Hartz IV: Alt will Unterkunftskostenpauschale bei ALG II.
Der Vizechef der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt, schlug in einem Interview mit der „Rheinischen Post“ vor, die Kommunen sollten nur noch einen Pauschalbetrag für die Unterkunftskosten zahlen. Das würde Anreize schaffen, sich günstigeren Wohnraum zu suchen, denn bisher würden viele ALG II-Bezieher absichtlich den gesetzlichen Leistungsrahmen so weit es geht ausreizen.
Nachdem Alt erst gegen Westerwelle wegen dessen Vorwürfen einer angeblich falscher ALG II-Missbrauchsstatistik der BA opponiert hat, scheint Alt nun selbst sein politisches Ansehen mit Hetze gegen ALG II-Empfänger aufbessern zu wollen, indem er behauptet, diese würden absichtlich in zu teuren Wohnungen wohnen und sogar gezielt in solche umziehen. Das dies in Wahrheit gar nicht zutrifft und rechtlich nicht möglich ist, weis auch Herr Alt genau.In Wahrheit zahlen die meisten Kommunen schon heute Unterkunftskosten, zu denen auf dem Wohnungsmarkt entweder kaum, oder gar keine Wohnungen verfügbar sind, weshalb es so viele Verfahren dazu vor den Sozialgerichten gibt: in jeder dritten Klage von ALG II-Beziehern geht es um Unterkunftskosten.
Viele ALG II-Bezieher müssen bereits heute Teile ihrer Miete aus ihrer Regelleistung zuzahlen, was i.S.d. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II in den meisten Fällen rechtswidrig ist, warum die allermeisten diesbezüglichen Klagen auch erfolgreich sind.
Und frei gusto in eine teurere Wohnung ziehen und dann die höheren Unterkunftskosten bekommen, geht nicht, denn das verhindert § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II äußerst wirkungsvoll.
Würde man diesen Vorschlag von Herrn Alt umsetzen, besteht kein Zweifel daran, dass die Kommunen sofort auf Kosten der ALG II-Bezieher Pauschalen festlegen werden, die nicht mal Ansatzweise bedarfsdecken sind, so wie sie es aktuell schon mit den Kaltmieten und Betriebskosten tun.
Berlin als Vorreiter dieser Idee zahlt schon seit 2005 eine derartige Pauschale, wie sie Herr Alt fordert, weshalb das Sozialgericht Berlin vor Klagen wegen rechtswidriger Pauschalierung der Unterkunftskosten nur so stöhnt. Und die allermeisten Kläger bekommen Recht und höhere Unterkunftskosten zugesprochen. Sollte diese absolut rechtswidrige Handlungsweise tatsächlich bundesweit Einzug halten, wird sich die Klageflut an den Sozialgerichten mehr als verdoppeln. Denn wohin sollen denn die Betroffenen ziehen, wenn es jetzt schon kaum Wohnraum zu den willkürlich von den Kommunen festgelegten Kosten gibt?
Außerdem steht fest, dass die Forderung von Herrn Alt: die Kommunen sollen diese Pauschalen selbst festlegen, rechtlich derzeit gar nicht durchführbar ist. Das SGB II lässt so etwas nicht zu, denn lt. § 27 SGB II darf allein das BMAS per Verordnung festlegen, unter welchen Voraussetzungen so eine Pauschale eingeführt werden kann, wie sie ermittelt werden muss und das sie die tatsächlichen angemessenen Kosten decken muss – wie nach der bestehenden aktuellen Regelung auch. Oder anders ausgedrückt: nach § 27 SGB II müsste dieser Pauschalbetrag genau so hoch sein, wie die derzeit angemessenen Unterkunftskosten. Es würde sich also nichts ändern.
Die von Alt geforderte Pauschale wäre demnach rechtswidrig, daran ändert auch die Verordnungsermächtigung in § 27 SGB II nichts und keine Änderung des SGB II, denn das Bundessozialgericht hat schon vor Jahren festgelegt, wie die Angemessenheit der Unterkunftskosten zu ermitteln ist, was auch unter Anwendung von § 27 SGB II zwingend einzuhalten wäre, und das Bundesverfassungsgericht hat erst vor wenigen Wochen unmissverständlich geurteilt, dass die Pflicht des Staates zur Grundsicherung unabdingbar gilt, woraus nicht nur folgt, dass der Regelsatz bedarfsdeckend sein muss, sondern auch, das die Unterkunftskosten bedarfsdeckend sein müssen. (24.03.2010)
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