Thüringen: Dieter Althaus betreibt Lohndumping

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Alle für ein Grundeinkommen? Der Ministerpräsident in Thüringen nimmt es mit den Mindeslöhnen nicht so genau:
Dieter Althaus ist gegen einen gesetzlichen Mindestlohn; parallel dazu unterstützt er die "christlichen Gewerkschaften", denen vorgeworfen wird, tarifliches Lohndumping zu betreiben. Bedingt durch einen Tarifabschluss der christlichen Gewerkschaft GöD mit dem Arbeitgeberverband BDWS finden sich in Thüringen die "ärmsten" Wachleute der Bundesrepublik.

Am 22.02.07 berichtete das ARD-Politmagazin Panorama über „Dumpinglöhne – wie christliche Gewerkschaften die Arbeitnehmer verraten“. Das Fernsehmagazin hierzu wörtlich: "Sie sind in vielen Betrieben verantwortlich für Dumpinglöhne. Sie setzen sich ein für kürzere Kündigungsfristen, weniger Urlaub und geringere Feiertagszuschläge. Hört sich an wie ein Arbeitgeberverband – doch es sind die Positionen einer angeblichen Arbeitnehmervertretung. Viele Experten halten die Christlichen Gewerkschaften deshalb für eine Mogelpackung. Deren Funktionäre sitzen mit den Unternehmensbossen am Verhandlungstisch und nicken in den meisten Fällen Tarifverträge ab, die die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten deutlich verschlechtern. Dabei hat diese selbsternannte Gewerkschaft kaum Mitglieder." (…) "Es ist in Deutschland nicht geregelt, wer oder was genau als Gewerkschaft gilt. Es ist Sache des Arbeitgebers, mit wem er verhandelt. So kann also im Prinzip jeder als Gewerkschaft auftreten, solange es niemand anzweifelt. Und dass die christlichen Gewerkschaften langsam zum Liebling der Arbeitgeber werden ist bei diesen Positionen nicht verwunderlich. In immer mehr Branchen verhandeln sie über das Schicksal von immer mehr Arbeitnehmern."

Nach Panorama Recherchen unterstützen nicht wenige Unions-Politiker die christlichen Gewerkschaften. Der Thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) ist einer von ihnen. Im Bundesland Thüringen finden sich dann auch – was die tariflichen Stundenlöhne anbelangt – die "ärmsten" Wachleute der Bundesrepublik.

Zu verdanken haben die Wachleute diesen Umstand der christlichen “Gewerkschaft öffentlicher Dienst und Dienstleistungen“ (GöD), die im November 2006 mit der Thüringer Landessektion des Bundesverbandes Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen (BDWS) e.V. einen neuen Entgelttarifvertrag (ETV) ausgehandelt hatte. Dieser „Entgelttarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Freistaat Thüringen“ ist seit dem 01.01.07 gültig. Nach diesem ETV liegen nicht wenige Entgelttarifsätze (brutto-Stundenlöhne) unter fünf Euro. Hierzu einige Beispiele aus dem ETV: Revierwachdienst 4,96 Euro; Separatwachdienst (einf. Wachkraft) 4,53 Euro, Wach- und Kontrollpersonal im Veranstaltungsdienst 4,51 Euro; Fahrausweisprüfer im ÖPNV 4,70 Euro, Bewachung ÖPNV 4,97 Euro. "Neu Eingestellte während der Probezeit" erhalten sogar noch ein paar Cent weniger. Obwohl in den meisten Bundesländern die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di der Tarifpartner des BDWS ist, wird Ver.di in Thüringen bewusst außen vor gehalten.

Außertariflich werden im Thüringer Wachgewerbe längst Stundensätze von unter vier Euro erreicht. Bereits mehrfach wurden dafür Wach- und Sicherheitsunternehmen des Landes von der Bürgerinitiative gegen Billiglohn – für Gleichbehandlung (Soziales Netzwerk Thüringen) mit der “Goldenen Nase“ ausgezeichnet. So bekamen in den vergangenen Jahren die Firmen HS-Sicherheitsdienste (Schwarza), Plato Wachdienst GmbH (Sondershausen), MSD Sicherheitsdienste GmbH (Jena), DWS Otto Detektei, Wach- & Sicherheitsdienst (Nordhausen) und Rodner & Co GmbH Wach- und Sicherheitsdienst (Apolda) von der Initiative Besuch.


