Rentenerhöhungen der letzten 10 Jahre – und was nach Inflation von der Rente übrig blieb

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Wenn von „Rentenerhöhung“ die Rede ist, klingt das nach einem klaren Plus. In der Realität entscheidet aber erst die Inflation darüber, ob dieses Plus im Alltag spürbar wird.

Gerade in den Jahren mit kräftigen Preissteigerungen hat sich gezeigt: Ein nominelles Rentenplus kann trotzdem Kaufkraftverlust bedeuten. Für eine belastbare Einordnung lohnt deshalb der Blick auf beide Seiten der Rechnung – Rentenanpassung und Teuerung.

Wichtig vorab: Die gesetzliche Rentenanpassung folgt in Deutschland vor allem der Lohnentwicklung, nicht direkt der Preisentwicklung. Deshalb können Renten in Phasen hoher Inflation zeitweise „hinterherlaufen“, während sie in Phasen niedriger Inflation deutlich mehr Kaufkraft bringen.

Wie Rentenanpassungen zustande kommen – und warum das nicht automatisch Kaufkraft schützt

Die jährliche Anpassung zum 1. Juli soll Rentnerinnen und Rentner an der Lohnentwicklung der Beschäftigten beteiligen. Das ist politisch gewollt: Renten sollen im Normalfall nicht statisch sein, sondern sich mit dem Arbeitsmarkt mitbewegen. Gleichzeitig ist dieses System nicht dafür gebaut, kurzfristige Preisschübe sofort auszugleichen.

Gerade wenn Energie und Lebensmittel schnell teurer werden, trifft das viele Haushalte unmittelbar – die Rentenanpassung kommt aber erst zur Jahresmitte und orientiert sich an Lohn- und Systemfaktoren.

Ein weiterer Punkt: Es gab Jahre, in denen die Renten wegen der wirtschaftlichen Lage nicht hätten steigen können. Für solche Fälle gibt es Schutzmechanismen, die eine nominale Kürzung verhindern. 2021 führte das dazu, dass es im Westen keine Erhöhung gab, während im Osten eine kleine Anpassung stattfand.

Rentenerhöhung Tabelle: Die letzten 10 Anpassungen (1. Juli 2015 bis 1. Juli 2024)

Jahr (Anpassung zum 1. Juli) Rentenanpassung in % (West / Ost)
2015 2,10 / 2,50
2016 4,25 / 5,95
2017 1,90 / 3,59
2018 3,22 / 3,37
2019 3,18 / 3,91
2020 3,45 / 4,20
2021 0,00 / 0,72
2022 5,35 / 6,12
2023 4,39 / 5,86
2024 4,57 / 4,57 (bundeseinheitlich)

Quelle der Anpassungssätze: Deutsche Rentenversicherung (Übersicht der Rentenanpassungen).

Dass 2024 bundeseinheitlich angepasst wird, hängt damit zusammen, dass der Rentenwert Ost im Jahr 2023 den Westwert erreicht hat; seitdem gelten praktisch gleiche Werte.

Die Gegenrechnung: Inflation frisst (manchmal) mehr als die Erhöhung bringt
Für die Inflationsseite nutze ich die vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Jahresdurchschnittswerte (Veränderung gegenüber dem Vorjahr).

Das ist eine Näherung, weil die Rentenanpassung mitten im Jahr greift, während Inflationsraten kalenderjährlich gemessen werden. Für die Frage „Was blieb nach der Inflation übrig?“ ist diese Gegenüberstellung dennoch sehr aufschlussreich, weil sie den Kaufkrafttrend gut sichtbar macht.

Was nach der Inflation übrig blieb: reale Veränderung (grobe Näherung)
Rechnerisch lässt sich die reale Veränderung vereinfacht so ausdrücken: Reales Plus ≈ (1 + Rentenerhöhung) geteilt durch (1 + Inflation) minus 1.

Jahr Reale Veränderung nach Inflation in % (West / Ost, grobe Näherung)
2015 +1,79 / +2,19
2016 +3,73 / +5,42
2017 +0,10 / +1,76
2018 +1,30 / +1,44
2019 +1,76 / +2,48
2020 +2,94 / +3,68
2021 -3,01 / -2,31
2022 -1,45 / -0,73
2023 -1,43 / -0,04
2024 +2,32 / +2,32

Inflationsquellen (Jahresdurchschnitt): Destatis zu 2015 (+0,3 %), 2016 (+0,5 %), 2017 (+1,8 %), 2018 (+1,9 %), 2019 (+1,4 %), 2020 (+0,5 %), sowie 2021 (+3,1 %), 2022 (+6,9 %), 2023 (+5,9 %), 2024 (+2,2 %).

Insgesamt ein Plus an Rente – aber mit harten Dellen

Über die zehn Anpassungen von 2015 bis 2024 ergibt sich in der Rechnung ein deutliches nominelles Wachstum der Renten. In Westdeutschland summieren sich die Anpassungen auf rund +37 % (aufgezinst), im Osten – wegen der Angleichung – auf rund +49 %.

