Arbeitsagentur-Chef gegen Zwang und Druck gegen Bürgergeld-Bezieher

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Ende März sollen die Totalsanktionen im Bürgergeld im Bundesrat verabschiedet werden. Im Bundestag wurde bereits die Gesetzesänderung beschlossen. Die, die tagtäglich mit Leistungsberechtigten arbeiten, äußern immer häufiger Kritik. Zwang und Druck werden nicht zu mehr Beschäftigung führen, sagt nun auch der Markus Biercher, Geschäftsführer der Regionaldirektion Nord der Arbeitsagentur.

Warum diese Diskrepanz zwischen offenen Stellen und Arbeitslosigkeit?

Die Debatte um das Bürgergeld wird seit Monaten zum Teil heftig geführt. Markus Biercher, Geschäftsführer der Regionaldirektion Nord der Arbeitsagentur, mahnte in einem Interview gegenüber dem NDR zur Versachlichung der Diskussion.

Angesichts von 70.000 Arbeitslosen im Februar und gleichzeitig 16.000 offenen Stellen in Mecklenburg-Vorpommern steht die Frage im Raum, warum diese Diskrepanz existiert.

Wollen viele Leistungsberechtigte also nicht arbeiten und müssen mit Totalsanktionen bedroht werden? Biercher sagt Nein. Er erklärt dies eher mit einem “mismatch”, einem technischen Begriff, der verdeutlicht, dass Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt nicht immer harmonieren.

“Alle Erfahrungen der Vergangenheit haben uns gezeigt, dass mehr Druck und Zwang nicht die richtige Rezeptur ist, um Menschen in Arbeit zu bringen”, mahnt Biercher.

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Ursachen für Arbeitslosigkeit: Stadt-Land-Gefälle und Fachkräftemangel

Biercher identifiziert mehrere Faktoren, die die Situation in seinem Bundesland prägen. Das ausgeprägte Stadt-Land-Gefälle erschwert die Zusammenführung von Arbeitsplatz und Arbeitssuchendem aufgrund geografischer Distanzen.

Zudem herrscht ein Ungleichgewicht zwischen touristisch hochdynamischen Regionen und abgelegenen Binnenlandgebieten. Die Suche nach hochqualifizierten Fachkräften gestaltet sich schwierig, obwohl Fortbildungen und Qualifizierungsmaßnahmen seit Jahren angeboten werden.

Druck und Zwang als Mittel gegen Arbeitslosigkeit?

Während die CDU betont, dass “Fordern” im Vordergrund stehen sollte, warnt Biercher vor einer einseitigen Betonung dieses Aspekts. Er sieht die Erfahrungen der Vergangenheit als klaren Beleg dafür, dass Druck und Zwang nicht die effektive Rezeptur sind, um Menschen in Arbeit zu bringen.

Der Anteil der “notorischen Jobverweigerer” ist laut Biercher verschwindend gering und beträgt seiner Ansicht nach weniger als zwei Prozent.

Die meisten Menschen leiden unter der Arbeitslosigkeit

Für die Mehrheit der Erwerbslosen stellt der Verlust des Arbeitsplatzes ein persönliches Drama dar. Biercher verweist zudem auf Jobsuchende, die aufgrund psychischer Erkrankungen nicht vermittelt werden können.

In diesem Zusammenhang weist er auf die Notwendigkeit eines differenzierten Ansatzes, der die individuellen Lebensumstände der Betroffenen berücksichtigt.

Totalsanktionen und Bezahlkarten

In Bezug auf Vorschläge wie Kürzungen beim Bürgergeld oder die Einführung von Bezahlkarten für Bürgergeldempfänger zeigt sich Biercher ablehnend. “Ich halte davon gar nichts. Für mich hat das auch etwas Diskriminierendes.” Denn die meisten Menschen geraten unverschuldet in die Arbeitslosigkeit.

Die Vorstellung, dass Bürgergeldempfänger beim Einkaufen stigmatisiert würden, lehnt er vehement ab. Biercher plädiert dafür, die Diskussion um niedrigere Bürgergeldsätze sachlich zu führen, indem die Beträge auf Verbraucherstichproben und allgemeine Preisentwicklungen basieren und somit seriös und bedarfsgerecht berechnet werden.

Existenzminimum ist keine Sozialromantik

Biercher stellt klar, dass das Bürgergeld nicht dazu dient, Menschen auf Rosen zu betten, sondern das Existenzminimum zu sichern. Er betont, dass die festgelegten Beträge auf fundierten Daten beruhen und nichts mit Sozialromantik zu tun haben. In einer Zeit intensiver Debatten um Arbeitslosigkeit und Sozialleistungen appelliert Biercher somit für eine differenzierte, sachliche Auseinandersetzung.

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