Derzeit sind die Infektionsraten in Deutschland sehr hoch. Mittlerweile kennt jeder Freunde und Familienmitglieder, die sich mit dem Corona-Virus infiziert haben. Gleichzeitig werden die Jobcenter und Arbeitsagenturen schrittweise wieder geöffnet und Meldeaufforderungen an Hartz IV Beziehende versendet. Drohen Sanktionen, wenn wichtige, coronabedingten Gründe gegen einen Termin im Jobcenter sprechen?
Jobcenter-Termine ohne Rechtsfolgenbelehrungen
Im Zuge der Rückkehr zur “Normalität” und der schrittweisen Öffnung der Arbeitsverwaltung für den Publikumsverkehr versenden die Jobcenter wieder vermehrt Meldeaufforderungen, “Vermittlungsvorschläge” und Zuweisungen in Maßnahmen mit Rechtsfolgenbelehrungen.
Meldeaufforderungen sollen aber ohne Rechtsfolgenbelehrung verschickt werden, soweit Jobcenter noch befristet 2G-Regelungen für den Zutritt zu ihren Einrichtungen vorsehen.
Rechtsfolgenbelehrungen sind eine wichtige Voraussetzung, damit Jobcenter Leistungsminderungen, sprich: Sanktionen, bei Meldeversäumnissen (§ 32 SGB II) oder bei der Ablehnung von Vermittlungsangeboten oder anderen Pflichtverletzungen (§ 31 SGB II) verhängen dürfen. Mehr zu den Voraussetzungen sowie zur Dauer und Höhe von Sanktionen erfahren Sie in Kapitel 12 unseres Ratgebers “Arbeitslosengeld II in Berlin”.
Keine Sanktionen bei wichtigen Gründen
Sanktionen dürfen nicht erteilt werden, wenn Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen können, zum Beispiel dafür, dass sie einen Meldetermin beim Jobcenter nicht wahrnehmen konnten.
Wichtige Gründe liegen laut Bundesagentur für Arbeit (siehe BA-Weisung, Nummer 2.13) aus Anlass der Corona-Pandemie insbesondere vor, wenn Leistungsberechtigte in der Anhörung oder im Widerspruchsverfahren nachweislich oder glaubhaft vortragen, dass
- sie unter Quarantäne gestanden haben,
- die Betreuung ihrer Kinder nicht gewährleistet war, etwa wegen der Schließung von Kindertagesstätten oder Schulen, oder
- sie zu einer sogenannten Risikogruppe aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen gehören.
Die Weisungen beziehen sich hier auf Informationen des Robert-Koch-Instituts, in denen beispielsweise Personen ab einem Alter von 50 bis 60 Jahren mit einer oder mehreren vorbestehenden Grunderkrankungen wie etwa Herzkreislauferkrankungen, Krebserkrankungen, Diabetes oder Erkrankungen des Atmungssystems als Risikogruppe identifiziert werden.
Auch gegebenenfalls vorhandene gesundheitliche Risiken durch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sind zu berücksichtigen.
Bei der Beurteilung, ob ein wichtiger Grund vorliegt, kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an.
Jobcenter sollen bereits im Vorfeld auf Risiken prüfen
Bereits vor der Übermittlung von Meldeaufforderungen oder Stellenangeboten an die „Kunden“ oder vor dem Abschluss von Eingliederungsvereinbarungen sollen die Jobcenter prüfen, ob entsprechende Aufforderungen und Angebote zumutbar sind, insbesondere mit Rücksicht auf die Situation von Risikogruppen.
Vermittler sollen deshalb gegebenenfalls vorab telefonisch mit den “Kunden” in Kontakt treten. Meldeaufforderungen zu Telefonterminen sind aber nicht sanktionsfähig, da § 309 Abs. 1 Satz 1 SGB III als Pflicht vorschreibt “zu erscheinen”.
Soweit in den Ländern 2G-Regelungen für den Besuch von Eingliederungsmaßnahmen gelten, sind Minderungen aufgrund des Nicht-Antritts oder Abbruchs der Maßnahme im Kontext 2G ausgeschlossen.
Keine Sanktionen wegen Corona-Gründen
Sollten aufgrund der Corona-Pandemie persönliche Anhörungen (§ 24 SGB X) im Jobcenter nicht möglich sein, sind Meldeversäumnisse oder Pflichtverletzungen, so die BA-Weisung, nicht zu sanktionieren. Begründung: Ohne die Möglichkeit der persönlichen Vorsprache könne es geschehen, dass wichtige Gründe oder unzumutbare Härten von Leistungsberechtigten nicht ausreichend geltend gemacht werden.
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