber erklรคrte, es gebe gegen den Klรคger kein Verbot, mit anderen Mitarbeitern zu sprechen. Auch sei es nicht nur ihm, sondern allen Mitarbeitern verboten, eigene elektronische Gerรคte an ihrem Arbeitsplatz zu nutzen.
Arbeitsplatz sei ohnehin weggefallen
Die Kรผndigung sei wirksam, da das Kรผndigungsschutzgesetz bei diesem Arbeitsverhรคltnis nicht zur Anwendung komme. Darรผber hinaus hรคtte das Unternehmen entschieden, die Planung an elektrotechnische Drittfirmen zu vergeben. Der Arbeitsplatz des Klรคgers sei also tatsรคchlich weggefallen.
Fristlose Kรผndigung wegen Fotos vom Arbeitsplatz
Die fristlose Kรผndigung sei erfolgt, โweil der Klรคger trotz der ausdrรผcklichen Arbeitsanweisung, die den Gebrauch von privaten elektronischen Gerรคten am Arbeitsplatz verbiete, mit seinem Smartphone Fotos von seinem Arbeitsplatz gefertigt habe, die er in der Gรผteverhandlung vom 27. Juli 2015 vorgelegt habe. Aufgrund der ausdrรผcklichen Arbeitsanweisung sei eine Abmahnung entbehrlich gewesen.โ
Keine Indizien vorgelegt
Das Gericht erklรคrte, der Betroffene sei โfรผr seine Behauptung beweisfรคllig geblieben, dass er ein schriftliches Verbot erhalten habe, mit anderen Mitarbeitern zu sprechen (…) Dies รผberrascht umso mehr, als es dann doch ein Einfaches gewesen sein sollte, dieses Schriftstรผck im Prozess vorzulegen. Soweit er behauptet, dass die Kollegen ein solches schriftliches Verbot erhalten hรคtten, hรคtte er insoweit – sollte sein Vortrag nicht ins Blaue hinein erfolgt sein – Zeugenbeweis anbieten kรถnnen.โ
Er hรคtte auch keinen Beweis fรผr seine Behauptung geliefert, das Verbot eigener elektronischer Gerรคte am Arbeitsplatz habe nur fรผr ihn gegolten. โAus diesem Grunde kann auch das Verbot, ein batteriebetriebenes Lรผftungsgerรคt am Arbeitsplatz zu nutzen, keine Benachteiligung wegen der Behinderung darstellen. Es mag sein, dass dem Klรคger unter dem Gesichtspunkt eines leidensgerechten Arbeitsplatzes wegen seiner Schwerbehinderung hรคtte gestattet werden mรผssen, ein solches Lรผftungsgerรคt mitzubringen.โ
Auch wenn dies der Fall gewesen wรคre, liege keine Benachteiligung vor, wenn die Mitnahme allen Mitarbeitern verboten sei.
Keine Benachteiligung selbst wenn die Angaben stimmen
Selbst wenn die Angaben des Klรคgers richtig wรคren, lieรe sich trotzdem keine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung vermuten. Vielmehr wรคre es wahrscheinlich, dass der Arbeitgeber mit einem nichtbehinderten Arbeitnehmer รคhnlich verfahren wรคre. Mรถglicherweise lieรe sich der Beginn eines Mobbings vermuten, doch dies stehe nicht in Zusammenhang mit der Schwerbehinderung.
Fristlose Kรผndigung ist unwirksam
Allerdings erklรคrte das Gericht die fristlose Kรผndigung fรผr unwirksam. Denn eine vorherige Abmahnung wรคre in diesem Fall geeignet gewesen. Ein Arbeitnehmer kรถnne nicht davon ausgehen, dass ein einmaliges Fotografieren des Arbeitsplatzes eine derartige Pflichtverletzung sei, um eine fristlose Kรผndigung zu rechtfertigen.
Demzufolge sprach das Gericht dem Klรคger Anspruch auf Annahmeverzugslohn in Hรถhe von 3.350,00 Euro brutto zu, abzรผglich bereits gezahlter 1.032,77 Euro netto.