In den letzten Monaten hat eine Diskussion um die Auszahlung pauschaler Zuschläge für Erwerbsminderungsrentner entwickelt. Diese Debatte wurde durch die Ankündigung einer Gesetzesreform angestoßen, die zum 1. Juli 2024 in Kraft treten soll. Rechtsanwalt und Rentenberater Peter Knöppel hat zu diesem Thema wichtige Informationen und Einschätzungen geteilt, die wir im Folgenden aufgreifen und erörtern.
Die geplante Reform
Zum 1. Juli 2024 ist eine wichtige Änderung im Bereich der Erwerbsminderungsrente, auch EM-Rente genannt, geplant. Die Neuregelung sieht vor, Bestandsrentnern pauschale Zuschläge zu gewähren.
Wer eine Erwerbsminderungsrente bezieht, soll sich eigentlich ab dem 1. Juli 2024 über deutlich höhere monatliche Zahlungen freuen. Das sieht das RV-Anpassungs- und Erwerbsminderungsrenten-Bestandsverbesserungsgesetz vor.
Wie stark soll die Erwerbsminderungsrente steigen?
Eine Erwerbsminderungsrente, die zwischen 2001 und dem ersten Halbjahr 2014 begonnen hat, wird um 7,5 Prozent erhöht. Statt 1.000 Euro gibt es dann 1.075 Euro. Wer zwischen Juli 2014 und Dezember 2018 in Rente gegangen ist, erhält einen Zuschlag von 4,5 Prozent, also 1.045 Euro statt 1.000 Euro.
Wen betreffen die Änderungen?
Betroffen sind rund drei Millionen Rentnerinnen und Rentner. Dazu gehören alle, deren Erwerbsminderungsrente zwischen 2001 und 2018 begonnen hat. Hinzu kommen alle, die eine laufende Alters- oder Hinterbliebenenrente beziehen und unmittelbar davor eine Erwerbsminderungsrente erhalten haben.
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Für wen gilt die neue Regelung ab 2024?
Nach der Neuregelung erhalten Bestandsrentner, die zwischen dem 1. Januar 2001 und dem 31. Dezember 2018 erstmals eine EM-Rente bezogen haben, einen Zuschlag. Die Verbesserungen für Erwerbsminderungsrenten sind auf den Zeitraum 2001 bis 2018 begrenzt. Die Umsetzung erfolgt laut Gesetz ab dem 1. Juli 2024.
Die Erhöhung der Erwerbsminderungsrente erfolgt pauschal in zwei Gruppen:
1. Wer zwischen dem 1. Januar 2001 und dem 30. Juni 2014 erstmals eine EM-Rente bezogen hat, erhält einen Zuschlag von 7,5 Prozent. Beispiel: Petra Müller bezieht seit dem 1. März 2005 eine Erwerbsminderungsrente in Höhe von 800 Euro brutto. Durch die Änderung erhält sie 60 Euro brutto mehr.
2. Wer zwischen dem 1. Juli 2014 und dem 31. Dezember 2018 erstmals eine EM-Rente bezieht, erhält einen Zuschlag von 4,5 Prozent. Beispiel: Peter Meier bezieht seit dem 1. November 2016 eine Erwerbsminderungsrente in Höhe von 800 Euro brutto. Durch die Änderung erhält er 36 Euro brutto mehr.
Diese Verbesserungen gelten auch für Altersrentner, die zuvor eine EM-Rente bezogen haben, sowie für Hinterbliebene, die eine Witwen- oder Witwerrente erhalten.
Beispiele:
Thomas Müller bezieht seit 2013 eine Erwerbsminderungsrente, die 2020 in eine Altersrente umgewandelt wird. Auf diese erhält er nun einen Zuschlag von 7,5 Prozent. Heide Lorenz bezieht eine Hinterbliebenenrente. Ihr verstorbener Mann hat seit 2015 eine Erwerbsminderungsrente bezogen. Heide Lorenz erhält einen Zuschlag von 4,5 Prozent zu ihrer Witwenrente.
Zuschlag zur Erziehungs- und Hinterbliebenenrente
Einen pauschalen Zuschlag gibt es auch bei Erziehungs- und Hinterbliebenenrenten, bei denen Zeiten in der Rente angerechnet werden. Auch für diese gilt der Zuschlag, wenn die Rente zwischen 2001 und 2018 begonnen hat und keine eigene Rente bezogen wurde.
Kommt der Zuschlag rechtzeitig?
Allerdings kam diese Nachricht in den letzten Tagen unerwartet: Die Deutsche Rentenversicherung und die zuständigen Institutionen der gesetzlichen Rentenversicherung sehen sich mit einem erheblichen Problem konfrontiert. Sie sind nicht in der Lage, die versprochenen Rentenerhöhungen für etwa 3 Millionen Menschen termingerecht am 1. Juli 2024 zu leisten.
Um dieses Problem zu lösen, musste das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bereits im März 2024 eingreifen und ein neues Gesetz einführen, bekannt als das EM-Bestandsrentenverbesserungsauszahlungsgesetz.
Dieses Gesetz soll nun sicherstellen, dass die versprochenen zusätzlichen Rentenleistungen an rund 3 Millionen Empfänger, die entweder eine Erwerbsminderungsrente oder eine Hinterbliebenenrente erhalten, rechtzeitig ausgezahlt werden. Trotz klarer Lösungswege und der offensichtlichen Notwendigkeit schnellen Handelns, wird die Frage der Rentenauszahlungen wieder nur diskutiert.
Mängel in der Organisation und viel Bürokratie
Die Tatsache, dass die Deutsche Rentenversicherung die Zuschläge nicht wie geplant auszahlen kann, offenbart tiefgreifende organisatorische und technische Mängel innerhalb der bestehenden Strukturen.
Der Rentenexperte fragt nun, warum die Auszahlung der Rentenzuschläge nicht einfach durch den Rentenservice der Deutschen Post erfolgen kann. Stattdessen werden wieder bürokratischen Hürden aufgebaut. Der Rechtsanwalt fordert daher eine Vereinfachung des Auszahlungsprozesses.
Die Betroffenen erwarten zurecht, dass die zugesagten Zuschläge ohne weitere Verzögerungen ausgezahlt werden, sagt der Experte. Es ist an der Zeit, dass alle Beteiligten – von den gesetzlichen Rentenversicherungsträgern bis hin zum Rentenservice der Deutschen Post – zusammenarbeiten, um die Auszahlungen so effizient und reibungslos wie möglich zu gestalten.
Der “Burner” im Bundestag
Nun wollen Vertreter verschiedener Institutionen, wie zum Beispiel ie Deutsche Rentenversicherung und der Postrentenservice am 8. April 2024 darüber diskutieren, wie der Rentenzuschlag nun doch noch pünktlich zum 1. Juli realisiert werden kann.
Knöppel fragt zurecht, warum über die pünktliche Auszahlung noch diskutiert werden muss. “Es müssen Lösungen her”, sagt der Rentenberater in einem aktuellem Videobeitrag. Das Treffen wirft zudem die Fragen auf, warum die eigentlichen Betroffenen, die Erwerbsminderungsrentner, nicht direkt an der Diskussion beteiligt werden.
Es bleibt zu hoffen, dass die Auszahlung des dringend benötigten Zuschlags noch am 1. Juli stattfinden kann und nicht noch weitere Monate bis zur Umsetzung vergehen müssen.
Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht, Gesundheitsprävention sowie bei gesellschaftspolitischen Themen. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und engagiert sich politisch für Armutsbetroffene.