Bürgergeld: Renovierungskosten vom Jobcenter erstatten lassen

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Beim Einzug in eine neue Wohnung oder beim Auszug aus der alten Wohnung müssen Mieterinnen und Mieter oft eine Renovierung der Wohnung durchführen. Auch wer lange Zeit in der gleichen Wohnung lebt, muss gegebenenfalls von Zeit zu Zeit Schönheitreparaturen durchführen. Das Bürgergeld (ehemals Hartz IV) reicht meistens jedoch nicht, um solche Renovierungskosten selbst zu tragen. Welche Kosten das Jobcenter übernimmt und was dabei zu beachten ist, erfahren Sie in diesem Artikel.

Was wurde im Mietvertrag vereinbart?

Wann und wie oft ein Mieter oder eine Mieterin eine Renovierung durchführen muss, wird in der Regel im Mietvertrag vereinbart. Enthält dieser eine Klausel, nach der die Mietenden verpflichtet sind, Renovierungsarbeiten durchzuführen, so sind die Bewohner der Unterkunft unter Umständen verpflichtet, die Kosten dafür zu tragen. Dies kann nicht nur beim Ein- oder Auszug, sondern auch während der Mietzeit der Fall sein.

Beantragen Sie Renovierungskosten!

Das Jobcenter zahlt jedoch nicht automatisch die Renovierungskosten. In zwei Fällen können Sie aber die Übernahme von Renovierungskosten beantragen:

  • Ihr Mietvertrag verpflichtet Sie, beim Auszug Schönheitsreparaturen durchzuführen oder
  • Schönheitsreparaturen sind beim Bezug Ihrer Wohnung nötig, um die Wohnung bewohnbar zu machen.

Das Jobcenter muss in diesen Fällen die Kosten übernehmen, wenn sie wirklich entstanden und angemessen sind. Sie werden über den § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II abgedeckt. Das Jobcenter hat zwar schon versucht, da anders zu argumentieren, aber dem hat das Bundessozialgericht (BSG) 2008 einen Riegel vorgeschoben (Az.: B 4 AS 49/07 R). Das Gericht hat klargestellt: Zu übernehmen sind die Kosten, wenn sie wirklich entstanden und auch angemessen sind.

Angemessene Kosten muss das Amt zahlen

Es wird also nur übernommen, was Sie wirklich ausgegeben haben. Soweit kein Problem. Anders sieht es mit der Angemessenheit aus. Was angemessen ist, entscheidet nämlich im Zweifel Ihr Sachbearbeiter nach Gusto.

Das BSG hat jetzt klarer formuliert, was bei Renovierungskosten angemessen ist. Angemessen ist nämlich, was “zur Herstellung des Standards einer Wohnung im unteren Wohnungssegment erforderlich” ist. Das muss zwar noch einmal je nach Region durch Sachverständigengutachten vor Gericht geklärt werden, schiebt aber zumindest der totalen Willkür beim Jobcenter einen Riegel vor.

Sie müssen aber nicht selbst vor Gericht ziehen, sondern Sie können Ihr Jobcenter auf ein Gutachten hinweisen, das schon einmal vor Gericht zugelassen wurde. Der Hintergrund: Laut Zivilprozessordnung darf ein Sachverständigengutachten aus einem Verfahren auch in anderen Verfahren verwendet werden (§§ 118 SGG, 411a ZPO).

Beispielgutachten für Renovierungskosten

Hier haben wir die wichtigen Punkte aus einem gerichtlichen Gutachten, das Sie bei Ihrem nächsten Umzug gerne als Referenz angeben können, um Renovierungskosten bezahlt zu bekommen. Das Gutachten kommt vom Sachverständigen für Maler- und Lackiererhandwerk Michael Huschens, den die Handwerkskammer Düsseldorf öffentlich bestellt und vereidigt hat. Das Gutachten hat das Sozialgericht Duisburg in dem Verfahren S 27 AS 502/08 eingeholt.

Das Gericht wollte einen Nachweis darüber, wie teuer es wirklich ist, wenn man selbst eine Renovierung bzw. Schönheitsreparatur erledigt. Berücksichtigt werden also Kosten für Tapeten oder Farben und Arbeitsmaterial wie Farbrollen, Pinsel, Kleister, Abdeckfolie und Lacke für Heizungen und Türen.

