Bürgergeld: Jobcenter dürfen nicht rechtswidrig Unterlagen von Partnern verlangen – und tun es trotzdem

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Das Amtsgericht Hamburg-Harburg (Strafabteilung) urteilte gegen das Jobcenter team.arbeit.hamburg. Dieses hatte einem getrennt lebenden (Ehe-)Partner einer Antragstellerin einen Bußgeldbescheid zugeschickt, weil dieser sch weigerte, dem Jobcenter Unterlagen wie Verdienstbescheinigung und Arbeitsvertrag zu schicken.

Das Amtsgericht erklärt, der Betroffene sei nicht verpflichtet gewesen, der Behörde Unterlagen zu Vermögen und Einkommen zu liefern.

Wie war die Situation?

Der Betroffene führt aus: “Ich war und bin weder Antragsteller von ALG II – Leistungen, noch hatte ich Leistungen begehrt. Im gegenständlichen Zeitraum war ich der getrennt lebende (Ehe-)Partner der Antragstellerin, mit getrennten Haushalten aufgrund besonderer sozialer Situation, getrennten Konten und getrenntem Wirtschaften. Alles wurde nachgewiesen.

Ich habe meinen 90-jährigen Vater im Alltag unterstützt, mit dem ich in einem gemeinsamen Haushalt gelebt habe, und meine getrennt lebende Partnerin hatte und hat ihren Wohnort in der Nähe der Grundschule ihrer Tochter.”

Getrennt lebend, trotzdem “Bedarfsgemeinschaft”

Obwohl der Betroffene und seine Partnerin getrennt lebten, behandelte das Jobcenter sie als Bedarfsgemeinschaft. Dabei hatte nur die Partnerin Leistungen für sich und ihre Tochter (aus einer anderen Partnerschaft) beantragt.

Auskunftspflicht laut § 60 SGB II

Der Betroffene erklärt: “Laut § 60 SGB II bin ich als Dritter auskunftspflichtig – das ist auch in Ordnung. Das Jobcenter verlangte jedoch von mir die Einreichung folgender Unterlagen und Dokumente:

  • meine Verdienstbescheinigungen
  • meinen Arbeitsvertrag
  • eine vollständig ausgefüllte Anlage EK (die eigentlich nur für Antragsteller vorgesehen ist)
  • Rentenbescheide sowie
  • lückenlose Kontoauszüge über den gesamten Zeitraum von meinem Konto bzw. dem Konto meines Vaters.”

Dabei wurde, so der Betroffene, sein Vater als Mitinhaber des entsprechenden Kontos vom Jobcenter nicht einmal darüber informiert, dass auch die Daten und Unterlagen des Vaters vom Sohn gefordert wurden.

Der Betroffene legt Widerspruch ein

Der Betroffene berichtet: “Gegen die Einreichung dieser Unterlagen habe ich widersprochen, da dies schon Mitwirkungspflichten sind (…) und widersprach der Forderung. Das wurde vom Jobcenter nicht akzeptiert.”

Mitwirkungspflichten gelten nur für Leistungsberechtigte

Der Betroffene erhält weder Leistungen nach dem SGB II (Bürgergeld), noch hatte er solche beantragt. Mitwirkungspflichten gelten beim Jobcenter aber nur für Leistungsberechtigte, die sich vertraglich bei der Behörde zu dieser Mitwirkung verpflichten – und nicht für Dritte.

Leistungen auf Null gesetzt

Der Antragstellerin wurden vom Jobcenter als Reaktion die Bürgergeld-Leistungen auf Null gesetzt. Die Begründung lautete, die Unterlagen seien nicht vollständig eingereicht worden, und damit hätte die Antragstellerin ihre Mitwirkungspflicht verletzt.

Dr. Utz Anhalt berichtet über diesen Fall in diesem Video

Die Antragstellerin legte dagegen Widerspruch ein, den das Jobcenter zurückwies. In der Folge klagte sie beim Sozialgericht Hamburg.

Bußgeldbescheid für den getrennt lebenden Partner

Der Partner der Antragstellerin informiert: “Bestärkt vom Sozialgericht Hamburg erließ das Jobcenter einen Bußgeldbescheid gegen mich in Höhe von 848,75 €, mit der Begründung, dass ich die angeforderten Unterlagen nicht vollständig eingereicht hätte. Ohne den Erlass meines Widerspruchbescheides abzuwarten, leitete das Jobcenter ein Strafverfahren gegen mich beim Amtsgericht Hamburg-Harburg ein.”

Das Gericht erklärt das Handeln des Jobcenters für rechtswidrig

Vor dem Amtsgericht lief es indessen nicht so, wie das Jobcenter vermutlich gedacht hatte. Das Gericht stellte das Verfahren gegen den Partner der Antragstellerin ein und erklärte den Bußgeldbescheid des Jobcenters für ungültig.

Denn, so das Gericht, das Verlangen des Jobcenters, dass Dritte Unterlagen über ihr Einkommen und Vermögen der Behörde einreichen, sei rechtswidrig.

Jobcenter muss Widerspruch stattgeben

Der Betroffene erklärt: “Daraufhin hat das Jobcenter schließlich den Widerspruchbescheid erlassen und diesem (zwangsläufig) stattgeben müssen – “es wurde nach eigenem Ermessen entschieden.”

Jobcenter handelt weiterhin rechtswidrig

Trotz eindeutiger Klarstellung des Gerichtes bleibt das Jobcenter jedoch bei seiner rechtswidrigen Forderung. Der Betroffene erläutert: “Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass das Jobcenter weiterhin rechtswidrig handelt und von mir die Einreichung meiner vollständigen Unterlagen verlangt – obwohl ich keine ALG II – Leistungen erhalte und keine beantragt habe.”

Jobcenter verletzt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung

Der Betroffene sieht sich vom Jobcenter in seinem Grundrecht angegriffen: “Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wurde und wird in meinem Fall völlig missachtet.”

Übergriffe des Jobcenters auf unbeteiligte Dritte

Der getrennt lebende (Ehe-) Partner steht in einem Rechtsverhältnis zur Antragstellerin. Bereits bei ihm war das Einfordern persönlicher Dokumente übergriffig. Das Jobcenter attackierte jedoch zusätzlich die Grundrechte eines gänzlich Unbeteiligten – des Vaters.

Der Partner der Antragstellerin erörtert: “Hinzu kommt, dass mein Vater mit der Antragstellerin in keinem rechtlichen Verhältnis steht, was die Forderung zur Einreichung der Daten und Unterlagen meines Vaters gerechtfertigt hätte. Zudem ist alles über seinen Kopf hinweg geschehen.”

Jobcenter bestraft Leistungsberechtigte, trotz deren Mitwirkung

Der Betroffene zeigt darüber hinaus, wie das Jobcenter einen Rundumschlag an Übergriffen verübt: “Sanktioniert wurde und werde nicht nur ich, sondern auch die Antragstellerin mit der Nullfestsetzung ihrer Leistungen und der Leistungen ihrer Tochter, trotz Nachkommens ihrer Mitwirkungspflicht.” Mit anderen Worten: Das Jobcenter bestraft die unschuldige Antragstellerin – für das rechtswidrige Handeln des Jobcenters.

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