Gutachten: Bürgergeld verstößt gegen Menschenrecht auf angemessene Ernährung

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Die Höhe des Bürgergeldes ist nicht mit dem Menschenrecht auf angemessene Ernährung vereinbar (nach Art. 11 Abs. 1 des UN-Sozialpakts). Zu diesem Ergebnis kommt eine von der Fraktion DIE LINKE im Bundestag in Auftrag gegebene Studie der Rechtsanwälte André Horenburg und Dr. Johannes Franke.

Völkerrechtlich bindend

Art. 11 Abs. 1 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt) verbürgt das Recht auf eine angemessene Ernährung. Da Deutschland dem Fakultativprotokoll zum UN-Sozialpakt beigetreten ist, kann dieses Recht auch individuell geltend gemacht werden – vor dem UN-Sozialausschuss.

Im Wortlaut umfasst angemessene Ernährung „eine Mischung von Nährstoffen für Wachstum, Entwicklung und Erhaltung von Körper und Geist (…), die den physiologischen Bedürfnissen des Menschen in allen Lebensphasen gerecht wird und die seinem Geschlecht und seinem Beruf entspricht.“

Reale Kosten einer gesunden Ernährung haben keinen Einfluss auf den Regelsatz

Laut dem Gutachten wird das Bürgergeld überhaupt nicht berechnet, um eine gesunde Ernährung zu gewährleisten. So würden die Regelsätze nicht nach den rechnerischen Mindestkosten für eine gesunde Ernährung definiert, sondern mit den einkommensschwächsten Haushalten verglichen. Ziel sei faktisch keine gesunde Ernährung, sondern eine “Gleichstellung in der Mangelernährung”.

Laut Gutachten überwiegt wissenschaftlich die Einschätzung, dass die für Nahrungsmittel berücksichtigten Teile der Regelsätze unzureichend sind, um eine gesunde Ernährung zu ermöglichen. Dies gelte für Erwachsene und besonders für Kinder.

Günstig heißt ungesund

Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) kam, laut Studie, zu folgendem Ergebnis: Wer vom Regelsatz Lebensmittel bezöge, greife auf sättigende, aber ungesündere und weniger ausgewogene Nahrungsmittel zurück, da diese billiger seien als eine gesunde und nährstoffreiche Ernährung.

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Armutsbedingte Mangelernährung

In der Realität gebe es bei Bürgergeld-Bezug eine armutsbedingte Mangelernährung und oft sogar Hunger. Der WBAE kritisierte theoretische Budgetrechnungen beim Regelsatz als praxisfern. Eine Deckung des Bedarfs für gesunde Ernährung betrifft laut WBAE sämtliche Gruppen von Bürgergeld-Beziehern.

Dramatisch sei die erhebliche Unterdeckung des Bedarfs bei Kindern. Mangelernährung könne bei diesen nämlich zu zu irreparablen Wachstums- und Entwicklungsstörungen führen, darunter auch kognitiven Störungen. Solche Probleme seien bei armen Kindern in Deutschland belegt.

Kein “Papiertiger”

Der UN-Sozialpakt ist kein “Papiertiger”, sondern verpflichtet Staaten ausdrücklich, sofort Schritte einzuleiten, um das Recht auf angemessene Ernährung fortschreitend zu verwirklichen. Laut Art 2 Abs 1 ist es unbedingt verpflichtend, wirksame Maßnahmen zu treffen.

Welche juristischen Schritte sind möglich?

Betroffene haben die Möglichkeit, eine Rüge des UN-Sozialausschusses wegen der Verletzung des Rechts auf angemessene Ernährung einzureichen. Dafür steht ihnen in Deutschland seit 2023 der Weg zu einer Individualbeschwerde offen. Allerdings muss dafür zuvor der bundesdeutsche Rechtsweg ausgereizt sein – bis hin zum Bundesverfassungsgericht.

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