Linkspartei: Konsequente Linke?

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In "NRhZ 82" veröffentlichte einen Kölner Aufruf zum Austritt aus der WASG – Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit, in der eine heftige Diskussion über die geplante Fusion mit der PDS läuft. Hier ein Interview mit einem der Unterzeichner des Aufrufs:

Horst Hilse* war 17 Jahre in der SPD, zwei Jahre bei den Grünen und erklärt, warum er die WASG nach einem Jahr wieder verlässt. Zur Austrittsdiskussion haben uns inzwischen auch die ersten Leserbriefe erreicht. Peter Kleinert: Für den 23. Januar wurde zu einer gemeinsamen MV der WASG und der Linkspartei Köln im Stollwerck aufgerufen. Eine Woche später hörte man in Köln, dass eine größere Zahl Kölner WASG-Mitglieder austreten wollen. Wie es heißt "weil die Genossen mit der Anpassung an den PDS-Regierungskurs nicht einverstanden" sind. Wann und vor allem warum sind Sie in die WASG eingetreten?

Etwas Neues und Lebendiges schien zu entstehen Horst Hilse:

HH. Mein Entschluss zum Eintritt in die WASG erfolgte zum Jahreswechsel 2005/2006 und war sozusagen ein "guter Vorsatz" für das neue Jahr. Am 1.1. sandte ich die Eintrittserklärung ab. Die Gründe für meinen Eintritt ergaben sich aus meinem Eindruck, dass hier eine politische Kraft im Werden war, die die gesellschaftliche Offensive der Neoliberalen, die die Sozialdemokraten mit ihrem Autokanzler und seiner Agenda 2010 vorangetrieben hatte, ernsthaft korrigieren wollte. Bereits Monate vor meinem Eintritt hatte ich die Erklärungen der WASG verfolgt und hatte den Eindruck, dass diese auch ernst gemeint waren. Insbesondere die Zielvorstellung um Aufbau einer strömungsübergreifenden Linken schien mir eine Garantie zu sein, dass hier etwas Neues und Lebendiges entsteht.

PK: Wie man hört, liegen die Gründe für die aktuellen Austritte vor allem in der überregionalen und Bundespolitik der WASG. Welche Gründe erscheinen Ihnen da besonders wichtig?

Haltung zur Fusion mit der PDS wurde Ausgrenzungsmechanismus
HH: Es kommen hier keine einzelnen isolierten Gründe in Betracht, sondern das generelle Politikverständnis und das daraus abgeleitete Administrieren. Dass der Anspruch zur Schaffung einer linken Sammlungsbewegung sehr schnell auf die Fusion mit der PDS konzentriert wurde, erschien mir anfangs sehr plausibel, da hier ja durchaus wichtige Annäherungen zu verzeichnen waren. Als dann jedoch dieser als "Fusion" bezeichnete Anschluss der WASG innerorganisatorisch als Ausgrenzungsmechanismus für alle andern Auffassungen instrumentalisiert wurde, setzten meine Zweifel ein. Diese Zweifel verstärkten sich, als jedwede kritische Haltung zum Ablauf dieser "Fusion" mit der bewussten Unterstellung einer Sabotierung der "Fusion" an sich ausgegrenzt wurde. Diese Zweifel waren in der ersten Jahreshälfte 2006 in weiten Teilen der WASG verbreitet und um diesen entgegenzutreten, wurde eine Mitgliederbefragung in Szene gesetzt. Diese thematisierte jedoch nicht differente Vorstellungen, sondern forderte apodiktisch eine Erklärung für oder gegen eine Fusion ein. Nur etwas über die Hälfte der damaligen WASG-Mitglieder beteiligten sich überhaupt an dieser Scheinabstimmung und von diesen wiederum stimmten ca. 35% gegen diese Art der "Fusion". Damit hatte die Vorstandslinie gemessen an der Mitgliedschaft eine Niederlage eingefahren. Aber dies wurde sofort im Stile der vielen "Wahlgewinner" bei bürgerlichen Wahlen zu einem fulminanten Sieg erklärt. Nur jene wurden gewertet, die sich beteiligt hatten, was formal zwar richtig ist, aber eben nicht die Meinung der Organisation repräsentierte. Parallel dazu wurde der gewählte Berliner Landesvorstand durch einen Politbeamten ersetzt, weil die vorgegebene Haltung zur Fusion in Berlin nicht mitgemacht wurde. Gemeinsam mit den bürgerlichen Medien degradierte sich die Mehrheit des Bundesvorstandes dann Zum Nachbeter der bürgerlichen Sensationskampagne über die "hübsche Berliner Trotzkistin". Das inhaltlich niedrige Niveau zu Fragen linksoppositioneller Traditionen ist auch in dieser "Linken" durchaus noch zu unterbieten. All das beweist für mich nur, dass hier die alten Gepflogenheiten der Administration von Politik ohne Betroffene betrieben wird; also nichts "Neues" entsteht.

