Bürgergeld: Job gefunden und das Jobcenter droht sofort

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Die Jobcenter sollen die Erwerbstätigkeiten von Bürgergeld-Beziehende fördern. Doch Bürokratie und Drohbriefe verbreiten Angst und Unsicherheiten. Helena Steinhaus vom Verein “Sanktionsfrei e.V.” berichtet von einem klassischen Fall.

Job gefunden und das Jobcenter droht

Klassischer Fall: eine junge Mutter wandte sich an den Hilfeverein. J. ist alleinerziehend und bezieht Bürgergeld. Seit kurzer Zeit hat sie endlich einen Minjob gefunden und verdient gerade mal 150 Euro im Monat dazu. Wer glaubt, dass die Reaktion des Jobcenters daraufhin positiv ist, wird sich irren.

“Das Jobcenter hat vor ein paar Tagen mitgeteilt, dass die Zahlungen für Oktober vorläufig eingestellt sind bis sie den Gehaltsnachweis haben”, berichtet Steinhaus. Solche Briefe sind kurz gehalten und machen Angst, kritisiert Steinhaus. “Es passiert extrem häufig und dauert auch manchmal länger, die Situation zu klären.” Sie fragt die Bundesagentur für Arbeit: “Geht das auch freundlicher?”.

Fehlende Mitwirkung führt zur Leistungseinstellung

Hintergrund ist die drohende Einstellung der Bürgergeldleistungen wegen “fehlender Mitwirkung”. Bei fehlender Mitwirkung, die im SGB II vorgeschrieben ist, droht den Antragstellern im schlimmsten Fall die Einstellung oder Versagung der Bürgergeldleistungen. Denn wer angeblich keine Unterlagen oder Nachweise einreicht, kommt seinen Mitwirkungspflichten nicht nach.

Im § 66 Folgen SGB I Abs. 3 steht zur fehlender Mitwirkung folgendes:
“Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.”

Häufig suchen Betroffene Sozialberatungsstellen auf, weil das Jobcenter beantragte Leistungen mit dem Hinweis auf “fehlende Mitwirkungspflichten” ablehnt. Die Hilfesuchenden berichten, dass sie z.B. mehrfach die angeforderten Unterlagen an das Jobcenter geschickt haben. Dennoch würde das Jobcenter immer wieder den Eingang verneinen und die Leistungen einfach einstellen.

In der Beratungspraxis bleibt oft nur der Rat, die Unterlagen erneut an die Behörde zu schicken. “Die angeforderten Unterlagen sollten daher nie im Original eingereicht werden, damit die Möglichkeit besteht, sie in Kopie erneut zu übersenden”, rät Reinhard Obst von der Erwerbslosen-Initiative Hannover-Linden.

Empfangsbestätigung verlangen

Wenn möglich, sollten die Unterlagen persönlich im Jobcenter abgegeben und um eine Empfangsbestätigung gebeten werden. Diese Bestätigung wird jedoch nicht selten von den Empfangsmitarbeitern der Behörde einfach verweigert. Doch Betroffene sollten dennoch freundlich aber bestimmend den Stempel als Empfangsbestätigung einfordern.

Eine zweite Möglichkeit besteht darin, die erforderlichen Nachweise und Unterlagen per Einschreiben mit Rückschein zu übersenden. Dies ist jedoch wiederum mit Kosten für den Leistungsempfänger verbunden. Daher ist diese Möglichkeit nicht für alle praktikabel.

Die Antragsteller stehen oft vor unlösbaren Problemen. “Was wurde eingereicht, was fehlt noch und warum verlangt die Behörde immer wieder neue Nachweise, die oft nur schwer zu erbringen sind”, berichtet Obst.

Immer dann, wenn die Antragsteller davon ausgehen, alle Mitwirkungspflichten erfüllt zu haben, um endlich einen Leistungsanspruch zu erhalten, fordert das Jobcenter wieder neue Unterlagen oder Erklärungen an.

Der gesetzliche Auftrag, Hilfesuchenden eine zeitnahe Bedarfsdeckung zu gewährleisten, wird von den Jobcentern nicht selten ignoriert. “Vorläufige Leistungen zu gewähren, wenn eigentlich klar ist, dass ein Leistungsanspruch wahrscheinlich ist, wird von den Ämtern immer wieder ignoriert”, beklagt Obst.

Jobcenter kommen ihrer Beratungspflicht oft nicht nach

Hinzu kommt, dass die Jobcenter schlecht erreichbar sind, wie eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt. Dadurch können Fragen nicht oder nicht schnell genug beantwortet werden.

Jobcenter.digital” könnte hier Abhilfe schaffen. Es ermöglicht eine sichere und schnelle Übermittlung von Dokumenten und kann so auch Transparenz in der Bearbeitung von Anträgen schaffen.

Jobcenter.digital könnte Situation verbessern

“Wir wissen aber, dass Jobcenter.digital von den Leistungsberechtigten bisher kaum genutzt wird”, berichtet Obst. Zum einen fehlten oft die technischen Voraussetzungen, zum anderen hätten viele Antragsteller Berührungsängste mit digitalen Angeboten.
Der Weg in die Digitalisierung sei aber richtig, sagt auch der Sozialberater. Allerdings müssten dafür Beratungs- und Unterstützungsangebote geschaffen werden.

Zudem müssten SGB-II-Beziehende einen Anspruch auf digitale Endgeräte erhalten, um am Verfahren teilnehmen zu können. Zukünftig sei eine vollständige Akteneinsicht im Sinne des § 25 SGB X anzustreben. Dies schaffe Transparenz in beide Richtungen.

Im Fall der jungen Mutter unterstützt der Verein “Sanktionsfrei”, damit es nicht erst zu einer Leistungseinstellung kommt.

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