Berechnungsformel für Maler- und Lackierarbeiten

Das Gutachten rechnet genau aus, welche Kosten für einen Baumerkteinkauf bei einem der gängigen Baumärkte wie Toom, Obi oder Bauhaus entstehen und hat auch eine Formel für unterschiedliche Flächengrößen und unterschiedliche Anzahlen von Heizungen, Türen etc.:

Kosten für Streichen und Tapezieren bei unterschiedlichen Flächengrößen:

Grundkosten für Material unabhängig von Fläche Materialkosten bei bis zu 30 qm Materialkosten bei über 30 qm Materialkosten zusätzlich bei Raumhöhen ab 2,71 m Materialkosten bei Raumhöhen ab 2,91 m Materialkosten bei Raumhöhen ab 3,21 m
Transport 8,00 EUR Nur Zahlung der Grundkosten Nur Zahlung der Grundkosten Nur Zahlung der Grundkosten Nur Zahlung der Grundkosten Nur Zahlung der Grundkosten
Tapezieren mit Raufaser incl Kleister und Wandfarbe 38,29 EUR 107,15 EUR 3,37 EUR pro zusätzlichem qm 12,5 % 22 % 30 %
Tapezieren mit Dekortapete incl Kleister 38,29 EUR 75,31 EUR 2,43 EUR pro zusätzlichem qm 12,5 % 22 % 30 %
Decke streichen 29,20 EUR 6,99 EUR 0,15 EUR pro zusätzlichem qm 12,5 % 22 % 30 %
Wand streichen 29,20 EUR 13,98 EUR 0,60 EUR pro zusätzlichem qm 12,5 % 22 % 30 %
Abdecken 10,53 EUR Nur Zahlung der Grundkosten Grundkosten plus ,065 EUR pro zusätzlichem qm

Für jeden Renovierung entstehen Grundkosten zum Transport des Materials von 8,00 Euro.

Kosten für Lackierarbeiten:

Grundkosten für Material unabhängig von Fläche Für die ersten drei Türen bzw. Heizkörper bzw 30 qm Über drei Türen bzw. Heizkörper bzw. 30 qm
Transport 8,00 EUR Nur Zahlung der Grundkosten Nur Zahlung der Grundkosten
Türanstrich 17,98 EUR 15,31 EUR 7,66 EUR pro weiterer Tür
Heizkörperanstrich 17,98 EUR 14,98 EUR 7,49 pro weiterem Heizkörper
Abdecken 10,53 EUR Nur Zahlung der Grundkosten Grundkosten plus ,065 EUR pro zusätzlichem qm

Geld für Tapeziertisch, Leiter, Zangen, Hammer, Schraubendreher ist nicht mit eingerechnet.

Geld für Bodenbelag gibt es zusätzlich

Zu Kosten für Bodenbelag und Fußleisten finden sich im Gutachten leider keine Ausführungen, so dass hier nicht jede Art von Renovierungsarbeiten abgedeckt ist. Geld dafür müssen Sie also gesondert beantragen. Wenn Sie aus gesundheitlichen oder anderen Gründen die Arbeiten nicht selbst erledigen können, können zusätzlich Kosten für Helfer entstehen. Renovierungskosten können Sie formlos beantragen.

Update: Leistungsberechtigte haben vor Gericht erfolgreich durchgesetzt, dass die Jobcenter ihrer Verpflichtung nachkommen und Renovierungskosten erstatten. Die rechtlichen Grundlagen, die Sie hier finden, sind im Wesentlichen noch immer aktuell.

Inzwischen zahlt das Jobcenter meist ohne große Diskussionen, weil die tatsächliche Rechtslage langsam auch bis zu den Verwaltungsanweisungen der Sachbearbeiter durchgesickert ist. Halten Sie sich an die beschriebene Vorgehensweise, dann sollten Sie wenig Stress mit dem Jobcenter bekommen.

Wie viel zahlt das Jobcenter für Renovierungen?

Wie viel das Jobcenter für eine Renovierung zahlt ist abhängig von den tatsächlich entstandenen Kosten – denn nur diese werden auch erstattet, sofern sie angemessen sind. Die Bürgergeld-Empfangende, die eine Renovierung durchführen, sind daher angehalten, die Materialien kostengünstig zu beschaffen.

