Mehrbedarf im Bürgergeld – Anspruch und Höhe vom Jobcenter

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Wer Bürgergeld bezieht, hat in bestimmten Fällen Anspruch auf zusätzliche Leistungen. Dieser Mehrbedarf ist ein jeweils festgelegter Anteil in Prozent vom Bürgergeld-Regelsatz. Im Folgenden werden wir einen Überblick geben, in welchen Lebenslagen Leistungsempfangende Anspruch auf Mehrbedarf haben und einen Antrag beim Jobcenter stellen können.

Wichtig: Die Mehrbedarfe sind durch den Anstieg der Regelleistungen ab 2024 prozentual gestiegen!

Bürgergeld: Wer hat Anspruch auf Mehrbedarf?

Unter folgenden Bedingungen haben Bezieherinnen und Bezieher von Bürgergeld Anspruch auf Mehrbedarf:

  • Ab der 13. Schwangerschaftswoche bis zur Entbindung haben werdende Mütter einen Anspruch auf Mehrbedarf in Höhe von 17 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs.
  • Alleinerziehende Mütter und Väter haben einen Anspruch auf Mehrbedarf. Die Höhe des Zuschlags hängt von der Anzahl der Kinder sowie von deren Alter ab.
  • Bürgergeldberechtigte Menschen mit Behinderung steht ein Mehrbedarf von 35 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu, wenn sie an einer Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder an sonstigen Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes teilnehmen.
  • Voll erwerbsgeminderten Bürgergeldbezieherinnen und -beziehern, die einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen G erhalten haben, wird ab Vollendung des 15. Lebensjahres ein Mehrbedarf in Höhe von 17 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs gewährt.
  • Wer Bürgergeld bezieht und aus medizinischen Gründen eine kostenaufwändige Ernährung benötigt, hat Anspruch auf Mehrbedarf in angemessener Höhe. Der Zuschlag richtet sich nach der Art der Krankheit.
  • Soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender und nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht (beispielsweise Kosten für die Wahrnehmung des Umgangsrechts mit dem Kind), wird unter bestimmten Voraussetzungen ein Mehrbedarf anerkannt.
  • Falls Warmwasser durch in der Wohnung installierte Vorrichtungen wie Durchlauferhitzer erzeugt wird, kann ein pauschalierter gestaffelter Mehrbedarf anerkannt werden.

Bürgergeld-Mehrbedarf Schwangere

Für Schwangere gibt es einen Mehrbedarf von 17 % der Regelleistung. Das entspricht 95,71 Euro monatlich mehr für Alleinstehende und 86,02 Euro mehr für Bürgergeldempfängerinnen in einer Partnerschaft.

Um diesen Mehrbedarf zu bekommen, müssen Sie mindestens in der 13. Schwangerschaftswoche sein. Mit dem Mehrbedarf sollen Sie beispielsweise mehr Lebensmittel, die Sie gegen Ende der Schwangerschaft verbrauchen, bezahlen können. Dieser Mehrbedarf gilt bis zum Ende des Monats, in dem die Entbindung stattfindet.

Wichtig: Um den Mehrbedarf zu erhalten, muss das zuständige Jobcenter über die Schwangerschaft informiert werden. Gegebenenfalls muss dazu der Mutterpass oder ein ähnlicher Beweis vorgelegt werden.

Weitere Informationen hierzu finden Sie in unserem Ratgeber „Schwangerschaft und Bürgergeld | Mehrbedarf und Anspruch auf Zuschüsse“.

Mehrbedarf Behinderung

Bürgergeldberechtigte Menschen mit einer Behinderung, die an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teilnehmen bzw. Hilfen zur Schulbildung/Ausbildung erhalten, haben ebenfalls Anspruch auf einen Mehrbedarf von 35 %. Bei einem Regelbedarf von 563 Euro für Alleinstehende sind das 197,05 Euro.

Ebenso erhalten Bürgergeld-Empfangende, die voll erwerbsgemindert sind und einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen „G“ haben, einen Mehrbedarf von 17 Prozent der Regelleistung. Bei einem Regelbedarf von 563 Euro für Alleinstehende sind das 95,71 Euro.

Erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige erhalten zusätzliche Leistungen (§ 21 Abs. 4 SGB II) in Höhe von 35 % der individuellen Regelleistung, wenn Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 SGB IX oder sonstige Hilfen für die Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes oder Hilfen zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit durch einen öffentlich-rechtlichen Rehabilitationsträger gewährt werden.

