Schwerbehinderung: Klage erreichte monatlich 4000 Euro persönliches Budget

Lesedauer 2 Minuten

Mit einem wegweisendem Beschluss gibt der 4. Senat des Landessozialgerichts Hessen  (Beschluss – L 4 SO 51/25 B ER ) am heutigem Tage bekannt, dass die Behörde im Eilverfahren verpflichtet wurde, dem Antragsteller ein höheres persönliches Budget zu bewilligen. Grund hierfür war eine Bedarfsunterdeckung für seinen nächtlichen Pflege-/Betreuungsbedarf.

Denn der nächtliche Pflege- und Betreuungsbedarf ist nicht als Bereitschaftsdienstzeit sondern als Vollarbeitszeit bei der Kalkulation von Leistungen der Eingliederungshilfe in Form eines Persönlichen Budgets nach § 29 SGB IX im Arbeitgebermodell zu berücksichtigen.

Gericht erhöht das persönliche Budget des Behinderten um monatlich 4000 € wegen Bedarfsunterdeckung

Die Behörde muss rückwirkend für 1 Monat vorläufig weitere Leistungen des persönlichen Budgets in Höhe von 3.498,88 Euro monatlich gewähren. Bis zur Entscheidung in der Hauptsache wird die Behörde verpflichtet, dem Antragssteller ein persönliches Budget in Höhe von insgesamt 22.556,926 Euro monatlich zu gewähren.

Kurzbegründung des Gerichts

Die bewilligten Mittel des persönlichen Budgets sind nicht ausreichend, um seinen nächtlichen Pflege-/Betreuungsbedarf abzudecken. Arbeitsrechtlich ist anerkannt, dass für Bereitschaftsdienste nicht zwingend die volle Vergütung gezahlt werden muss.

Der EuGH billigt eine Regelung, die für aktive Bereitschaftsdienstzeiten (= Vollarbeit) und passive Bereitschaftsdienstzeiten (= bloßes Bereithalten) eine unterschiedliche Vergütungshöhe vorsieht (EuGH, Beschluss vom 11. Januar 2007 – C-437/05 –).

Nächtlicher Pflege- und Betreuungsbedarf ist als Vollarbeitszeit einzustufen

Der nächtliche Pflege- und Betreuungsbedarf ist mit Wahrscheinlichkeit nicht als Bereitschaftsdienstzeit sondern als Vollarbeitszeit zu beurteilen, so dass die – auch nach § 2 Abs. 5 Satz 5 6. PflegeArbbV grundsätzlich zulässige – Faktorisierung mit 0,5 im vorliegenden Fall nicht vorgenommen werden darf, sondern vielmehr nach § 2 Abs. 5 Satz 7 6. PflegeArbbV die Vergütung wie bei Vollarbeit zu erfolgen hat.

Offen ließ das Gericht, ob mit der Rechtsprechung des SG Rostock (Beschluss vom 2. Mai 2025 – S 8 SO 39/24 ER) für die Kalkulation eines im sogenannten Arbeitgebermodell realisierten persönlichen Budgets für Leistungen der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege als sachnächste und aktuellste Grundlage auf die jährlich zum 31. Oktober erfolgende Veröffentlichung des Entlohnungsniveaus und der Zuschläge in der Pflege durch die Geschäftsstelle Tarifliche Entlohnung in der Langzeitpflege des GKV-Spitzenverband im Auftrag der Landesverbände der Pflegekassen nach § 82 c Abs. 5 SGB XI abzustellen ist.

Anmerkung vom Sozialrechtsexperten Detlef Brock

Solche Entscheidungen sind für Betroffene und ihre Rechtsanwälte unbezahlbar, denn sie können im Einzelfall dazu führen, Unrecht der Behörden zu beseitigen.

Ich möchte hier noch mal die Gelegenheit nutzen, um auf die Entscheidung des LSG Hamburg Az. L 4 SO 66/24 B ER hinzuweisen, wonach gilt:

Sozialamt darf bei der Kostenreduzierung von Assistenzkräften nicht auf Minijobber verweisen

Denn es erscheint ausgeschlossen, dass der Assistenzbedarf der Antragstellerin von 24 h/Tag allein durch Minijobber, die nur in einem zeitlich sehr begrenzten Umfang erwerbstätig sein können, abgedeckt werden könnte.

Insbesondere aber dürfte ein solcher Verweis auf die Art der zu beschäftigenden Assistenzkräfte der gesetzgeberisch intendierten Privilegierung des Arbeitgebermodells im Sinne einer selbstbestimmten Leistungsgewährung und -verwendung zuwiderlaufen (hierzu vgl. LPK-SGB XII/Palsherm, 13. Aufl. 2024, SGB XII § 64f Rn. 24; SG Mainz, Urteil v. 21.8.2019 – S 1 SO 187/14 – ).