Hartz IV: “Das A-Z des wichtigen Grundes” – eine interne Arbeitshilfe für Jobcenter?

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Fordert die BA seine Mitarbeiter dazu auf, gegen den Datenschutz zu verstoßen und rechtswidrige Entscheidungen zu treffen?

Harald Thome (vielen Dank an dieser Stelle) hat diese interne Arbeitshilfe der Bundesagentur für Arbeit (BA) für Jobcenter (JC) aufgetan und hier veröffentlicht. Diese wird bereits seit Juni 2017 eingesetzt und beinhaltet wichtige Informationen zur Wahrung der Rechte von Leistungsbeziehern bei Vorliegen eines sog. wichtigen Grundes i.S.d. § 10 SGB II, der Sanktionen ausschließt.

Leider sind darin aber auch mehrere Aufforderungen an die Mitarbeiter der Jobcenter enthalten, gegen den Datenschutz zu verstoßen, bei Leistungsentscheidungen rechtswidrig vorzugehen, oder sie widersprechen eklatant den Fachlichen Weisungen der BA. Darin mag der Grund liegen, warum die BA in dieser Arbeitshilfe die rechtlichen Grundlagen für ihre Aussagen und die von ihr empfohlenen Vorgehensweisen nicht benennt. Die darin enthaltenen und höchst fraglichen Aussagen und Vorgehensweisen werden nachfolgend im Einzelnen dargestellt.

1. Wenn bei einem Anschlussarbeitsplatz keine schriftliche Einstellungszusage des zukünftigen Arbeitgebers (AG) vorliegt, soll das JC direkt bei diesem AG nachfragen. Jedoch gibt es für diese Datenerhebung erkennbar keine rechtliche Grundlage, womit sie klar unzulässig ist.

2. Wenn zur Prüfung einer möglichen Sanktion das Urteil eines Arbeitsgerichts abzuwarten ist, soll das JC stattdessen die Leistung nur vorläufig und bereits um einen möglichen Sanktionsbetrag gemindert bewilligen. Und das JC soll das Urteil des Arbeitsgerichts verlangen (Datenerhebung und -speicherung).

Diese Anweisung widerspricht klar erkennbar den gesetzlichen Regelungen für den Eintritt von Sanktionen (§§ 31 bis 31b SGB II) und für vorläufige Bewilligungen (§ 41a Abs. 1 SGB II) und ist deshalb ganz klar rechtswidrig.
Auch für diese Datenerhebung gibt es erkennbar keine rechtliche Grundlage, womit sie klar unzulässig ist.

3. Die BA sieht die Befristung eines Arbeitsverhältnisses grundsätzlich als “für die Beurteilung der Zumutbarkeit unerheblich” an.

Eine Befristung kann jedoch sehr wohl ausschlaggebend für die Beurteilung der Zumutbarkeit sein. Und zwar immer dann, wenn es darum geht, dass ein befristeter Job für einen schlechter bezahlten aber unbefristeten aufgegeben wird.

4. Zu einem Lohnrückstand führt die BA aus, dass dieser nur dann einen wichtigen Grund für die Aufgabe der Tätigkeit darstellt, wenn der AG über einen längeren Zeitraum mit der Zahlung erheblich in Verzug ist. Was die BA unter einem “längeren Zeitraum” und “erheblich in Verzug” versteht, hat sie jedoch vergessen mit anzuführen, was den praktischen Nutzen dieser Arbeitshilfe offenlässt.

5. Zu Pendelzeiten führt die BA an, das 3 Stunden bei Vollzeitbeschäftigung zumutbar seien.
Diese Arbeitshilfe dürfte in der Praxis zu erheblicher Verwirrung führen, steht sie doch im Widerspruch zu den fachlichen Weisungen der BA zu § 10 SGB II und der Rechtsprechung. Danach gelten im SGB II die gleichen Pendelzeiten wie im SGB III, also:

– bei einer täglichen Arbeitszeit von 6 und weniger Stunden: 2 Stunden Pendelzeit täglich,
– bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als 6 Stunden: 2,5 Stunden Pendelzeit täglich.

Eine Ausnahme davon gibt es nur, wenn – z.B. in ländlichen Gebieten – im Einzelfall längere Pendelzeiten orts- und branchenüblich sind.

Eine tägliche Pendelzeit von 3 Stunden ist somit grundsätzlich erst mal unzulässig und stellt einen wichtigen Grund i.S.d. § 10 SGB II dar.

Übrigends: die Pendelzeit ist die Zeit, die man von der eigenen Haustür bis zum Betriebstor und (nach Feierabend) zurück benötigt. Dazu gehört auch die Wegezeit zu den Haltestellen und die Wartezeit auf öffentliche Verkehrsmittel. (Ottokar, hartz.info)

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