Bürgergeld-Rückforderungen: Zwei Verjährungsfristen im Sozialrecht

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Ein aktueller Fall, der sehr häufig vorkommt: Die Familie Müller befindet sich seit 2009 im Bezug von Leistungen des Jobcenters. Im Laufe der Jahre kam es zu wiederholten Überzahlungen, die durch Aufhebungs- und Änderungsbescheide des Jobcenters reguliert werden sollten.

Überraschenderweise wurden diese Bescheide von Familie Müller nie angegriffen, und die geforderten Erstattungen blieben größtenteils unbezahlt. Im August 2021 erhielt die Familie einen Brief vom Hauptzollamt, in dem eine Zwangsvollstreckung über etwa 4.900 EUR angedroht wurde. Die Frage, die sich nun stellt: Ist der Gang zum Anwalt sinnvoll?

Zwei Verjährungsfristen im Sozialrecht

In der Rechtsprechung des Sozialrechts sind Verjährungsfristen wichtig, wenn es um Rückforderungen von Bürgergeld-Leistungen geht.

Es existieren zwei unterschiedliche Fristen: eine 4-jährige und eine 30-jährige Verjährungsfrist. Die Wahl der anwendbaren Frist hängt von der Art des Bescheids ab, und hier beginnen die rechtlichen Feinheiten.

Welche Frist greift?

Die Jobcenter neigen dazu, die längere 30-jährige Verjährungsfrist geltend zu machen. Doch, wie die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zeigt, ist dies nicht immer der Fall.

Es kommt also darauf an, um welchen Verwaltungsakt es sich handelt – eine juristisch komplexe Fragestellung, die selbst für erfahrene Juristen eine Herausforderung darstellt. Inzwischen haben sich jedoch einige Landessozialgerichte und Sozialgerichte der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts angeschlossen.

Wie sind die Verjährungsfristen geregelt?

Der Anspruch auf Rückforderung erlischt jedoch in den meisten Fällen vier Jahre Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Überzahlung stattgefunden hat. Hier die wichtigsten Fakten in diesem Zusammenhang:

  • Die rechtliche Grundlage für die Verjährung von Erstattungen zwischen Behörden untereinander ist im § 113 SGB X geregelt.
  • Die Verjährung von Erstattungen, die Behörden gegenüber Bürgern geltend machen, ist im § 50 Abs. 4 SGB X festgelegt.
  • Erstattungsansprüche verjähren demnach vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Überzahlung stattfand.
  • Der Leistungsträger hat nach § 45 SGB X jedoch nur zwei Jahren Zeit, einen rechtswidrigen Verwaltungsakt nach seiner Bekanntgabe zurückzunehmen.
  • Ist ein rechtswidriger Verwaltungsakt mit Dauerwirkung infolge grober Fahrlässigkeit oder arglister Täuschung entstanden, hat der Leistungsträger bis zu 10 Jahre Zeit, diesen zurückzunehmen.
  • Auch zu viel gezahlte Wohngeld-, Kindergeld- und Kinderzuschlag-Leistungen können zurückgefordert werden.
  • Rückforderungen unter 50 Euro werden aufgrund der Bagatellgrenze vom Leistungsträger nicht eingefordert.

Wann gilt eine Verjährungsfrist von 30 Jahren?

In den meisten Fällen wendet der Leistungsträger bei Rückforderungen im Sozialrecht die 4-jährige Regelverjährungsfrist nach § 50 Abs. 4 SGB X an. Dort ist festgelegt:
„Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß.“

Die dreißigjährige Verjährungsfrist greift laut nach § 52 Abs 2 SGB X nur, wenn ein Verwaltungsakt unanfechtbar geworden ist. Die Unanfechtbarkeit eines Verwaltungsaktes tritt ein, wenn entweder alle ordentlichen Rechtsbehelfe erfolglos eingelegt wurden, ein Rechtsmittelverzicht erklärt wurde oder die Fristen zur Einlegung von Rechtsbehelfen verstrichen sind.

In den meisten Fällen macht das Jobcenter von dieser Regelung jedoch nur gebrauch, wenn eine „Bösartigkeit“ oder ein vorsätzlicher Sozialbetrug vermutet wird und ein Rechtsstreit um die zurückgeforderte Leistung besteht.

Es kommt darauf an

Es ist entscheidend zu wissen, dass, falls der Zwangsvollstreckung ein Bescheid des Jobcenters zugrunde liegt, der mehr als 4 Jahre zurückliegt und in diesem Zeitraum keine Zahlungen geleistet wurden, Vorsicht geboten ist. In solchen Fällen sollte die Angelegenheit überprüft werden.

Immer individuelle Prüfung erforderlich

Die tatsächliche Verjährung hängt vom Einzelfall ab. Wenn in der Vergangenheit kleinere Beträge an die Inkassostelle der Bundesagentur für Arbeit gezahlt wurden oder bereits eine Zwangsvollstreckung stattgefunden hat, gestaltet sich die Situation eher ungünstig. Es ist wichtig zu betonen, dass allein die Ankündigung der Zwangsvollstreckung nicht ausreicht, um die Verjährung geltend zu machen.

Verrechnungsersuchen an die Deutsche Rentenversicherung

Die oben genannten Grundsätze gelten sinngemäß, wenn das Jobcenter oder die Bundesagentur für Arbeit nach Jahren der Inaktivität ein Verrechnungsersuchen an die Deutsche Rentenversicherung stellt. Hier ist es ratsam, die geltend gemachte Forderung eingehend zu prüfen und anhand von Kontoauszügen sowie früheren Bescheiden zu überprüfen, ob Zahlungen an die Bundesagentur geleistet oder vom Jobcenter verrechnet wurden.

Rechtsrat einholen

Im Zweifelsfall ist es ratsam, rechtliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen, um die individuelle Situation zu klären und mögliche Schritte zu unternehmen. Es zeigt sich einmal mehr, dass das Verständnis der komplexen Verjährungsfristen im Sozialrecht entscheidend ist, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.

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