Die Inflation lag im selben Zeitraum aufgezinst bei rund +27 %. Unter dieser vereinfachten Betrachtung bedeutet das: In Westdeutschland bleibt über die Dekade ein Kaufkraftplus von gut 8 %, im Osten eher im Bereich von gut 17 %.

Die Einschränkungen stecken im Zeitverlauf: Dieses Plus ist nicht gleichmäßig entstanden. Die Jahre 2021 bis 2023 sind der Beleg dafür, dass Rentenanpassungen zwar steigen können, aber trotzdem hinter starken Preiswellen zurückbleiben. 2021 fiel die Erhöhung im Westen aus, während die Preise im Jahresdurchschnitt deutlich anzogen.

2022 und 2023 gab es zwar kräftige Erhöhungen, die außergewöhnlich hohe Teuerung machte sie aber im Ergebnis (je nach Region) real klein oder sogar negativ. 2024 drehte sich das Bild wieder: Die Rentenanpassung lag spürbar über der Jahresteuerung.

Ost-West-Effekt: Warum der Osten in dieser Zeit „besser aussieht“

Dass die Ostwerte in der realen Rechnung häufig höher ausfallen, ist nicht nur eine Frage der allgemeinen Rentenpolitik, sondern auch der Rentenangleichung. Über Jahre wurden Ost-Renten (bzw. die dort erworbenen Entgeltpunkte) über Anpassungen und Aufwertungsmechanismen schrittweise an den Westwert herangeführt. 2023 wurde der Gleichstand beim Rentenwert erreicht, 2024 und danach gilt die Anpassung einheitlich.

Für die Betrachtung „was übrig blieb“ ist das wichtig: Wer überwiegend Ost-Zeiten in der Rente hat, hatte in dieser Phase statistisch häufiger eine stärkere nominelle Dynamik – und damit eher Puffer gegen Inflation, selbst wenn die Preise stark stiegen.

Brutto ist nicht Netto: Warum die Auszahlung oft weniger deutlich steigt

Selbst wenn real rechnerisch ein Plus bleibt, landet es nicht automatisch vollständig auf dem Konto. Zum einen werden von vielen Renten Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung einbehalten.

Zum anderen steigt für Neurentnerjahrgänge der steuerpflichtige Anteil der Rente; zugleich können sich persönliche Steuersituationen ändern. In Jahren mit moderatem nominellem Plus kann das dazu führen, dass das Netto-Plus deutlich kleiner ausfällt als die Schlagzeile zur Rentenanpassung vermuten lässt. Diese Effekte sind individuell und lassen sich seriös nur mit Blick auf den jeweiligen Rentenbescheid und die persönliche Abzugssituation quantifizieren.

Rechenbeispiel, wie aus einer Rentenerhöhung „nach Inflation“ ein reales Plus oder Minus wird

Nehmen wir an, ein Rentner bekam im Juni 2022 eine monatliche Bruttorente von 1.500 Euro. Zum 1. Juli 2022 stieg die Rente im Westen um 5,35 Prozent. Nominal wären das dann 1.500 × 1,0535 = 1.580,25 Euro. Auf dem Konto wären also 80,25 Euro mehr – vor Abzügen.

Für die Kaufkraft zählt aber, was die Preise im selben Zeitraum machen. Die durchschnittliche Inflation 2022 lag bei 6,9 Prozent. Um die „Rente in Preisen von vorher“ zu vergleichen, teilt man den nominalen neuen Betrag durch den Preisauftrieb: 1.580,25 ÷ 1,069 = 1.478,25 Euro (in Kaufkraft gemessen).

Das Ergebnis wirkt erst einmal kontraintuitiv: Obwohl die Bruttorente nominal von 1.500 auf 1.580,25 Euro steigt, entspricht sie nach Inflation nur noch einer Kaufkraft von rund 1.478 Euro. Die reale Veränderung beträgt damit (1.478,25 ÷ 1.500 − 1) × 100 ≈ −1,45 Prozent. Anders formuliert: Das nominelle Plus wird von der Teuerung überholt, und es bleibt ein Kaufkraftverlust.

2025 ist bereits angepasst – die „Inflationsbilanz“ folgt erst später

Zum 1. Juli 2025 stiegen die Renten bundesweit um 3,74 %. Wie viel Kaufkraft davon bleibt, lässt sich erst sauber beurteilen, wenn das Inflationsjahr 2025 vollständig ausgewertet ist.

Fazit
Die letzten zehn Jahre zeigen ein gemischtes Bild: Über die gesamte Zeit blieb in dieser Näherung nach Abzug der Inflation ein Kaufkraftplus, im Westen moderater, im Osten deutlich stärker geprägt durch die Angleichung. Gleichzeitig waren die Jahre hoher Teuerung eine Erinnerung daran, dass das Rentensystem kurzfristige Preisschocks nicht automatisch ausgleicht.