Fehlende Krankmeldung AU führte nicht zur Bürgergeld-Rückzahlung – Urteil

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In einem Urteil (Aktenzeichen S 16 AS 47/21) hat das Sozialgericht Osnabrück klargestellt, dass der Verlust des Anspruchs auf Krankengeld aufgrund verspäteter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht automatisch dazu führt, dass bereits erhaltene Hartz IV-Leistungen (heutiges Bürgergeld) zurückgezahlt werden müssen.

Die Entscheidung betrifft einen Fall, in dem ein SGB II-Leistungsempfänger sein Krankengeld verlor, weil er zu spät einen lückenlosen Nachweis seiner Arbeitsunfähigkeit erbrachte.

Keine lückenlose Vorlage der Krankmeldungen

Die Kläger, ein verheiratetes Paar mit einem gemeinsamen Kind, sahen sich mit einem komplexen Gesundheitsproblem konfrontiert. Der Kläger, 1974 geboren, war seit Juli 2018 aufgrund eines Bandscheibenvorfalls arbeitsunfähig erkrankt und erhielt Krankengeld. Die Krankenkasse wies ihn darauf hin, dass ein lückenloser Nachweis der Arbeitsunfähigkeit erforderlich sei.

Im November 2018 versäumte der Kläger, eine solche Bescheinigung für den Zeitraum vom 12.11.2018 bis zum 18.11.2018 vorzulegen. Dies führte dazu, dass ihm die Krankenkasse das Krankengeld ab dem 12.11.2018 verweigerte.

Nach Verlust des Krankengelds Hartz IV Antrag gestellt

Um den Lebensunterhalt zu sichern, beantragte der Versicherte noch im selben Monat beim zuständigen Jobcenter Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II), im Volksmund auch als “Hartz IV” bekannt.

Jobcenter verlangte Rückzahlung

Im März 2020 forderte das Jobcenter die Rückzahlung von 961,36 EUR. Die Begründung lautete, der Kläger habe die Hilfebedürftigkeit grob fahrlässig und sozialwidrig herbeigeführt, indem er keine fortlaufende AU-Bescheinigung eingeholt habe.

Der Kläger argumentierte in seinem Widerspruch, dass er während des fraglichen Zeitraums, seine Frau, sein Sohn und er selbst krank waren. Aufgrund seines Bandscheibenvorfalls konnte er weder öffentliche Verkehrsmittel nutzen noch längere Strecken zu Fuß zurücklegen. Zudem sei ihm aufgrund seiner offensichtlich dauerhaften Erkrankung nicht bewusst gewesen, wie wichtig die lückenlose AU-Bescheinigung sei.

Das Jobcenter wies dies zurück und betonte, der Kläger sei von seiner Krankenkasse über die Notwendigkeit der lückenlosen Krankschreibung informiert worden.

Im weiteren Verlauf des Verfahrens brachte der Kläger vor, dass sein Verhalten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gewesen sei. Er argumentierte, dass er durch die “Hartz IV”-Leistungen finanziell schlechter gestellt sei als durch das Krankengeld.

Kein vorsätzliches sozialwidriges Verhalten

Das Sozialgericht Osnabrück schloss sich der Argumentation des Klägers an. Es sah keine Voraussetzungen für einen Ersatzanspruch nach § 34 Abs. 1 SGB II. Das Gericht entschied, dass der Kläger die Hilfebedürftigkeit nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt habe. Die Richter hielten den Vortrag des Klägers für glaubhaft, insbesondere vor dem Hintergrund seiner offenkundigen dauerhaften Erkrankung.

Das Gericht berücksichtigte dabei auch, dass dem Kläger kein Vorwurf gemacht werden könne, da er nicht darüber informiert wurde, dass der Krankengeldbezug bei einer “Lücke” nicht nur für die Zeit des fehlenden Nachweises, sondern vollständig ende.

Das Sozialgericht betonte, dass in derartigen Fällen selbst bei Fahrlässigkeit ein Verhalten erforderlich sei, “das dem vorsätzlichen Herbeiführen der Hilfebedürftigkeit wertungsmäßig gleichsteht”.

Zusätzlich berücksichtigte das Gericht die finanzielle Benachteiligung des Klägers durch die “Hartz IV”-Leistungen im Vergleich zum Krankengeld. Die Richter erkannte an, dass der Kläger sich zu dem Zeitpunkt, als er die nächste AU-Bescheinigung hätte einholen müssen, in einer familiären Belastungssituation befand, in der die Einhaltung wichtiger Fristen subjektiv an Bedeutung verlor.

Wichtig: das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Hinweis zur Rechtslage

Gemäß § 34 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) können Ersatzansprüche bei sozialwidrigem Verhalten geltend gemacht werden, wenn jemand vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für Leistungen nach dem SGB II ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat. Dies gilt auch, wenn die Hilfebedürftigkeit erhöht, aufrechterhalten oder nicht verringert wurde. (Hinweis Tacheles e.V.)