Als Nachweis dient ein aktueller Bewilligungsbescheid des Rehabilitationsträgers. Es müssen tatsächlich Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden. Es reicht nicht aus, wenn behinderte Menschen lediglich grundsätzlich die Voraussetzungen erfüllen. Die Leistungen dürfen sich nicht lediglich auf Beratung und Vermittlung nach § 49 SGB IX beschränken.

Ausnahme: Beziehende von Sozialgeld nach § 28 Abs. 1 SGB II kann der Mehrbedarf auch für eine schulische Ausbildung oder eine Ausbildung an einer Hochschule gewährt werden, sofern die Bezieher Eingliederungshilfe nach § 54 Abs.1 und 2 SGB XII erhalten

Der Mehrbedarf kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, bis zu einer Dauer von drei Monate gezahlt werden. Bei Vorliegen der Voraussetzungen kann zusätzliche Bedarf auch rückwirkend erbracht werden.

Mehrbedarf: Wohnraum für Menschen mit Behinderung

Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld wird die Miete für ihre Wohnung bezahlt, insofern diese eine angemessene Größe hat. Als Faustregel hält das Amt für Alleinstehende rund 45 m² für angemessen. Für jede weitere Person, die in dem Haushalt lebt, darf die Wohnung rund 15 m² größer sein.

Bei Menschen, die auf einen Rollstuhl oder Rollator angewiesen sind und mindestens einen Behinderungsgrad von 50 haben, beziehungsweise bei Personen mit Behindertenausweis mit den Merkzeichen “G” oder “aG” sowie bei Menschen mit Sehbehinderung wird zusätzlicher Wohnraum von bis zu 15 Quadratmetern als angemessen betrachtet.

Weitere Informationen hierzu finden Sie in unserem Ratgeber „Bürgergeld-Mehrbedarf für erwerbsfähige Behinderte“.

Chronische Krankheiten: Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung

Auch chronisch kranke Menschen, die aus medizinischen Gründen eine kostenaufwendige Ernährung brauchen, haben Anspruch auf zusätzliche Leistungen.

Eine genaue Prozentzahl wird hier nicht angegeben, der Betrag sollte in angemessener Höhe liegen. Die Höhe des Betrages legt der Fallmanager fest. Er orientiert sich unter anderem an den Vorgaben Deutschen Vereins für öffentliche und private Vorsorge. Eine Orientierung bietet untenstehende Tabelle.

Wer mehrere Krankheiten hat, die eine kostenaufwändige Ernährung erforderlich machen, kann mitunter den Anspruch auf Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung mehrfach geltend machen. Auch rückwirkend könnten Ansprüche geltend gemacht werden, wenn der Arzt bestätigt, dass die entsprechende Krankheit schon länger besteht. In jedem Fall muss der Hausarzt das entsprechende Formular ausfüllen.

Wie viel Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung?

Erkrankung Kostform Regelsatz Prozent in Euro
Niereninsuffizienz mit Dialysebehandlung Dialysediät 5 % 28,15 €
Zöliakie/ Sprue glutenfreie Kost 20 % 112,60 €
Mukoviszidose/zystische Fibrose erhöhter Energiebedarf 30 % 168,90 €
Schluckstörungen Andickungspulver tatsächliche Aufwendung tatsächliche Aufwendung

Mehrbedarf bei schweren Krankheiten

Einen krankheitsbedingten Bedarf auf Zusatzleistungen für die Kosten der kostenaufwendigen Ernährung wird nur in sehr seltenen Fällen gewährt. Es muss sich dabei um eine krankheitsassoziierte Mangelernährung nach individueller medizinischer Beurteilung handeln. Folgende Tabelle zeigt Beispiele, in welchen Situationen dies infrage kommt.

Mehrbedarf bei Krankheit – Übersicht

Krankheit Prozent vom Regelsatz Mehrbedarfszuschlag
HIV-Infektion / AIDS 10 % 56,30 €
Multiple Sklerose 10 % 56,30 €
Colitis ulcerosa 10 % 56,30 €
Morbus Crohn 10 % 56,30 €
Krebs 10 % 56,30 €

Mehrbedarf für Alleinerziehende

Alleinerziehende Mütter oder Väter können einen Mehrbedarf geltend machen, wenn sie sich ausschließlich allein um die Pflege und Erziehung der Kinder kümmern.

Der Mehrbedarf beträgt mindestens 12 Prozent für Kinder über sieben Jahren und 36 Prozent für Kinder unter sieben Jahren. Ausschlaggebend für die Höhe sind das Alter sowie die Anzahl der Kinder. Der maximale Mehrbedarf, der hierfür gewährleistet wird, beträgt 60 Prozent.

