Bürgergeld: Jobcenter berechnen oftmals falsche Mietobergrenzen

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Immer wieder berechnen die Jobcenter die Mietobergrenzen für Bedarfsgemeinschaften beim Bürgergeld falsch. Dieser Ratgeber soll dabei helfen, in verschiedenen Konstellationen eine höhere Mietobergrenze zu erstreiten.

In diesen Konstellationen wendet das Jobcenter oft falsche Mietobergrenze an

    • Geschwister leben zusammen,
    • Ein Kind ab 25Jahren lebt noch bei den Eltern
    • die Oma lebt mit in der Wohnung oder
    • Alleinerziehende mit Azubi-Kind.

In solchen und vielen anderen Konstellationen wendet das Jobcenter häufig eine falsche Mietobergrenze an. In solchen Situationen leben in einer Wohnung mehrere Bedarfsgemeinschaften.

Mietobergrenze nach der Größe der Bedarfsgemeinschaft

Die Mietobergrenze für Bürgergeld-Empfänger wird nach der Anzahl der Personen in der Bedarfsgemeinschaft bestimmt und nicht nach der Anzahl der Personen, die in der Wohnung leben. Dies hat das BSG mit Urteil vom 25.4. 2018 – B 14 AS 14/17 R noch einmal ganz deutlich klargestellt.

Beispiel

Tochter(30) lebt bei ihrer Mutter in Dortmund und hat die Kündigung erhalten. Sie fragt beim #Jobcenter nach der geltenden Mietobergrenze. Jobcenter: “Die Mietobergrenze für 2 Personen liegt bei 630€.”

Sie sucht und sucht nach einer Wohnung, aber sie findet keine. Aber eigentlich ist die Mietobergrenze eine ganz andere.

Da die Tochter über 24 ist, bilden sie und ihre Mutter keine Bedarfsgemeinschaft mehr (§7 Abs3 Nr2 SGB II).
Damit gilt nicht die Mietobergrenze für 2 Personen, sondern für beide jeweils die für eine Person. In Dortmund: 2×510€=1020€ statt 630€. Es macht also in diesem (Extrem-)Fall einen wesentlichen Unterschied.

Wer gehört eigentlich zur Bedarfsgemeinschaft?

Da die Mietobergrenze korrekt anhand der Personen in der Bedarfsgemeinschaft bestimmt wird, stellt sich die Frage, wer eigentlich dazu gehört und wer eben nicht. Wer gehört also trotz Wohnen in der gleichen Wohnung NICHT zur Bedarfsgemeinschaft?

    1. Mitbewohner in einer WG (auch Geschwister)
    2. unverheiratete Partner, die weniger als 1 Jahr zusammen leben und kein gemeinsames Kind haben / gemeinsam erziehen
    3. Kinder ab 25 Jahren
    4. Kinder, die eigene Kinder haben
    5. Kinder(0-24Jahre), die ihren eigenen Bedarf durch Einkommen decken können

Weitere Details zur Bedarfsgemeinschaft und weitere Konstellationen findet ihr hier.

Sollten nicht alle in einer Wohnung lebenden Personen zu einer Bedarfsgemeinschaft gehören, kann die Mietobergrenze nicht einfach aus der Tabelle des Jobcenters abgelesen werden.

Berechnung der korrekten Mietobergrenze bei mehreren Bedarfsgemeinschaften

Die Mietobergrenze muss in diesen Fällen individuell berechnet werden.

Formel:
Mietobergrenze für die größte leistungsbeziehende Bedarfsgemeinschaft in der Wohnung,

Anzahl der Personen in der größten Bedarfsgemeinschaft

✖ Anzahl der Bewohner der Wohnung

= Mietobergrenze für die gesamte Bewohnerschaft der Wohnung

Diese Formel funktioniert bei allen Fällen außer bei bedarfsdeckende Kinder (Fall 5) zuverlässig.

Bei 5. muss zusätzlich beachtet werden, ob das Kind auch bei der nun höheren anteiligen Miete noch mehr Einkommen (nach Abzug von Freibeträgen) hat, als Bedarf.

Für wen ist die Mietobergrenze aktuell relevant?

Es gibt mehrere Fälle in denen die Mietobergrenze aktuell wichtig ist:

    • Jobcenter übernimmt nur einen Teil der Miete, da die Miete schon lange zu hoch ist
    • Wohnungssuche, da die Karenzzeit bei einem Umzug nicht gilt

Anwendung falsche Mietobergrenze

Wenn die Miete abgesenkt ist und trotz eines der oben genannten Fälle die Mietobergrenze nicht nach Bedarfsgemeinschaften berechnet wurde, kann man das mit einem Überprüfungsantrag auch rückwirkend ändern und nachzahlen lassen.

Höhere Mietobergrenze für Umzüge

Bei der Wohnungssuche ist das Problem, dass Vermieter nicht warten wollen, bis ein Widerspruchsverfahren über die Angemessenheit der Wohnung durch ist, weil das Jobcenter die Wohnung trotz eigentlicher Angemessenheit abgelehnt hat. Daher muss man es schon vorher klären.

Vorgehen

Ich gehe dabei folgendermaßen vor:
1. Antrag die Mietobergrenze zu benennen.
2. Falls Grenze falsch genannt wird: Widerspruch
3. Wohnungsangebot ab dann immer mit Bestätigung des Jobcenters einreichen

Formulierungsvorschlag für den Antrag

Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit beantrage ich die Benennung der Gesamt-Mietobergrenze für alle in der Wohnung lebenden Personen. Ich bitte Sie, dabei das Urteil des BSG vom 25.4. 2018 – B 14 AS 14/17 R zu beachten.

Nach diesem Urteil wird die Mietobergrenze immer nach Bedarfsgemeinschaften bestimmt, die Anzahl der Bewohner in einem Haushalt spielt dabei keine Rolle. In unserer Wohnung leben aber mehrere Bedarfsgemeinschaften zusammen. (Erklärung warum nicht alle zu einer BG gehören) Aus meiner Sicht berechnet sich die Grenze folgendermaßen:

Mietobergrenze für die größte leistungsbeziehende Bedarfsgemeinschaft

Anzahl Personen in der größten Bedarfsgemeinschaft
✖️
Anzahl der Bewohner der Wohnung
=
Mietobergrenze für alle Bewohner der Wohnung

Bei uns bedeutet dies:
(zB. für Eltern mit 1 Kind (25J) in Dortmund:
630€ Mietobergrenze 2 Personen (Eltern)

2 Personen (Eltern)
✖️
3 Bewohner in der Wohnung
=
930€ Mietobergrenze für alle

Kommentar nur zum Vergleich: statt 760€ für 3 Personen in einer BG –
Ich bitte Sie, mir diese Mietobergrenze schriftlich zu bestätigen, so dass ich die Angemessenheit auch Vermietern gegenüber nachweisen kann. Sollten Sie anderer Auffassung sein, bitte ich Sie um eine Erklärung ihrer abweichenden Berechnungsweise.

Mit freundlichen Grüßen

Rechtsgrundlage

Urteil des BSG vom 25.4. 2018 – B 14 AS 14/17 R Randnummer 18 -23