Hartz IV: Leistungsberechtigung nach §7 SGB II

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Leistungsberechtigung § 7 SGB II und Besonderheiten. Thema ist der „zentrale“ § 7 SGB II, der die Leistungsberechtigung regelt.

Zunächst einmal sind leistungsberechtigt erwerbsfähige hilfebedürftige Personen (ehP) im Alter zwischen 15 und 65 (+) Jahren (§ 7 Abs 1 SGB II). Durch die Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft („BG“ – § 7 Abs. 2 u. 3 SGB II) können auch nicht erwerbsfähige Angehörige der „ehP“ Leistungen des SGB II erhalten – das „Sozialgeld“ des § 28 SGB II. (Das Konstrukt der „Bedarfsgemeinschaft“ regelt zudem die Nachrangigkeit der SGB II-Leistungen – Angehörige der BG müssen gemäss § 9 Abs. 1 – 3 SGB II füreinander einstehen.)

Nicht zur BG gehören unverheiratete Kinder unter 25, die ihren Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen oder Vermögen bestreiten können.

Ausschlusstatbestände sind formuliert für bestimmte Gruppen von Zugewanderten, BezieherInnen von Altersrente, Straf- oder Untersuchungsgefangene, stationär Untergebrachte, Auszubildende/Studierende (bis auf bestimmte Ausnahmen), nicht im orts- und zeitnahen Bereich sich Aufhaltende, aus gesundheitlichen Gründen auf absehbare Zeit krankheitsbedingt Arbeitsunfähige (voraussichtlich mehr als sechs Monate – § 8 Abs. 1 SGB II).

Ausnahmen: Leistungen erhält doch, wer voraussichtlich weniger als sechs Monate stationär untergebracht ist oder trotz stationärer Unterbringung mindestens 15 Stunden wöchentlich tatsächlich erwerbstätig ist. Das gilt auch für Straf- oder Untersuchungsgefangene (FreigängerInnen).

Trotz Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft erhält kein Sozialgeld, wer eine Alterrente bezieht. Das kann auch vor Erreichen der sog. „Altersgrenze“ möglich sein (sog. „vorgezogenes Altersruhegeld“). Besteht trotz Rentenbezug Bedürftigkeit, so sind über 65jährige zu verweisen auf das 4. Kap. SGB XII, unter 65jährige auf das 3. Kap. SGB XII. Die jeweiligen gesamten Bezüge werden in die Berechnung des Bedarfes der Gesamt-BG eingebracht.

Wird keine Altersrente bezogen (weil z.B. wegen früherer Selbständigkeit oder Zuwanderung keine Beiträge entrichtet wurden), so sind Leistungen des SGB II (Sozialgeld) sogar für über 65jährige nicht ausgeschlossen. Allerdings haben Leistungen des 4. Kap. SGB XII (GruSi A+EM) Vorrang. Werden hier keine Leistungen gewährt (wegen dafür zu hohen Vermögens), so ist der Lebensunterhalt voll mit Sozialgeld abzusichern (immer vorausgesetzt, dass eine BG-Zugehörigkeit besteht).

§ 5 Abs. 2 SGB II formuliert, dass bei Bezug von Leistungen des SGB II Leistungen des 3. Kap. SGB XII (Hilfe zum Lebensunterhalt) ausgeschlossen sind. § 21 SGB XII formuliert umgekehrt entsprechendes. Vereinfacht gesagt heißt das: entweder jemand ist selbst erwerbsfähig und ALG II-berechtigt oder gehört zu einer SGB II-BG, oder jemand gehört nicht zu einer solchen BG und ist auch selbst nicht erwerbsfähig.

Für Leistungen des 4. Kap. SGB XII (GruSi A+EM) ist kein gegenseitiger Ausschluss formuliert, sondern nur eine Vorrangigkeit der GruSi-Leistungen. Werden die nicht gewährt, so ist bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen (Erwerbsunfähigekit, keine Altersrente, BG-Zugehörigkeit) Sozialgeld des SGB II zu gewähren

Das Zusammenspiel der unterschiedlichen Grundsicherungs-Rechtskreise ist eines der schwierigsten Themen im Grundsicherungsrecht. Wir müssen das nicht alles wissen, müssen das aber im konkreten Fall akribisch prüfen.

Übrigens: es geht noch komplizierter: Haushaltsgemeinschaft mit: Oma im 4. Kap. SGB XII (Sozialamt), der erwachsene Sohn bezieht Leistungen des SGB XII vom überörtlichen Träger der Sozialhilfe (insbesondere für psychisch kranke/seelisch behinderte Menschen), dessen Tochter Leistungen des 3. Kap. SGB XII Sozialamt.

Der Sohn heiratet eine erwerbsfähige aber erwerbslose Frau – sie geht mit der Stieftocher in den Rechtskreis des SGB II. (Denkaufgabe: warum?). Mann und Oma bleiben wo sie sind.

Noch mehr Komplikationen? Weitere Kinder unter 25 – mit BaföG-Bezug, der den Mietanteil nicht deckt, oder durch Unterhaltsleistung (des außerhalb des Haushalts lebenden Elternteils oder Unterhaltsvorschuss vom Jugendamt) und Kindergeld, Kinderzuschlag, Wohngeld nicht mehr bedürftig … und dann ist da noch ein Onkel …

Wie gesagt, das müssen wir nicht lösen können. Aber davon wissen. Und eine Ahnung bekommen, warum bei ständiger personeller Unterbesetzung die Beschäftigten der SGB II-Behörden einen hohen Krankenstand haben und die Betroffenen auch. (Zusammenstellung durch Dipl. rer. soc. Norbert Hermann; Politik- und Sozialberatung; Medizinsoziologie; Existenzgründungsberatung, 19.11.2009)