Stilllegungsprämie? Finanzminister will vorgezogene Rente mit 63 abschaffen

Lesedauer 2 Minuten

Bundesfinanzminister Christian Lindner will die Möglichkeit, mit 63 in Rente zu gehen, wieder abschaffen. Er bezeichnet die vorgezogene Rente als „Stilllegungsprämie“ und propagiert „neue Anreize angesichts des Fachkräftemangels“.

Altersarbeit gegen Fachkräftemangel

Laut Lindner fördere die mit 63 Jahren vorgezogene Rente den Fachkräftemangel in Deutschland. Deswegen sollten Arbeitnehmer/innen dazu motiviert werden, so lange wie möglich zu arbeiten.

Er fragt gegenüber der Funke Mediengruppe: „Warum setzen wir nicht Anreize, damit Menschen länger arbeiten wollen – statt die Rente mit 63 zu finanzieren?“ Zudem sagt er, eine „bessere Kinderbetreuung“ könne „ungewollte Teilzeit reduzieren“.

Mehrarbeit für Frauen, Ältere und Sozialleistungsempfänger

Laut Lindner gebe es „Millionen Menschen, die dem Arbeitsmarkt theoretisch zur Verfügung stehen, aber von Sozialleistungen leben. (…) Wir müssen diese Menschen aktivieren, dass sie mindestens mit einem Mini- oder Midi-Job in den Arbeitsmarkt eintreten“

Bürgergeld für Erwerbstätige

Was Lindner nicht erwähnt: Mehr als jeder und jede fünfte, die Bürgergeld beziehen, gehen einer Erwerbstätigkeit nach. Da die Löhne aber zu niedrig sind, um das Existenzminimum zu sichern, müssen die Betroffenen mit Sozialleistungen aufstocken. Sie „stehen“ also nicht „dem Arbeitsmarkt theoretisch zur Verfügung“, sondern arbeiten praktisch in diesem.

Motivation für Rentner

Was Lindner ebenfalls ausklammert, ist die Flexi-Rente seit 2017. Es gibt keine Hinzuverdienstgrenze mehr bei der Altersrente. Wer über die Regelalterszeit hinaus arbeitet, der oder die kann dies soviel tun und dabei so viel verdienen, wie er oder sie möchte und bekommt sogar noch einen Rentenzuschlag.

Was bedeutet Rente mit 63?

Es ist möglich, vorzeitig mit 63 Jahren in Altersrente zu gehen – unter bestimmten Bedingungen. Erstens müssen die Betroffenen mindestens 35 Jahre als Einzahler in die Rentenkasse anerkannt sein, und zweitens bekommen sie für jeden Monat, den sie früher in Rente gehen weniger Geld.

Eine konkrete Rentenart „Rente mit 63“ gibt es allerdings nicht, und auch hier zeigt sich Lindners Agitation als Schaumschlägerei.
Vielmehr existieren im Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) vier Formen der Altersrente: Erstens die Regelaltersrente, zweitens die Altersrente für langjährig Versicherte, drittens die Altersrente für schwerbehinderte Menschen – und viertens die Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Für Angehörige jeder dieser vier Gruppen sind die Konditionen, mit 63 in Rente zu gehen, sehr unterschiedlich.

Unbegrenzter Hinzuverdienst

Wer sich 45 Jahre in der Rentenversicherung befindet, kann grundsätzlich früher in Altersrente gehen. Diese Altersrente für besonders langjährig Versicherte ist ausgesprochen beliebt. 2023 gingen bis September 245.000 Anträge darauf ein, fast 17 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Auch hier erweist sich Lindners Behauptung, die vorgezogene Altersrente sei eine „Stilllegungsprämie“als Schall und Rauch: Ab dem 1. Januar 2023 können Menschen, die ihre Altersrente vorziehen soviel hinzu verdienen, wie sie nur möchten. Sehr viele Rentner/innen gehen einer Erwerbstätigkeit nach. Wer will, der oder die kann arbeiten, bis er oder sie umfällt.

„Neue Anreize“ oder Arbeitszwang?

Die Möglichkeit und die Motivation besteht längst, auch bei vorgezogener Altersrente kompetent als Fachkraft weiterzuarbeiten. Deshalb drängt sich der Verdacht auf, dass es Lindner gerade nicht um „neue Anreize“ geht – sondern im Gegenteil um Zwang zur Arbeit.

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

Wird geladen ... Wird geladen ...