Bürgergeld: Unterlegene Jobcenter müssen Kosten erstatten – auch ohne Gerichtsurteil

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Das Sozialgericht Frankfurt am Main entschied, dass das beklagte Jobcenter die außergerichtlichen Kosten des Klägers (eines Bürgergeld-Beziehers) zu 100 Prozent zu tragen hat, nachdem das Verfahren durch Erklärung des Prozessbevollmächtigten des Klägers beendet wurde. (Az: S 9 AS 753/21)

Wie begründet sich die Entscheidung?

Laut Gericht müsse grundsätzlich derjenige die Verfahrenskosten zahlen, der im Verfahren unterliege. Käme es nicht zu einem abschließenden Gerichtsurteil, dann sei der vermutliche Verfahrensausgang von Bedeutung. Dieser wäre mutmaßlich zu Ungunsten des Jobcenters verlaufen.

Warum war das Jobcenter mutmaßlich unterlegen?

Der Bürgergeld-Bezieher hatte Widerspruch eingelegt gegen einen Entziehungsbescheid des Jobcenters und zudem gegen einen Versagungsbescheid der Behörde.

Im Entziehungsbescheid müsse der Tag zur Aufgabe des Bescheides nachweisbar sein, in der Regel durch einen Aktenvermerk über die Aufgabe zur Post. Dieser habe gefehlt.

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Beweislast liegt beim Jobcenter

Das Jobcenter habe die Beweislast zu tragen für den Zeitpunkt zum Zugang des Entziehungsbescheids. Anlässlich eines Eingangsstempels des Prozessbevollmächtigten würde deutlich, dass die Widerspruchsfrist noch nicht abgelaufen war.

Was fehlte im Versagungsbescheid?

Im Versagungsbescheid habe der Hinweis auf die Möglichkeit einer elektronischen Einlegung des Widerspruchs nach § 84 Abs. 1 S. 1 SGG gefehlt. Die Rechtshilfebelehrung sei also fehlerhaft.

Bescheide waren rechtswidrig

Der Entziehungsbescheid und der Versagungsbescheid seien aus Sicht der Kammer nach summarischer Prüfung rechtswidrig.

Unmissverständlich statt allgemein

Ein Hinweis auf eine mögliche spätere Leistungsversagung- oder entziehung dürfe sich nicht auf eine allgemeine Belehrung oder Wiedergabe des Gesetzeswortlauts beschränken. Vielmehr müsse unmissverständlich und konkret die Entscheidung bezeichnet werden, die im Einzelfall beabsichtigt sei, wenn der Betroffene nicht in der gesetzten Frist seiner Mitwirkungspflicht nachkommen.

Die Aufforderung an den Kläger habe diesen Kriterien nicht genügt, da nicht ausgeführt worden sei, welche konkrete Entscheidung der Beklagte beabsichtigte, falls der Kläger nicht wie gefordert mitwirke.

Versagungsbescheid war rechtswidrig

Der Versagungsbescheid war laut Kammer auch aus anderen Gründen rechtswidrig. Der Beklagte hätte den Kläger darauf hingewiesen, dass Leistungen nach dem SGB II (Bürgergeld) versagt werden, wenn Leistungen nach dem SGB III aufgrund fehlender Mitwirkung bestandskräftig versagt werden.

Zu diesem Thema sei jedoch bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen S 15 AL 40/21 eine Klage anhängig gewesen. Demnach lag kein bestandskräftiger Versagungsbescheid vor.

Jobcenter muss Kosten des Klägers tragen

Das Sozialgericht Frankfurt schließt: “Die Kammer übt ihr Ermessen daher dahingehend aus, dass der Beklagte die vollen notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen hat.

Gründe aus Veranlassungsgesichtspunkten hiervon abzuweichen, sieht die Kammer nicht. Die Beschwerde gegen diesen Beschluss ist ausgeschlossen.”

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