9-Euro-Ticket: bürokratisches Chaos verursacht Strafen für Bürgergeld-Bezieher

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Das seit dem 1. Januar geltende neun Euro teure Berlin-Ticket S bleibt vorerst erhalten, verkündete der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) letzte Woche. Doch mit dieser guten Nachricht kommen auch neue Regelungen, die die Nutzung des Sozialtickets zu einer bürokratischen Herausforderung machen.

Neue Regeln für das Sozialticket in Berlin

Seit dem 1. Oktober ist das Berlin-Ticket S nur noch in Kombination mit der VBB-Kundenkarte Berlin S gültig. Diese Kundenkarte ersetzt den bisherigen Berlinpass, der Sozialhilfe und Bürgergeld Beziehenden Vergünstigungen im Nahverkehr und anderen Bereichen ermöglichte. Um die VBB-Kundenkarte zu erhalten, muss ein Berechtigungsnachweis beantragt werden, der den Zugang zu einer Vielzahl von Ermäßigungen außerhalb des ÖPNV ermöglicht.

Hürden für die Berechtigte

Der Weg zur VBB-Kundenkarte erweist sich für viele Berechtigte als sehr zeitaufwändig und kompliziert. Die Berechtigungsausweise werden nicht von den Jobcentern vor Ort, sondern zentral für alle Berechtigten erstellt. Sie werden zu festen Stichtagen per Serienbrief verschickt, was zu zeitlichen Verzögerungen führen kann. Wer dringend einen neuen Berechtigungsnachweis benötigt, hat oft das Nachsehen.

Eine eigens eingerichtete Clearingstelle der Jobcenter soll hier Abhilfe schaffen, die Ausstellung hängt jedoch von der rechtzeitigen Information der Kunden ab.

Nach Erhalt des Berechtigungsnachweises müssen die Nutzer die VBB-Kundenkarte bei der BVG online beantragen, indem sie den physisch zugestellten Berechtigungsnachweis, einen Personalausweis und ein Lichtbild digital übermitteln. Die Karte wird dann per Post zugestellt und ist nur für den Zeitraum der Leistungsgewährung gültig, danach muss der Antragsprozess erneut durchlaufen werden.

Unklare Flächendeckung und Kritik

Die genaue Zahl der ausgegebenen VBB-Kundenkarten ist noch unklar, ebenso wie die Zahl der Berechtigten, die zwar das Sozialticket, aber keine Kundenkarte besitzen. Die BVG gibt an, bis Ende September 215.000 Anträge bearbeitet zu haben und allein im September 145.000 Sozialtickets verkauft zu haben. Die Verkaufszahlen der S-Bahn und anderer Anbieter sind noch nicht bekannt. Zum Vergleich: 2018 wurden 472.000 Berlinpässe ausgegeben.

Katina Schubert, sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, hat die Klagen über die Situation vernommen und plädiert für eine Verlängerung der Übergangsfrist. Sie betont, dass die Umstellung auf das neue System erst nach einer ausreichenden Flächendeckung hätte erfolgen dürfen, um die ärmsten Nutzer vor Strafen zu schützen. Wer ohne VBB-Kundenkarte erwischt wird, muss 60 Euro Strafe zahlen.

Auch die Erwerbsloseninitiative Basta und die Neuköllner Kiezgruppe des Stadtteilladens Lunte äußern Bedenken gegen die Umstellung. Sie fordern unter anderem die Wiedereinführung der alten Übergangsregelung, die Möglichkeit, die VBB-Kundenkarte vor Ort zu beantragen, eine automatische Verlängerung bei Weitergewährung der Leistungen und den Verzicht auf Anzeigen wegen vermeintlicher Erschleichung, wie es die Düsseldorfer Rheinbahn praktiziert.

Viele Berechtigte sehen sich einem bürokratischen Hürdenlauf ausgesetzt, der die Vorteile des Sozialtickets zunichte macht. Es bleibt abzuwarten, ob die Verantwortlichen auf die Kritik und die Forderungen reagieren, um den Zugang zum Sozialticket für Bedürftige wieder zu erleichtern.

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