Dumpinglöhne werden exportiert
Das Wirtschaftmagazin MEX (Hessenfernsehen) berichtete am 25.01.07 über Lohndumping in Hessen. Im Beitrag „Immer mehr Menschen müssen von Niedriglöhnen Leben“ kamen Insider des Wachgewerbes zu Wort die kritisieren, dass Thüringer Wachfirmen in Hessen aktiv sind, ihre Mitarbeiter aber nach den niedrigeren Thüringischen Tarifen entlohnen – nicht legal, aber dennoch Realität. MEX hierzu wörtlich: "Denn jetzt drängen ostdeutsche Firmen in den Markt, und dort ist der Tariflohn noch weiter im Keller." Und so richten die Thüringer Dumpinglöhne auch außerhalb des Geltungsbereichs Schaden an.

Althaus für „Vielfalt der gewerkschaftlichen Interessenvertretung“…
"Ich bin auch deshalb in der christlichen Gewerkschaft, weil ich glaube, dass wir weitestgehend versuchen müssen mit Konsensverhandlungen zum Erfolg zu kommen. Und ich will auch gerne sagen: Wir brauchen auch die Vielfalt der gewerkschaftlichen Interessenvertretung, damit auch durch die Vielfalt deutlich wird, dass es unterschiedliche Positionen auch auf Arbeitnehmerseite gibt.“, so Ministerpräsident Althaus im Panorama-Interview. Und Panorama fügt kommentierend hinzu: „Von Positionen der Arbeitnehmerseite kann bei den christlichen kaum die Rede sein. Und die Vielfalt der Gewerkschaften hatten sich manche auch anders vorgestellt."

…und gegen gesetzlichen Mindestlohn
Vehement spricht sich Althaus gegen einen gesetzlichen Mindestlohn aus. Der Staat dürfe nicht direkt in die Lohnentwicklung eingreifen, sagte der CDU-Politiker in einem Interview mit dem Deutschlandfunk (30.01.07). Anfang März 2007 debattierte der Thüringer Landtag über gesetzliche Mindestlöhne. Die Opposition plädiert für solche Löhne und fordert die Landesregierung auf, sich dafür im Bundesrat stark zu machen. Die CDU ist gegen einen staatlich verordneten Mindestlohn. Die Einkommen müssten von den Tarifpartnern ausgehandelt werden, sagte Wirtschaftsstaatsekretär Jürgen Aretz. (MDR 1 Radio Thüringen, Nachrichten, 02.03.07) Nach einem Bericht des Statistischen Bundesamtes liegt der niedrigste tarifliche Stundenlohn in der Bundesrepublik trotz Berufsausbildung unter vier Euro. Friseure in Sachsen bekamen im zweiten Halbjahr 2006 als Berufsanfänger lediglich 3,82 Euro. Das Wach- und Sicherheitspersonal für Veranstaltungen in Thüringen erhielt nach Angaben des Bundesamtes brutto 4,38 Euro pro Stunde.

"Die starre Haltung der CDU-Mehrheitsfraktion zeigt einmal mehr, dass die sich verstetigenden Hungerlöhne im Freistaat parteipolitisch gewollt sind", kommentierte Steffen Lemme, Landeschef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, die Ablehnung der Oppositions-Anträge (Ostthüringer Zeitung).

Auch Ministerpräsident Althaus ist der Meinung, es sei „Sache der Tarifpartner über die Lohnentwicklung zu diskutieren und auch über die Lohnentwicklung zu entscheiden.“ (Interv. i. Dradio) Vermutlich deshalb unterstützt Althaus diese angeblichen Arbeitnehmervertretungen "die wohl weder dem christlichen noch dem gewerkschaftlichen gerecht werden", die aber – vor allem in Ostdeutschland – im Handwerk und in der Zeitarbeitsbranche immer mehr Einfluss gewinnen; Gewerkschaften die "heimlich im Hinterzimmer – am Betriebsrat vorbei" Tarifverträge unterschreiben. Gewerkschaften die als Erfüllungsgehilfen der Arbeitgeber fungieren und – nicht nur in Thüringen – für tarifliche Hungerlöhne verantwortlich sind, ein Ministerpräsident der dies unterstützt und gleichzeitig gegen Mindestlohn ist? Da können die Arbeitnehmer in Ost und West nur hoffen, dass das “Modell Althaus“ keine Schule macht.