Mehrbedarf für Alleinerziehende – Übersicht

Anzahl und Alter der Kinder Prozentualer Anteil des maßgeblichen Regelbedarfs als Mehrbedarf für Alleinerziehende Tatsächlicher Mehrbedarf bei einem Regelsatz von 563 EUR
Ein Kind bis 7 Jahre 36 % 202,68 EUR
Ein Kind über 7 Jahre 12 % 67,56 EUR
Zwei Kinder unter 16 Jahre 36 % 202,68 EUR
Zwei Kinder über 16 Jahren 24 % 135,12 EUR
Ein Kind über 16 und ein Kind unter 16 Jahren 24 % 135,12 EUR
Drei Kinder 36 % 202,68 EUR
Vier Kinder 48 % 270,24 EUR
Fünf Kinder und mehr 60 % 337,08 EUR

Mehrbedarf für Warmwasser

Wenn Warmwasser in einer Wohnung nicht über die Zentralheizung, sondern durch einen dezentralen Durchlauferhitzer, Boiler oder ähnliche Geräte erwärmt wird, besteht ein Mehrbedarf, um die erhöhten Stromkosten zu decken.

Andernfalls würden diejenigen, die über eine Zentralheizung verfügen und keine zusätzlichen Haushaltsenergiekosten aus dem Regelsatz decken müssen benachteiligt werden, da Stromkosten nicht zusätzlich zum Regelsatz im Bürgergeld enthalten sind.

Volljährige Personen können für die dezentrale Warmwasserversorgung einen Mehrbedarf von 2,3 % des Regelsatzes erhalten. Für Jugendliche von 15 und 18 Jahren wird ein Mehrbedarf von 1,4 % gewährt. Kinder ab 7 bis 14 Jahren erhalten 1,2 % Mehrbedarf für dezentrale Warmwasserversorgung und Kinder von 0 bis 6 Jahren 0,8 %. Aus der folgenden Tabelle können Sie den jeweiligen Mehrbedarf für dezentrale Warmwasserversorgung ablesen:

Regelbedarfsstufe % vom Regelsatz Mehrbedarf in EUR
Alleinstehende und Alleinerziehende 2,3 % von 563 € 12,95 €
Paare pro Kopf 2,3 % von 506 € 11,64 €
Volljährige unter 25 Jahren 2,3 % von 451 € 10,37 €
Kinder von 14 bis 17 Jahre 1,4 % von 471 € 6,59 €
Kinder von 6 bis 13 Jahre 1,2 % von 390 € 4,68 €
Kinder von 0 bis 5 Jahre 0,8 % von 357 € 2,86 €

Nähere Informationen hierzu finden Sie in unserem Ratgeber „Bürgergeld-Mehrbedarf für Warmwasser“.

Mehrbedarf für Härtefälle

Zusätzlich besteht in manchen Fällen ein Anspruch auf Mehrbedarf für regelmäßig wiederkehrende und unabweisbare Kosten. Es gibt keine festgelegte oder abschließende Liste, da diese Kosten von Fall zu Fall unterschiedlich sein können. Beispiele für solche Härtefälle sind:

  • Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts bei getrennt lebenden Elternteilen.
  • Ärztlich empfohlene Pflege- oder Hygieneartikel, die aus medizinischen Gründen verwendet werden müssen.
  • Haushaltshilfen für Menschen mit Behinderung.
  • Nachhilfeunterricht für Kinder von Leistungsempfangenden.
  • Anschaffungen, die für die Schule notwendig sind.

Nähere Informationen hierzu finden Sie in unserem Ratgeber „Bürgergeld Mehrbedarf als Härtefall – Anspruch und Vorraussetzungen“.

Maximale Höhe der Mehrbedarfe

Bei Anspruch auf unterschiedliche Mehrbedarfe werden die einzelnen Posten addiert. Die Summe aller Mehrbedarfe kann jedoch nie mehr als 100 % der Regelleistung betragen.

Wer also beispielsweise 563 Euro Regelleistung bekommt, kann auch nur maximal 563 Euro an Mehrbedarf geltend machen, selbst wenn die Voraussetzungen für höheren Mehrbedarf gegeben sind.

Quellen:
Zweites Sozialgesetzbuch (SGB II)
Neuntes Sozialgesetzbuch (SGB IX)
Zwölftes Sozialgesetzbuch (SGB XII)
  • § 54 SGB XII
  • Zweites Buch Sozialgesetzbuch – SGB II – Fachliche Weisungen § 21 SGB II – Mehrbedarfe (PDF)