Grundeinkommen oder Sklaverei?

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Bedingungsloses Grundeinkommen oder Renaissance der Sklaverei?

(19.08.2010) Wer auch in einer globalisierten Welt sowohl am kapitalistischen Wirtschaftssystem als auch an dem Prinzip der Demokratie festhalten möchte, wird um die Idee eines Bedingungslosen Grundeinkommens nicht herumkommen.

Geht man davon aus, dass jeder Mensch frei geboren ist und ein Existenzrecht hat, so muss sichergestellt sein, dass wirtschaftliche Macht nicht die Grundbedürfnisse eines Menschen ausnutzt, um diesen erpressbar zu machen. Genau dies geschieht aber in zunehmendem Maße auf dem Arbeitsmarkt. Mindestlöhne orientieren sich, wenn sie denn überhaupt eingeführt werden, nicht etwa an den Bedürfnissen der Beschäftigten sondern ausschließlich an den wirtschaftlichen Interessen der Arbeitgeber.

Wie weit diese Erpressbarkeit der Bürger bereits heute geht, wird an den Sozialgesetzbüchern deutlich. So wurden, ohne dass dies zu einem Protest der demokratischen Parteien führte, von einer zumeist aus Wirtschaftslobbyisten bestehenden Kommission unter der Leitung des VW Managers Peter Hartz, Änderungen im Sozialrecht vorgenommen, die mit dem Grundgedanken von Freiheit und Demokratie nicht mehr vereinbar sind. Durch eine Aufhebung sowohl des Rechts auf die freie Wahl des Arbeitsplatzes als auch des Grundrechts der Vertragsfreiheit war und ist es möglich, Menschen gegen ihren Willen in ausbeuterische Arbeitsverhältnisse zu zwingen. Wer sich dagegen wehrt, erhält die Lebensgrundlage entzogen.

Die Folge davon waren Dumpinglöhne, unsichere Arbeitsplätze und, daraus resultierend, eine drastische Verschlechterung des Betriebsklimas in fast allen Branchen. Die Branche, die schon seit eh und jeh für Ausbeutung bekannt war, die Leiharbeitsfirmen, blühte auf. Immer mehr reguläre Arbeitsplätze wurden durch Leiharbeiter ersetzt, was gleichzeitig zu einer drastischen Rückentwicklung der Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer in den Betrieben führte. Gleichzeitig wurde von den Parteien und der finanzstarken Lobbyistengruppe „Neue soziale Marktwirtschaft“ der Begriff der Arbeit neu definiert. Arbeit war nun nur noch die abhängige Beschäftigung. Gleichzeitig wurde suggeriert, dass diese unverzichtbarer Lebensinhalt eines Menschen sei und deren Verlust somit mit Verwahrlosung einhergeht. In zahlreichen Talkshows führte man Paradebeispiele von psychisch kranken, teilweise Drogenabhängigen Menschen vor, und versuchte den Eindruck zu erwecken, dies sei die unausweichliche Folge davon, wenn Menschen nicht einer abhängigen Beschäftigung nachgingen. Dieser Wahn ging dann sogar so weit, dass man alleinerziehende Mütter zwang ihre Kinder in einen Hort zu geben, um selbst eine unbezahlte Arbeitsgelegenheit auszuüben.

Die Erziehung von Kindern stellt somit nach dieser Theorie, nur dann eine Arbeit dar, wenn sie in einem Beschäftigungsverhältnis erfolgt. Erziehung von den eigenen Kindern stellt dagegen, in der Logik der Wirtschaftslobbyisten, keine Arbeit dar und führt somit zwangsläufig zur Verwahrlosung. Wie ernsthaft dieser völlig absurde Gedanke verfolgt wird, ergibt sich aus den Trainingsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose, die diesen zunächst einmal einen geregelten Tagesablauf vermitteln sollen. Während es vor ein paar Jahren völlig normal war, dass etwa eine Frau, die sich mehrere Jahre ausschließlich der Erziehung ihrer Kinder widmete, nach 8 oder 10 Jahren ohne Probleme wieder eine Beschäftigung aufnahm, wird heutzutage vermittelt, schon drei Jahre ohne abhängige Beschäftigung führe zu einer Verwahrlosung, die einen direkten Wiedereinstieg auf dem ersten Arbeitsmarkt unmöglich mache.

Nun gibt es bereits ernsthafte Forderungen nach der Einführung von unbezahlter Zwangsarbeit für alle Leistungsempfänger. Nicht nur diese Forderung, sondern auch die Projektion eines Zerrbildes der „Hartz IV Empfänger“ in der Öffentlichkeit, vorangetrieben von BILD und den Springer und Bertelsmann Sendern des Privatfernsehens, lässt ein beklommenes Gefühl aufkommen. Nicht zum ersten Mal schweigt eine Mehrheit in Deutschland, während eine Minderheit diskriminiert und in ihren demokratischen Grundrechten beschnitten wird. Es sind einige wenige die ihre Stimme erheben. Erfreulicherweise finden sich diese in allen gesellschaftlichen Gruppen und auch über alle Parteien verteilt. Zu nennen sei hier vor allem der Unternehmer Götz Werner der Hartz IV zu Recht als offenen Strafvollzug bezeichnet, der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel , der Professor für Politikwissenschaften Christoph Butterwegge und der ehemalige Generalsekretär der CDU Heiner Geißler.

