Jobcenter durchleuchten Millionenfach Bürgergeld-Bezieher digital

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Durch automatisierte Abfragen sind die Jobcenter im letzten Jahr allein 82.000 Hinweisen auf möglichen bzw. angeblichen Sozialleistungsbetrug Betrug nachgegangen. Dabei wurden insgesamt 9,1 Millionen Datenpakete zwischen den einzelnen Behörden ausgetauscht.

Während Millionäre kaum überprüft werden, müssen sich Bürgergeld-Beziehende darauf einstellen, dass die Jobcenter automatisierte Datenabfragen im großen Stil durchführen.

82.000 Hinweise auf Sozialleistungsbetrug

Laut einer Anfrage der Fraktion “Die Linke” im Bundestag gingen die Sozialbehörden rund 82.000 Hinweise auf möglichen Sozialleistungsbetrug nach. Neben Wohngeld-Berechtigten oder Kindergeld Beziehenden wurden vor allem Hartz IV Beziehende im vergangenen Jahr durchleuchtet.

Oftmals wurden Fällen nachgegangen, bei denen offenbar Einkommen aus Jobs oder der Rentenversicherung verschwiegen wurden oder Angaben veraltet waren.

Laut der Antwort der Bundesregierung wurden zwischen 2018 und 2022 insgesamt 9,1 Millionen Datenpakete zwischen den Behörden ausgetauscht. Die Rentenversicherung spielte dabei eine zentrale Rolle, indem sie ihre eigenen Daten mit denen anderer Behörden abglich.

Automatisierter Datenabgleich

Die häufigste Methode zur Aufdeckung von Leistungsbetrug ist der automatisierte Datenabgleich. Dieser ist im Sozialgesetzbuch II § 52 geregelt. Bei diesem Abgleich werden die Daten verschiedener Behörden zusammengeführt und abgeglichen. Die Software prüft, ob Leistungsempfänger weitere Einkünfte haben, die sie bisher verschwiegen haben.

Die meisten “Betrüger” gaben ihren Nebenjob nicht an (94,3 Prozent). In 4,2 Prozent der Fälle stellte sich heraus, dass die Hartz-IV-Empfänger noch andere Leistungen wie Rente, Arbeitsförderung oder Berufsausbildungsbeihilfe bezogen.

Nur in 1,5 Prozent der Fälle wurde festgestellt, dass die Antragsteller über Geldanlagen verfügten und regelmäßige Zinseinkünfte erzielten.

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Behörden arbeiten zusammen

Die Daten der verschiedenen Behörden (Finanzamt, Agentur für Arbeit, Familienkasse, Bafög, …) werden viermal im Jahr abgeglichen. Jeweils zum 1. Januar, 1. April, 1. Juli und 1. Oktober – zentral durch den Rentenversicherungsträger in Würzburg. Werden Auffälligkeiten festgestellt, werden diese an das zuständige Jobcenter weitergeleitet.

Diese Stellen geben die Daten weiter und lassen sie durch ein Computerprogramm abgleichen: Deutsche Post AG (Renten Service), Deutsche Rentenversicherung, Knappschaft-Bahn-See, Datenstelle der Rentenversicherung, Bundesagentur für Arbeit, Bundeszentralamt für Steuern, Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen.

Zum Teil harte Strafen für Betroffene

Für Sozialbetrug sieht der Grundtatbestand des § 263 StGB eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vor. In der Praxis wird bei Ersttätern häufig eine Geldstrafe verhängt, sofern keine einschlägigen Vorstrafen oder offene Bewährung vorliegen.

In besonders schweren Fällen, z.B. bei gewerbsmäßigem Handeln, Bandenmitgliedschaft, großem Vermögensschaden oder Amtsträgertätigkeit, kann die Strafe gemäß § 263 Abs. 3 StGB bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe betragen.

93 Betroffene mussten in Gefängnis

Von den 82.269 entdeckten Betrugsfällen im letzten Jahr haben 39.622 den Weg zu den Staatsanwaltschaften und dem Zoll gefunden. 17.892 Hartz-IV-Empfänger verloren ihre Leistungen aufgrund nicht angegebener Einkünfte. Weitere 4.192 Leistungsbezieher erhielten Geldstrafen, während 93 zu Haftstrafen verurteilt wurden.

Beispielsweise verurteilte das Amtsgericht Starnberg einen Rentner zu zehn Monaten auf Bewährung, weil er über 46.000 Euro zu Unrecht kassiert hatte.

Dagegen wurde ein Hartz-IV-Bezieher vom Amtsgericht Bersenbrück zu 22 Monaten Haft verurteilt, weil er über 6.000 Euro Sozialleistungen zu Unrecht bezogen und seine Tätigkeit nicht gemeldet hatte. Überführt wurde er durch den automatisierten Datenabgleich (DaLEB), bei dem die Daten der Bundesagentur für Arbeit mit denen der kommunalen Träger abgeglichen werden.

In den letzten vier Jahren haben die Jobcenter insgesamt 165.971 Fälle von möglichem Leistungsbetrug aufgedeckt und zur Anzeige gebracht. Um solche Fälle aufzudecken, dürfen die Behörden bei konkreten Verdachtsmomenten die Daten der Jobcenter mit anderen Behörden abgleichen, unter anderem mit dem Zentralen Fahrzeugregister, dem Ausländerzentralregister und den Wohngeldstellen.

Wann verjährt Sozialleistungsbetrug?

Die Verjährungsfrist für Betrug beträgt gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre und beginnt mit der Beendigung der Tat, d.h. mit dem Empfang der Leistung durch den Betroffenen.

Reicht eine Rückzahlung aus?

Die Rückzahlung der Leistung befreit nicht von der Strafbarkeit. Der Sozialbetrug ist bereits mit dem Erhalt der Leistung vollendet, unabhängig davon, ob das Geld zurückgezahlt wird oder nicht. Die Rückzahlung kann jedoch bei der Strafzumessung berücksichtigt werden und zu einer Strafmilderung führen.

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