3200 EUR Bürgergeld-Anspruch für eine Familie mit 2 Kindern?

Lesedauer 3 Minuten

In der Diskussion um das Bürgergeld werden von politischer Seite, aber auch in den Medien immer wieder Zahlen genannt, die vermeintlich belegen sollen, dass die Regelleistungen zu hoch sind. Da die Berechnung des Bürgergeldanspruchs teilweise recht komplex ist, kommt es dabei immer wieder zu Falschaussagen und Fehlberechnungen, mit denen wir aufräumen möchten. So auch von Friedrich Merz (CDU).

“Es sind 1,7 Millionen Arbeitslose, die arbeiten könnten. Und es sind ja nicht nur die direkten Zahlungen, auf die eine Person, sondern es kommt dazu für die Familienangehörigen ein ähnlicher Betrag. Es kommt dazu die kompletten Kosten für das Wohnen und Heizen und es sind dann ungefähr 3200€ im Monat für eine 4-köpfige Familie mit den Sachleistungen, die dazu kommen. Und wer 3200€ Netto im Monat haben will, der muss verdammt viel Brutto verdienen, damit er darauf kommt.”

Friedrich Merz im Morgenmagazin am 1.2.2024
Abrufbar in der ARD-Mediathek (0:46-1:18)

Faktencheck

1. 3200€ Bürgergeld
2. Berechnung, was verdient werden muss, damit tatsächlich 3200€ in der Haushaltskasse sind.
3. Lohnabstand 200€?

1. 3200€ Bürgergeld?

Behauptung: 4-köpfige Familie bekommt 3200€ Bürgergeld, dann kommen logischerweise noch 500€ Kindergeld hinzu.

3200€ Bürgergeld
+500€ Kindergeld
—–
3700€ Bedarf

2x 506€ Regelbedarf Eltern
2×471€ maximaler Regelbedarf Kinder
2x 20€ Kindersofortzuschlag
——
1994€ Regelbedarf + Kindersofortzuschlag

1994€ Regelbedarf + Kindersofortzuschlag
XYZ€ Wohnkosten
—–
3700€

Dafür müsste die Warmmiete bei 1706€ (ohne Strom) liegen.

Das ist angesichts der Mietobergrenzen absolut unrealistisch.

Laut Statistik der BA lagen bei 4köpfigen BGs die durchschnittlichen Wohnkosten in 09/2023 bei 848,22€ also bei ca. der Hälfte des angesetzten Betrags. Friedrich Merz liegt also durchschnittlich um mindestens 858€, bei jüngeren Kindern mit nur 357€ Regelbedarf sogar um bis zu 1086€ daneben.

2. Berechnung des notwendigen Einkommens um tatsächlich 3200€ Haushaltseinkommen zu erreichen

Da dies abhängig von den Wohnkosten ist, werde ich dies anhand von Wohngeldstufen 1,3 und 6 berechnen und den Wohngeld-Höchstbetrag für Miete + 100€ Heizung berücksichtigen.

Wohngeldstufe 1:
(568€ Bruttokalt + 100€ Heizkosten)

Brutto 2000€ =
1596€ Netto
500€ Kindergeld
509€ Wohngeld
584€ Kiz
——-
3189€ in der Haushaltskasse

Wohngeldstufe 3:
(716€ Bruttokalt + 100Hzg)

Brutto 1800€ =
1451€ Netto
500€ Kindergeld
672€Wohngeld
584€ Kiz
——-
3207€ in der Haushaltskasse

Wohngeldstufe 6:
(968€ Bruttokalt + 100Hzg)

Brutto 300€ =
289€ Netto
500€ Kindergeld
2413€ Bürgergeld
——-
3202€ in der Haushaltskasse

300 bis 2000€ sind für Friedrich Merz also “verdammt viel Brutto”? Okay – man könnte ihn ja aber auch noch anders verstehen: Er meint 3200€ Einkommen + 500€ Kindergeld also 3700€ Haushaltskeinkommen.

3. Berechnung des notwendigen Einkommens um tatsächlich 3700€ Haushaltseinkommen zu erreichen

Falls Herr Merz tatsächlich den Vergleich mit 3200€ meinte und noch 500€ Kindergeld hinzu kommen, auch hier noch die Kalkuliation für die Wohngeldstufe 6.

Wohngeldstufe 6:
(968€ Bruttokalt + 100Hzg)

Brutto 2500€ =
1995€ Netto
500€ Kindergeld
655€ Wohngeld
584€ Kiz
——-
3734€ in der Haushaltskasse

In Wohngeldstufe 3 wären für 3700€ Haushaltseinkommen 3000€ Brutto erforderlich.
Dann wären nach Zahlung der Warmmiete 2884€ in der Haushaltskasse (890-1123€ mehr als mit Bürgergeld)

In Wohngeldstufe 1 wären für 3700€ Haushaltseinkommen 4200€ Brutto erforderlich. Dann wären nach Zahlung der Warmmiete 3032€ in der Haushaltskasse (1037-1265€ mehr als mit Bürgergeld.

Dann wären wir bei 2500€ bis 3700€ Bruttoeinkommen, das erfordlich wäre. Dann hat die Lebenssituation aber auch mit 672€ bis 1265€ mehr nicht mehr viel mit der eines Bürgergeldempfängers zu tun.

Zumal jede dieser durchgerechneten Familien durch Wohngeld und Kinderzuschlag Anspruch auf die gleichen Entlastungen aus Bildung und Teilhabe und die Gebührenbefreiung für den Kindergarten hätte. Das wäre selbst bei Wohngeldstufe 1 bis 4500€ Brutto der Fall.

Fazit

Die Darstellung von Friedrich Merz hat nichts mit der Realität zu tun. Weder erhält eine 4-köpfige Familie mit durchschnittlichen Wohnkosten 3200€ Bürgergeld. Noch braucht es “verdammt viel Brutto” um 3200€/3700€ Haushaltseinkommen zu erreichen.

Zum Unterschied von 200€ mit und ohne Arbeit:
Wenn die Familie Wohngeld/KiZ erhält, liegt der Abstand bei 672-1265€ im Monat. Außerdem könnte der Arbeitgeber ja mit den 200€ konfrontiert auch feststellen, dass er zu schlecht bezahlt und den Lohn erhöhen.

Wenn die Unionsparteien wirklich für mehr Leistungsgerechtigkeit sorgen wollte, würden sie nicht gegen das Bürgergeld hetzen, sondern würden:

1. Über ergänzende Sozialleistungsansprüche informieren.
2. Für einen höheren Lohn einstehen.

So ist es nur eine Meldung mit gelogenen Zahlen.

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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