Grundgesetzänderung für 100 Prozent Sanktionen im Bürgergeld notwendig

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Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) möchte ab 2024 “Job-Verweigerern” das Bürgergeld komplett streichen. Damit dieses Vorhaben so umgesetzt werden könnte, also im Fall der Ablehnung eines zumutbaren Jobs das Bürgergeld entzogen werden kann, müsste zuerst das Grundgesetz in Art. 1 Abs. 1 GG sowie Art. 20 Abs. 1 GG geändert werden.

Grundgesetz und SGB II müssten geändert werden

Im Anschluss daran müsste das Sozialgesetzbuch 2 (SGB II) dann so geändert werden, dass eine 100%-Sanktion möglich wäre. Die für eine Grundgesetzänderung erforderliche Zwei-Drittel Mehrheit im Bundesrat haben SPD, FDP und Grüne derzeit nicht.

Bundesverfassungsgericht stellte klar

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat 2019 klargestellt, dass auf das zum Leben unerlässliche aufgrund Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m Art. 20 Abs. 1 GG ein unabdingbares Grundrecht besteht (1 BvL 7/16) und die Höhe dieser Unterstützung mit 70% der Regelleistung zzgl. Kosten für Unterkunft und Heizung konkret benannt. Hilfe in dieser zum Leben unerlässlichen Höhe darf nicht verweigert werden.

Das BVerfG sieht eine Ausnahme lediglich dann, wenn ein nachweislich zumutbarer und tatsächlich verfügbarer Job unmittelbar zur Erzielung von bedarfsminderndem Einkommen führen würde (RdNr. 209 ebd.).

Die Beweislast dafür, dass der Job zumutbar ist und es im Fall einer Bewerbung tatsächlich zu einer Einstellung beim Arbeitgeber gekommen wäre, trägt indes das Jobcenter.

Neuauflage des § 8a SGB II

Bereits mit der Einführung des Bürgergeldes sollte eine solche Regelung als neuer § 8a SGB II aufgenommen werden (Br-Drs. 456/1/22), der inhaltlich jedoch deutlich weiter gefasst war, als die Aussage des BVerfG es zuließe und zudem auf die Gesinnung abstellte, anstatt (wie das BVerfG) auf tatsächliche und unmittelbare Fakten. Aufgrund der rechtlichen Hürden bei der praktischen Anwendung wurde § 8a damals folgerichtig verworfen.

Offenbar plant Hubertus Heil nun eine Neuauflage des § 8a SGB II. Das erklärte Ziel der SPD ist dabei, jährlich 170 bis 250 Millionen Euro einzusparen.

Warum die Kehrtwende beim Bürgergeld?

Warum diese 180 Grad Wende beim Bürgergeld? Bekanntermaßen benötigt der Bundeshaushalt dringend Geld. Aus dem gleichen Grund soll auch das Förderinstrument Bürgergeldbonus (§ 16j SGB II) wieder abgeschafft werden.

Update vom Autor 02.01.2024
Ich wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass eine Änderung der Art. 1 und 20 GG in Art. 79 Abs. 3 GG ausgeschlossen wurden. Das ist natürlich korrekt, aber Art. 79 Abs. 3 GG darf geändert werden. Es spricht also nichts dagegen, zunächst den Verweis auf Art. 1 und 20 aus Art. 79 Abs. 3 GG zu streichen und erst danach Art. 1 und 20 GG zu ändern.

Aber es geht noch viel einfacher, denn stattdessen könnte man auch einen neuen Artikel ins GG einführen, welcher für das aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m Art. 20 Abs. 1 GG resultierende sog. Sozialstaatsgebot Ausnahmen benennt. Daran wäre im Anschluss auch das BVerfG gebunden.

In vielen Presseartikeln zu diesem Thema wird fälschlich behauptet, lt. BVerfG reiche die Ablehnung der “Aufnahme einer angebotenen zumutbaren Arbeit” für eine Totalsanktion aus.

Tatsächlich hat das BVerfG aber klar formuliert, dass darüber hinaus nachweislich die konkrete Möglichkeit bestehen muss, durch diese Arbeit existenzsicherndes Einkommen zu erzielen. Lt. BVerfG muss dieses Einkommen sogar zum Wegfall des Leistungsanspruches führen, um eine komplette Leistungseinstellung zu rechtfertigen.

Reicht dieses Einkommen nicht zur Bedarfsdeckung, darf demgemäß die Leistung auch nur teilweise versagt werden.