Bürgergeld: Jobcenter versenden aktuell massenhaft Aufforderungsschreiben

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Bürgergeld aber auch Sozialhilfe Beziehende erhalten derzeit in Mengen sogenannte Aufforderungen zur Kostensenkung. Das liegt daran, dass die Karenzregelungen auslaufen, die seit März 2020 wegen der Pandemie und seit 2023 wegen des Bürgergeldes galten.

Keine konkreten gesetzlichen Regelungen

Wie die Kostensenkung konkret abläuft, dafür gibt es kaum Regeln im SGB II (Bürgergeld). Das Bundessozialgericht forumulierte allerdings Minimalstandards die die Jobcenter einhalten müssen und den Punkt, an dem Gerichte es zu klären haben.

Trotzdem bleibt den Jobcenter ein großer Spielraum, nach eigenem Ermessen zu entscheiden.

Wie sieht die Praxis aus?

Das Verfahren läuft so ab, dass das Jobcenter auffordert, die Kosten zu senken. Es endet mit einem Bescheid, die Unterkunft künftig nur noch in angemessener Höhe zu bezahlen, falls Kosten nicht gesenkt wurden.

Die Leistungsberechtigten müssen wissen, in welchem Einzelfall höhere Kosten als angemessen gelten. Die Betroffenen müssen dies selbst darlegen und auch selbst den Nachweis erbringen.

Die Zeitschrift Sozialrecht informiert: “Aus dem Schreiben muss hervorgehen, in welcher Höhe Unterkunftskosten in der Regel anerkannt werden. Hierbei muss deutlich werden, dass einzelfallbezogene Gründe auch höhere Unterkunftsbedarfe rechtfertigen können.

Zweitens: Es muss klar werden, ab wann mit der Absenkung der berücksichtigten Unterkunftsbedarfe auf angemessene Unterkunftsbedarfe zu rechnen ist.”

Was ist unstrittig?

Das Verfahren zur Kostensenkung beginnt korrekt erst mit der Aufforderung die Kosten zu setzen. Dann beginnt auch die Regelfrist, falls diese in der Aufforderung genannt wird. Regelmäßig sind die tatsächlichen Unterkunftsbedarfe für sechs Monate zu erbringen, in denen Leistungsberechtigte Zeit haben, die Kosten zu senken.

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“Abstrakte Angemessenheit” und “Mietobergrenze”

Das Bundessozialgericht nutzt den Begriff der “abstrakten Angemessenheit” und bezeichnet damit nachvollziehbar ermittelte durchschnittliche Wohnkosten im niedrigen Segment. Diese sind nicht notwendig für Leistungsberechtigte verfügbar.

Vor Ort ist der Begriff der Sozialgerichte und Jobcenter “Mietobergrenze”.

Die Realität sieht anders aus

Leider bietet diese “abstrakte Angemessenheit” diverse Möglichkeiten, die ausgezahlten Wohnkosten für Leistungsberechtigte gezielt nach unten zu drücken.

Wohungsnot wird ausgeblendet, und die “schlüssig ermittelten Werte” werden oft so berechnet, dass Kommunen und Jobcenter bei den Hilfebedürftigen sparen. Mit anderen Worten: Reale Angemessenheit und abstrakte Angemessenheit sind zwei Paar Schuhe.

In der Zeitschrift Sozialrecht heißt es: “Die Kostensenkungsaufforderung ergeht zunächst, weil die Wohnkosten (in der Regel Bruttokaltmieten) oberhalb der »abstrakten Angemessenheit« liegen. Die Prüfung der konkreten Angemessenheit findet nachgelagert während des Kostensenkungsverfahrens statt.”

Großer Spielraum für das Jobcenter

Das Jobcenter muss lediglich die – nach Auffassung des Jobcenters- “angemessene” Bruttowarmmiete (Gesamtmiete mit Heizkosten) nennen.

Kostensenkung ein “Dialog”

Laut dem Bundessozialgericht sollte die Kostensenkungsaufforderung ein Angebot zum Dialog sein. Die Zeitschrift Sozialgericht schreibt: “Ausnahmen bilden nur Fälle, in denen aufgrund zu niedriger Werte, eine erfolgreiche Wohnungssuche stark eingeschränkt oder unmöglich gemacht wird.”