PK: Es gibt ja hier in Köln auch ein PDS-WASG-Bündnis – öffentlich sichtbar durch das WASG/GgS-Mitglied Claus Ludwig in der Kölner Links-Fraktion, die dadurch überhaupt erst möglich wurde. Richtet sich Ihr Austritt auch gegen die Lokalpolitik der Kölner PDS bzw. der Linksfraktion im Rat insgesamt, oder waren Sie bisher mit deren Haltung z.B. gegen die Privatisierung der LEG, die Zerstörung des Barmer Viertels, Ein Euro-Jobs und für den Köln-Pass einverstanden?


"Linke Parteiprominenz" dient sich als "bessere SPD" an

HH: Das, was man innerhalb der WASG anfangs noch als "Berliner Linie" einer "rechten PDS-Strömung" herunterspielte, entpuppt sich ja nach und nach als Hauptinteresse der "linken Politprominenz": einem schwindenden Einfluss der Sozialdemokratie möchte man sich als "bessere SPD" andienen. Dies drückt sich auch in Köln u.a. in dem Ansinnen aus, einen gemeinsamen Haushaltsplan auf die Beine zu stellen und in der verhaltenen Reduktion kämpferischer Politik auf Symbolik. Den größten Widerstand gegen den 1-Euro Job-Skandal gab es nicht von der Linken, sondern von den Erwerbsloseninitiativen in Köln. Die Wiedereinführung des Köln-Pass erfolgte zwar auf Antrag der Fraktion Die Linke, aber von dort ebenfalls nur auf Druck und durch Mitarbeit dieser Initiativen. Und zum Kampf um den Erhalt der Barmer Siedlung musste man die linken Ratsherren der PDS eher ans Händchen nehmen.

PK: Welche Perspektive sehen Sie für weitere organisierte politische Arbeit und in welchem möglicherweise bereits vorhandenen Rahmen? Oder soll eine neue Partei gegründet werden?

Radikaldemokratische Initiativen auf lokaler Ebene
HH: Ich weiß, dass es in der Anschlusslinken viele aufrechte und ernsthafte Menschen gibt, die wirklich für eine grundlegende Erneuerung linker Politik engagiert eintreten. Nach meiner Einschätzung werden sie bestenfalls eine linke Feigenblattfunktion wahrnehmen dürfen, wie es den Jusos in der SPD jahrzehntelang ebenfalls gestattet wurde, um die Attraktivität der Partei zu erhöhen. Viele werden zermürbt oder aber aufgesogen werden. Mein Masochismusbedarf dieser Art ist durch jahrelange SPD-Mitgliedschaft reichlich gedeckt. Die WASG war Ausdruck einer Protestbewegung gegen die sogenannten „Reformen“ der Agenda 2010. Daraus schöpfte sie ihre Lebendigkeit und ihre Anziehungskraft. Die derzeitige Situation kennt nichts Vergleichbares und daher halte ich die Gründung einer Partei zum gegenwärtigen Zeitpunkt für verfehlt. Parteien, die an grünen Tischen geplant werden, sind steril und künstlich. Aber auf lokaler Ebene sehe ich vielfach Ansätze für radikaldemokratische Initiativen, da es ein zunehmendes Bedürfnis gibt, seine Interessen nicht mehr den taktischen Spielen von hauptamtlichen Apparatfraktionen zu übereignen. In Frankreich spricht man seit langem von der „classe politique“; mir ist ein entsprechender deutscher Begriff nicht geläufig. In Köln existiert beispielsweise mit der GGS – Initiative ein Ansatz, der meiner Meinung nach wesentlich mehr der ursprünglichen Intention der WASG entspricht, als die künftige parlamentsfixierte Anschlusslinke. Deren Entwicklung wird erst mit den Parteitagen Ende 2008 abgeschlossen sein, denn dann erst soll der Zeitraum des „Zusammenwachsens“ abgeschlossen sein. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass dann auch eine neue Debatte größeren Umfangs über linke Politik stattfinden wird, da der Kaiser für alle erkennbar nackt herumlaufen wird. Bis dahin rate ich jedem interessierten Beobachter, sich an August Bebels Ratschlag zu halten: Man soll ihnen nicht aufs Maul, sondern auf die Hände schauen.

Horst Hilse* hat als gelernter Metallfacharbeiter auf Montage und im Akkordlohn malocht. Jahrelange gewerkschaftliche Tätigkeit in Jugendvertretung und Betriebsrat. Nach Schließung der Firma zunächst Ausbildung zum Rettungssanitäter. Zweiter Bildungsweg, noch nicht abgeschlossenes Studium. Seit Jahren in einer Disco beschäftigt. (Ein Leserbeitrag von Horst Hirle, 24.02.07)

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