Bürgergeld: 24 Landkreise hatten rechtswidrige Richtwerten für Miete und Heizung

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Zehntausende Hartz-IV-Bezieher (heute Bürgergeld) waren direkt oder indirekt von zu niedrigen Richtwerten für Miete und Heizung betroffen. Viele von ihnen erhielten zu Unrecht nicht die volle Miete und mussten diese Wohnkostenlücke aus dem Regelsatz bezahlen. Das zeigen Urteile von Sozialgerichten.

Höhe der Unterkunftskosten wird durch die Kommunen festgelegt

Wie hoch die Miete und die Heizkosten bei Hartz IV oder Bürgergeld sein dürfen, wird von den Kommunen festgelegt. Für diese Berechnung der Wohnkosten (juristisch: „Kosten der Unterkunft und Heizung“ oder KdUH) gibt es nur sehr allgemeine gesetzliche Vorgaben, weshalb das Problem lange ein Dauerbrenner vor den Sozialgerichten war.

Es ist bis heute nicht gelöst, stattdessen werden rechtliche Unklarheiten und kommunale Engpässe häufig auf dem Rücken der Leistungsberechtigten ausgetragen.

24 Fälle von rechtswidrigen Unterkunftskosten

Eine Recherche der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages hat nun ergeben, dass Sozialgerichte allein im Jahr 2020 in 24 Fällen rechtswidrige Richtwerte festgestellt haben.

Rechtswidrig heißt: zu niedrig, weil die Kommunen meist aus Spargründen keine angemessenen Werte festsetzen und die Leistungsberechtigten nicht dagegen klagen.

Die Urteile betrafen acht Städte oder Landkreise zu unterschiedlichen Zeitpunkten zwischen 2014 und 2020. Dort lebten mehrere zehntausend Betroffene. Sie alle waren direkt oder indirekt von den zu niedrigen Richtwerten betroffen, nicht nur die Klägerinnen und Kläger.

Direkt betroffen waren diejenigen, die konkret zu wenig Leistungen erhalten haben: Das sind Leistungsberechtigte, denen im fraglichen Zeitraum nicht die vollen Wohnkosten gezahlt wurden („Wohnkostenlücke“), weil ihre Miete und/oder ihre Heizkosten die Richtwerte überstiegen. Sie hätten also Anspruch auf höhere Leistungen gehabt; eventuell hätten sie sogar die vollen Kosten der Unterkunft erhalten.

Alle Leistungsbeziehende indirekt oder direkt betroffen

Aber auch die anderen Leistungsbezieher, die ihre Unterkunftskosten in voller Höhe erstattet bekommen haben, sind indirekt von den rechtswidrigen Richtwerten betroffen: Sie haben sich möglicherweise an den zu niedrigen Richtwerten orientiert, auf einen Umzug verzichtet oder zu sparsam geheizt.

Teilweise beziehen sich die Urteile nur auf Teilaspekte, z.B. nur auf bestimmte Haushaltsgrößen. Auch hier ist davon auszugehen, dass andere Teile des Konzepts ebenfalls fehlerhaft waren, so dass alle Haushalte betroffen waren.

Diese Fälle stellen nur einen kleinen Ausschnitt rechtswidriger Richtwerte dar, da sie sich nur auf Urteile aus dem Jahr 2020 stützen, die in der Datenbank “juris” veröffentlicht sind.

Ein aktuelles Beispiel für rechtswidrige Wohnkosten

Ein sehr aktuelles Beispiel für eine vermutlich rechtswidrige Festsetzung von Unterkunftskosten ist der Landkreis Göttingen. Dort wurde die Mietobergrenze aktuell für einen Einpersonenhaushalt im Bürgergeldbezug von 540 Euro auf 511 Euro gesenkt. Schon auf den ersten Blick dürfte klar sein, dass Wohnen gerade in der heutigen Zeit nicht billiger, sondern teurer wird.

“Es ist anzunehmen, dass der Landkreis Göttingen irgendwann zu der Liste der Jobcenter gehören wird, deren Mietwert wieder einmal vom Gericht kassiert werden wird. Bis dahin wird der Landkreis aber viel Geld „gespart“ haben. Natürlich auf Kosten der Einkommensschwachen”, kritisiert Harald Thomé vom Hilfeverein “Tacheles e.V.”.

Derzeit gilt die Karenzzeit

Derzeit kommt es kaum zu Klagen an den Sozialgerichten, da eine sogenannte Karenzzeit bei den Unterkunftskosten gilt, die jedoch Ende 2023 abläuft. Bis dahin muss die volle Miete von den Jobcentern gezahlt werden.

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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