Gerichtlich überprüft wird in der Regel erst “nach Abschluss des Dialogs und nach Erlass eines Bescheids mit abgesenkten Unterkunftsbedarfen”. Während des Kostensnkungsverfahrens selbst besteht nur ausnahmsweise die Möglichkeit einer Feststellungsklage. (BSG-Urteil v. 15.06.2016 -B 4 AS 36/15 R, Leitsatz).

Was kannst Du tun, wenn ihr eine Aufforderung zur Senkung der Unterkunftskosten erhalten habt?

Fehlendes Wohnungsangebot entscheidet

Hat das Jobcenter / die Kommune eine abstrakte Grenze der Angemessenheit gesetzt, dann muss es entsprechende Wohnungen vor Ort auch geben. Wesentlich für eine Kostensenkung ist, dass Wohnungen zu dem als angemessen bewerteten Mietpreisen vorhanden und für Leistungsbrechtigte zugänglich sind.

Gibt es derlei Wohnungen aber nicht, dann kann eine höhere Miete konkret angemessen sein.

Das Jobcenter muss Belege liefern

Bevor es zu Kostensenkungen auffordert, muss das Jobcenter nachweisen, ob es eine entsprechende Menge freier Wohnungen zu den abstrakten Angemessenheitswerten vor Ort überhaupt gibt.

Ist ein Umzug wirtschaftlich?

Das Jobcenter kann auch Miete übernehmen, die sie als nicht angemessen betrachtet, wenn ein Umzug unwirtschaftlich wäre, er also unterm Strich mehr Kosten verursacht als die höhere Miete.

Wann sind Kostensenkungen unzumutbar?

Wenn eine Kostensenkung nicht möglich ist durch Verhandlungen mit dem Vermieter, Untervermietung, Senken laufender Abschläge etcetera, dann bleibt nur der Umzug in eine günstigere Wohnung.

Ist einem Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft ein solcher Umzug derzeit nicht zumutbar, muss zeitweise die höhere Miete gezahlt werden.

Tod und Angemessenheit

Wenn ein Mensch aus der Bedarfsgemeinschaft stirbt, dann verschiebt sich die Grenze der Angemessenheitskosten der Bedarfsgemeinschaft zwar nach unten. Jedoch ist für mindestens zwölf Monate nach dem Tod ein Senken der Aufwendungen nicht zumutbar.

Erst nach zwölf Monaten darf das Jobcenter zur Kostensenkung in der Sechsmonats-Frist auffordern.

Welche Gründe gelten als unzumutbar für einen Umzug?

Gründe, die einen Umzug unzumutbar machen, sind unter anderem

  • eine außergewöhnliche psychische Belastung,
  • Suizidgefahr und Klaustrophobie (bei Umzug in eine kleinere Wohnung)
  • und beginnende Demenz (hier ist das vertraute Wohnumfeld wichtig).

In welchen Fällen wurde ein Umzug noch für nicht zumutbar erklärt?

Weitere Gründe gegen einen Umzug waren bisher:

  • Alter und starke Sehbehinderung,
  • Traumatisierungen und psychische Erkrankungen,
  • Schwangerschaft,
  • Pflege eines in der Nähe lebenden Kindes mit Schwerbehinderungen
  • und ein kurz bevorstehendes Ende der Hilfsbedürftigkeit.

Wann sind Aufforderungen zur Kostensenkung unwirksam?

Das Bundessozialgericht erklärt ausdrücklich, dass Aufforderungen des Jobcenters über Kostensenkung der Aufklärung und Warnung dienen.

Wenn Leistungsberechtigte nicht hinreichend informiert werden über die Aufwendungen, die das Jobcenter als angemessen ansieht, dann können sie die Kosten auch nicht senken. In diesem Fall muss die reale Miete übernommen werden.

Gesucht, aber nichts gefunden – Was tun?

Wenn Leistungsberechtigte sich nachweislich um eine neue Wohnung kümmern, aber keine finden, dann passiert es durchaus, dass die zuständigen Sachbearbeiter die bestehenden Mietzahlungen kürzen.

Betroffene sollten in diesem Fall Widerspruch einlegen und einmaligen Rechtsschutz beantragen.

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