Letztlich entscheiden die Sachbearbeitenden in der Leistungsabteilung des Jobcenters, ob die Kosten angemessen sind oder nicht. Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass bei einer Renovierung die Herstellung eines Wohnstandards im unteren Segment „angemessen” ist. Für folgende Materialen übernimmt das Jobcenter in der Regel die Kosten:

  • Wandfarbe
  • Deckenfarbe
  • Tapeten
  • Lackfarben für Türen und Heizkörper
  • Materialen wie Pinsel, Abdeckplanen usw.
  • Spachtelmasse zum Füllen der Bohrlöcher

Umzug muss vom Jobcenter genehmigt sein

Vor dem Umzug muss das Jobcenter den Wohnungswechsel jedoch bewilligt haben. Bei einem Umzug ohne Zustimmung werden oft weder die Umzugskosten noch die Renovierungskosten übernommen. Daher sollte vorher sichergestellt sein, dass der Leistungsträger dem Umzug zustimmt.

Antrag für die Übernahme von Renovierungskosten stellen

Es gibt kein Formular für die Beantragung der Übernahme von Renovierungskosten. Bürgergeld-Empfangende müssen daher selbst ein entsprechendes Schreiben aufsetzen. Darin sollte beschrieben werden, warum eine Renovierung notwendig ist. Zudem sollte erwähnt werden, dass die Renovierung im Mietvertrag vorgeschrieben ist.

Darüber hinaus sollte eine Aufstellung der Kosten und des benötigten Materials enthalten sein. Ein Antrag auf die Übernahme von Renovierungskosten bei einem Einzug in eine neue Wohnung könnte beispielsweise folgendermaßen aussehen:

Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit setzte ich Sie in Kenntnis, dass eine Renovierung für die Wohnung in der Musterstraße 13 ansteht, die ich am 01.01.2024 beziehen werde. Die Wohnung ist leider in einem unangemessenen Zustand, sodass ein Einzug ohne Renovierung nicht angemessen ist. Damit die Wohnung auf einen unteren Wohnstandard gebracht werden kann, beantrage ich daher die Übernahme der anstehenden Materialkosten. Ich benötige voraussichtlich folgende Materialien für die Renovierungsarbeiten:

  • Wandfarbe; Kosten: circa 60 Euro
  • Farbpinsel; Kosten: circa 5 Euro
  • Farbrolle; Kosten: circa 10 Euro
  • Farbschale; Kosten: circa 15 Euro
  • Abklebeband; Kosten: circa 5 Euro
  • Teleskopstange; Kosten: circa 10 Euro
  • Heizkörperlack; Kosten: circa 10 Euro
  • Stehleiter; Kosten: circa 40 Euro

Eine Kopie der Rechnung für die oben genannten Materialen liegt diesem Schreiben bei.
Mit freundlichen Grüßen

Dürfen Handwerker mit der Renovierung beauftragt werden?

Eine Kostenübernahme von Malern oder Handwerkern ist in dem SGB II pauschal nicht vorgesehen. Es gibt jedoch eine Ausnahme: Wenn die Antragstellenden nachweisen können, dass die Renovierungsarbeiten aus gesundheitlichen Gründen oder wegen einer körperlichen Behinderung nicht selbst ausgeführt werden können, dann übernimmt das Jobcenter die Kosten für einen Handwerker. Dies sollte in dem Antrag entsprechend aufgeführt, begründet und nachgewiesen werden.

Wann werden Schönheitsreparaturen fällig?

Viele Mieterinnen und Mieter haben eine sogenannte Schönheitsreparaturklausel im Mietvertrag. Diese besagt, dass die einzelnen Räume der Wohnung in einem bestimmten Turnus renoviert werden sollten. Angemessene Fristen sind:

  • Küche, Bad und Dusche alle 3 bis 5 Jahre
  • Wohnräume, Schlafräume, Flur, Diele und Toilette alle 5 bis 8 Jahre
  • andere Nebenräume alle 7 bis 10 Jahre

Solche Schönheitsreparaturklauseln in Mietverträgen sind nach Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGH) jedoch nur dann gültig, wenn den Mietenden flexible Fristen vorgegeben werden. So soll sichergestellt werden, dass Renovierungen nur dann ausgeführt werden müssen, wenn ein Raum auch wirklich renoviert werden muss.

Quellen:

Urteil des Bundessozialgerichts

Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf

Sozialgesetzbuch II (SGB II)

Sozialgerichtsgesetz (SGG)

Zivilprozessordnung