Die Mรผnchnerin Nina Eichner hatte das nicht erwartet: Die Bearbeitung ihres Wohngeldantrags zieht sich schon 21 Monate hin, wie sie durch eine Mitteilung des Sozialreferats erfahren hat. Der Fall der Mรผnchnerin steht stellvertretend fรผr viele andere Betroffene, die auf das dringend benรถtigte Wohngeld warten.
Erst dauerte es 1 Jahr
Die Wartezeit auf die Bearbeitung von Wohngeldantrรคgen in Mรผnchen hat alarmierende Ausmaรe erreicht. Nina Eichner, eine alleinerziehende Mutter aus Milbertshofen, ist mit ihrem fast 15-jรคhrigen Sohn in einer bescheidenen Zwei-Zimmer-Wohnung untergebracht.
Trotz ihres Antrags auf Wohngeld im Frรผhjahr 2022, der bereits eine langwierige Wartezeit mit sich brachte, erhielt sie erst im Juni 2023 eine Antwort und eine Nachzahlung fรผr mehr als ein Jahr.
Fast zwei Jahre Bearbeitungszeit fรผr Wohngeld-Plus Antrag
Die Situation verschlimmerte sich, als Eichner im Juli des letzten Jahres einen neuen Antrag fรผr das “Wohngeld-Plus” stellte und eine Bestรคtigung erhielt, dass sich die Bearbeitung “deutlich verzรถgern” wรผrde. Erst im Januar 2025 kรถnnte ihr Antrag bearbeitet werden – eine Wartezeit von bis zu 21 Monaten.
Die Mitteilung traf Eichner schwer, da sie dringend auf das Wohngeld angewiesen ist, um die Existenz ihrer Kinder zu sichern. Derzeit muss sie mit etwa 500 Euro im Monat auskommen, wobei 300 Euro an Wohngeld eine immense Erleichterung bedeuten wรผrden.
Zunahme von Antrรคgen und zu wenig Sachbearbeiter
Die Sprecherin des Sozialreferats begrรผndete diese drastischen Verzรถgerungen mit der starken Zunahme von Antrรคgen im Zuge der Wohngeld-Plus-Reform. Allein im Jahr 2023 wurden 20.254 Antrรคge gestellt, im Vergleich zu 14.089 im Jahr zuvor.
Zum Ende des Jahres 2023 waren etwa 16.900 Antrรคge noch nicht bearbeitet.
Dies fรผhrt zu erheblichem Druck auf die Ressourcen des Sozialreferats, das mit 56 Stellen, von denen sieben unbesetzt sind, nur zwischen 1000 und 1200 Antrรคge pro Monat bearbeiten kann.
Bรผrgergeld als Vorleistung
Was also tun, wenn die Bearbeitung des Antrags mehrere Monate oder wie in diesem Fall sogar Jahre dauert? Betroffene sollten einen Bรผrgergeldantrag auf ergรคnzende Leistungen stellen, um die erste Not zu lindern.
Das Jobcenter wird hรคufig auf “vorrangige Leistungen” verweisen, da eigentlich ein Anspruch auf Wohngeld besteht. Das Jobcenter muss aber in Vorleistung gehen, d.h. die Leistungen nach dem SGB II mรผssen bis zur Zahlung des Wohngeldes gewรคhrt werden.
Das Bรผrgergeld darf nicht wegen des fehlenden Zuflusses der anderen Sozialleistung versagt werden. Dies bestรคtigt auch die Bundesagentur fรผr Arbeit und schreibt in ihrer Weisung an die Jobcenter (ยง 67) vor, auch bei Anspruch auf Wohngeld + Kinderzuschlag in Vorleistung zu gehen.
Wird der Antrag mit Hinweis auf vorrangige Leistungen abgelehnt, hilft nur ein Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid. Weitere Hilfen bieten auch unabhรคngige Beratungsstellen.
Gegen-Hartz TV: Warum der fristwahrende Antrag Ansprรผche sichert
Anrechnung beim Bรผrgergeld
Allerdings muss das Bรผrgergeld zurรผckgezahlt werden, wenn das Wohngeld nachgezahlt wird. Das Zuflussprinzip des ยง 11 SGB besagt, dass Einkommen im Monat des Zuflusses auf das Bรผrgergeld angerechnet wird.
Bei Wohngeldnachzahlungen wird diese Anrechnung sogar auf sechs Monate verteilt. Das bedeutet, dass Leistungsberechtigte, die bereits Bรผrgergeld oder andere Sozialleistungen beziehen, in den folgenden sechs Monaten weniger Unterstรผtzung erhalten, um die Wohngeldnachzahlung auszugleichen. Dies fรผhrt zu einem deutlichen Ungleichgewicht und widerspricht dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Betroffener.
Bundessozialgericht: Anrechnung auf das Bรผrgergeld rechtmรครig
Obwohl das Bundessozialgericht die Anrechnung von Wohngeldnachzahlungen auf das SGB II fรผr rechtmรครig erachtet hat, wird diese Entscheidung von vielen Sozialrechtsexperten als rechtlich fragwรผrdig angesehen.
Besonders kritisch ist, dass im Zeitraum des Wohngeldbezuges keine weiteren Leistungen des Bรผrgergeldes erbracht wurden. Damit werden die Nachzahlungen ohne erkennbare Rechtfertigung doppelt angerechnet.