Eine Studie für das Bündnis “Soziales Wohnen” kam zu dem Ergebnis, dass die Übernahme der Mietkosten für Bürgergeld-Beziehende durch die Jobcenter Vermieter verleitet, Mieten zu steigern. Zugleich vernachlässige der Staat den sozialen Wohnungsbau.
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Jobcenter zahlen überdurchschnittliche Mieten
Laut einer Studie des Pestel-Instituts in Hannover zahlen Jobcenter in angespannten Wohnungsmärkten Mieten deutlich über dem Durchschnitt, in München sogar 19,40 Euro pro Quadratmeter. Das Bündnis erklärt, dass ein Teil der Vermieter es nutzen würde, wenn sich Mieterhöhungsspielräume auftäten.
“Umverteilung von unten nach oben”
Der Vorsitzende der IG-Bau bezeichnete dies als “Umverteilung von unten nach oben” und forderte ein effektiveres Mietrecht, um derlei Spielräume der Eigentümer zu begrenzen.
Dies geht einher mit einer großen – in Metropolen extremen- Wohnungsnot. In Deutschland fehlen circa 700.000 Wohnungen, so die Deutsche Kreditwirtschaft.
Eine Entspannung ist nicht in Sicht. Denn es gibt nur wenig Neubauten, und besonders der soziale Wohnungsbau findet kaum noch statt.
“Hohe Kosten”
Hohe Baukosten, wirtschaftliche Schwierigkeiten und regulatorische Einschränkungen lassen selbst Baugenossenschaften davor zurückschrecken, neue Mietshäuser zu bauen. Darlehen für Wohnimmobilien liegen 2024 40 Prozent unter denen des letzten Jahres.
Kaum bezahlbare Wohnungen bei großer Nachfrage
Wohnungen in Großstädten sind für Familien und Alleinerziehende kaum noch bezahlbar, und zugleich steigt die Nachfrage durch Zuzug. Das gilt für Berlin wie für Hamburg, für Köln wie für München, für Frankfurt am Main wie für Stuttgart. Selbst ehemals günstige Orte wie Leipzig sind in diesen Strudel geraten.
Von dieser Situation profitieren Vermieter, die ihre Mieten erhöhen. Bundesweit stiegen die Durchschnittsmieten in diesem Jahr um 7,7 Prozent, und in Großstädten sogar noch weit stärker.
Staat zahlt für Mieten statt für Sozialwohnungen
Die Sozialausgaben des Staates für die Unterstützung bedürftiger Mieter erreichten mehr als 20 Milliarden Euro. Drei Viertel dieses Geldes sind Kosten für die Unterkunft, die vor allem die Jobcenter bezahlen. Hingegen werden nur vier Milliarden für den Neubau von Sozialwohnungen investiert.
Es gibt nur noch halb so viele Sozialwohnungen
Die Zahl der Sozialwohnungen fiel von den 2000ern bis heute auf fast die Hälfte. Statt zwei Millionen Sozialwohnungen gibt es heute nur noch 1,1 Millionen. Menschen, die Wohngeld als Sozialleistung erhalten, werden folglich zu abertausenden nicht mehr in Sozialwohnungen vermittelt, sondern bei privaten Vermietern zu “freien Preisen” untergebracht.
910.000 Sozialwohnungen fehlen
Laut dem Bündnis fehlen derzeit rund 910.000 Sozialwohnungen. Es fordert, für den Neubau von Sozialwohnungen die Mehrwertsteuer auf sieben Prozent zu senken. Die Gemeinnützigkeit für soziale Vermieter (wie Wohnungsbaugenossenschaften und kommunale Träger) müsse wieder eingeführt werden.
Positiv sieht das Bündnis die staatlich angesteuerte Objektförderung. Mit dieser sollen pro Jahr 25.000 neue Sozialwohnungen geschaffen werden. Dies reiche aber nicht aus, so das Bündnis. Es sollte ein Sondervermögen von 50 Milliarden Euro gebildet und im Grundgesetz verankert werden, um den sozialen Wohnungsbau voranzutreiben.
“Im Osten besser – aber nicht gut
In Ostdeutschland ist, laut dem Bündnis, die Situation zwar entspannter, weil es noch Leerstände, genossenschaftliche und öffentliche Wohnungen gebe. Doch auch hier existiere massive Wohnungsnot – in Berlin und Umland ebenso wie in Dresden oder Cottbus.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.