Viele andere Politiker würden sich vermutlich auch dieser Kritik anschließen, fürchten aber damit gegen den aktuellen Mainstream zu verstoßen und damit ihrer Karriere zu schaden. Wie gefährlich es ist, an einer richtigen Auffassung auch gegen einen aktuellen Mainstream festzuhalten, hat die SPD am Beispiel Oskar Lafontaine verdeutlicht. Vermutlich gibt es deshalb auch heute keinen SPD Politiker, der klar und deutlich die Hartz Reform kritisiert. Lieber reduziert man in Statements die Hartz Gesetze auf die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. Gegen diese strukturelle Reform ist grundsätzlich auch nur wenig einzuwenden.

Die Chance, die eine solche Zusammenlegung geboten hat, nämlich der Diskriminierung von Sozialhilfeempfängern entgegen zu wirken, wurde jedoch vertan. Im Gegenteil: Die Diskriminierung wurde auf die ehemaligen Arbeitslosenhilfeempfänger ausgeweitet und massiv verstärkt. Somit haben die Hartz Gesetze zu einer Unzufriedenheit in der Bevölkerung geführt, die nicht nur bei den direkt Betroffenen spürbar ist. Auch die Beschäftigten bekommen zu spüren, dass ein Potential von Millionen Menschen, die gezwungen sind, jede Arbeit zu jedem Lohn anzunehmen, den eigenen Arbeitsplatz gefährdet und auf den Lohn drückt. Auch der Staat hat keine Einsparungen durch die Reform der Sozialgesetze, da er immer mehr die von ihm selbst geschaffenen Dumpinglöhne durch Lohnzuschüsse in Form von ergänzenden Hartz IV Leistungen subventionieren muss.

Langfristig wird diese Entwicklung in einem demokratischen Land nicht akzeptiert werden. Die Wahlergebnisse und Wahlbeteiligung der letzten Wahlen sprechen hier eine deutliche Sprache. Wenn Wirtschaftsinteressen in einer globalisierten Welt in Konflikt mit Bürgerinteressen geraten, ja teilweise denen konträr gegenüber stehen, muss verantwortungsvolle Politik einen Ausgleich schaffen. Im Augenblick geschieht jedoch das Gegenteil. Steigende Kosten im Gesundheitswesen sollen alleine von den Arbeitnehmern getragen werden. Eine seltsame Entscheidung, vor allem wenn man bedenkt, dass Unternehmensgewinne in den letzten Jahren gestiegen sind, während die Löhne fielen. Die Regeln der Demokratie sind natürlich eine Bremse für ein Wirtschaftswachstum. Mit den Hartz Gesetzen wurde diese Bremse außer Kraft gesetzt.

Nun besteht die Gefahr, dass unser Land ungebremst gegen die Wand fährt. Der zunächst abenteuerlich klingende Vorschlag eines bedingungslosen Bürgereinkommens von 1000 Euro für jeden Bürger dieses Landes, scheint hier bei genauerem Hinschauen ein durchaus sinnvoller Ansatz. Er würde zunächst einmal dafür sorgen, dass kein Bürger durch die Wirtschaft erpressbar ist. Er würde gleichzeitig die komplette Verwaltung, welche die derzeitigen Sozialgesetzgebung zwingend notwendig macht, erübrigen. Nicht mehr die größten Ausbeuter wären am Markt besonders erfolgreich, sondern die Unternehmen, die mit ihren Mitarbeitern faire Verträge aushandeln. Deutschland ist nicht durch Niedriglöhne zu einem der erfolgreichsten Industrieländer der Welt geworden, sondern durch Qualität bei den Produkten und Dienstleistungen. Diese Qualität hat jedoch mit der Entwicklung zum Billiglohnland massiv verloren. Wer seine Arbeit unfreiwillig und gegen schlechte Bezahlung erledigt, kann keine gute Leistung erbringen. Dass dies so ist, erleben wir täglich. Insofern ist eine weitere Versklavung des Arbeitsmarktes langfristig nicht nur für die Demokratie sondern auch für die Wirtschaft schädlich.

Das Argument, niemand würde mehr arbeiten wenn er denn 1000 Euro sowieso erhalte, ist Unsinn. Die Bedürfnisse des Menschen sind unendlich, insofern wird er immer nach einem Mehr streben. Da dieses Mehr aber nicht mehr Ausbeutung meint, gibt es tatsächlich heute schon Arbeitsstellen die nur mit Zwang besetzt werden können. Warum sollte jemand, der in Armut lebt sich ausbeuten lassen, wenn er dennoch in der Armut bleibt? Nicht nur die Sozialleistungen bedeuten Armut, auch viele Löhne, vor allem seit Hartz IV bedeuten Armut. Statt nun, wie dies zur Zeit geschieht, die größten Ausbeuter am stärksten durch indirekt gezahlte Lohnzuschüsse zu belohnen, übrigens zu Lasten der Unternehmen, die faire Löhne zahlen, würde ein bedingungsloses Grundeinkommen wieder einen fairen Wettbewerb ermöglichen. Überhaupt würde dieses erst die Bedingungen eines freien Arbeitsmarktes, bei dem Nachfrage und Angebot den Preis regeln, wieder herstellen. Da die zu leistende Arbeit durch technische Innovation immer weniger wird, gleichzeitig ein unendliches Wirtschaftswachstum durch die Endlichkeit von allen Ressourcen nicht möglich ist, gibt es langfristig nur zwei Möglichkeiten: Entweder die erneute Versklavung eines größer werdenden Teils der Menschheit, oder die Herstellung eines zeitgemäßen Mindestlebensstandards für alle Menschen. Im Augenblick scheint es so, als habe man sich für den ersten Weg entschieden. (Dietmar Brach, Wiesbaden)

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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