Jobcenter Wuppertal: Fragwürdiger Umgang mit Bürgergeld-Beschwerden

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Der Erwerbslosen- und Sozialhilfe Verein Tacheles e.V. prüfte die Beschwerdestatistik des Jobcenter Wuppertal und stieß dabei auf Praktiken, die ausgesprochen fragwürdig sind.

Es entscheiden die Sachbearbeiter

So werden, laut Bericht, „die meisten Beschwerden (…) naturgemäß (…) vor Ort“ bearbeitet. Die Beschwerde würden dort „unbürokratisch und zeitnah in den Geschäftsstellen bearbeitet und erledigt.“

Die meisten Beschwerden landen nicht in der Statistik

Im Bericht wird, laut Tacheles e.V., deutlich, dass die Geschäftsstellen zu diesen Beschwerden keine Statistik führen. Also taucht der überwiegende Anteil der Beschwerden im Beschwerdebericht nicht auf.

“Beschwerden an Geschäftsstelle leiten”

Die Website des Jobcenters Wuppertal fordert trotzdem dazu auf, Beschwerden an diesen Geschäftsstellen abzugeben, die keine Statistik darüber führen: „Falls Sie eine Beschwerde einreichen wollen, richten Sie diese bitte an Ihre Geschäftsstelle. (…).“
(https://jobcenter.wuppertal.de/kontakt/content/zentrales-beschwerdemanagement.php, aufgerufen am 25.02.2024)

Nur im Notfall soll das Beschwerdemanagement informiert werden

Ausdrücklich soll das Zentrale Beschwerdemanagement des Jobcenters nur aufgesucht werden, wenn das Einreichen einer Beschwerde bei der jeweiligen Geschäftsstelle “im Einzelfall nicht möglich” ist.

Geschönte Statistik

Laut Tacheles e.V. rechnet das Jobcenter Wuppertal die Anzahl der Beschwerden also bereits im Vorfeld klein und schönt die Statistik dadurch, dass der Großteil der Beschwerden darin überhaupt nicht erscheint.

Keine Aussagekraft

Tacheles e.V. schließt: “Die statistische Auswertung der übrigen Beschwerden, welche direkt an die Beschwerdestelle gerichtet wurden, hätte man sich eigentlich auch sparen können. Denn eine Aussagekraft besitzen diese bruchstückhaften Daten ohnehin nicht.”

Extrem hohe Dunkelziffer

Durch dieses Verschwindenlassen schafften es 2023 lediglich 175 Beschwerden in die Statistik.
Bei den wenigen Beschwerden, die es doch noch in die Statistik schafften, schmälert das Jobcenter, laut Tacheles e.V., ihre Bedeutung als “unberechtigt”. Nur 27 Beschwerden, also 15, 4 Prozent bezeichnet das Jobcenter als berechtigt und gibt eigene Fehler zu.

Keine Einsicht in die Kriterien

Dabei werden keine Kriterien veröffentlicht, nach denen das Jobcenter “berechtigt” oder “unberechtigt” definiert. Insofern kann es sich auch um reine Willkür wie um ein Verzerren der Statistik handeln.

Nicht Notlage der Leistungsberechtigten das Problem, sondern Anzahl der Beschwerden

Bei diesen wenigen Bechwerden, die sogar das Jobcenter selbst als berechtigt anerkennt, handelt es sich vor allem um Leistungsgewährung und deren Bearbeitungszeit.

Auch Tacheles e.V. sieht hier ein außerordentliches Problem im Jobcenter Wuppertal und zeigt die Folgen, die die unzureichende Arbeit des Jobcenters hier hat: Komplette Mittellosigkeit, kein Geld für Nahrung, hohe Verschuldung, Energiesperren, Räumungsklagen, Obdachlosigkeit, Pfändungen, Mahngebühren und Dispozinsen.

Dem Jobcenter scheine es aber nicht um diese Notlagen zu gehen, sondern um den “Rückgang der Beschwerden”.

Kleinreden und Beschönigen

Tacheles e.V. hat den Eindruck, dem Jobcenter Wuppertal ginge es darum, Probleme kleinzureden und sich nach außen hin in einem positiven Licht darzustellen.

Leistungsberechtigte sagen etwas Anderes

Tacheles e.V. betont: “Unsere Erfahrung aus der Beratung der Kund*innen des Jobcenters ist eine andere. Wir gehen davon aus, dass auch die Statistik über Beschwerden beim Jobcenter andere Ergebnisse hervorbrächte, wenn man diese nicht durch die oben dargestellten Tricks beschönigen würde.”

Forderungen an das Jobcenter

Tacheles e.V. fordert das Jobcenter dazu auf, alle Beschwerden statistisch zu erfassen, egal wo (Geschäftstelle, Teamleitung etcetera) diese eingingen, und egal wie sie geleistet würden (per Telefon, Email, Fax oder persönlich).

Hinzu kämen Beschwerden, die andernorts über das Jobcenter eingingen ” wie Datenschutzbeschwerden, Beschwerden über Diskriminierungserfahrungen (z.B. bei der Antidiskriminierungsstelle der Stadt) oder Fachaufsichtsbeschwerden.” Auch diese müssten im Bericht benannt werden.

Kriterien offenlegen

Interne Verfahren, wie mit Beschwerden umgegangen wird, müssten offen gelegt werden und damit gezeigt werden, anhand welcher Kriterien eine Beschwerde als “berechtigt” gilt.

Grundsätzlich problematisch sei es, dass eine interne Instanz die Beschwerden an genau die Behörde prüfe, der sie angehöre.

Der Bericht ist unter folgendem Link abrufbar.

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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