Das Bundessozialgericht hat ein Urteil gefรคllt, das fรผr Witwen und Witwer enorme finanzielle Auswirkungen haben kann. Demnach gilt jetzt ein steuerlicher Verlustvortrag nicht als Witweneinkommen (Urteil Aktenzeichen B 5 R 3/23โฏR).
Was heiรt das konkret?
Hat die zustรคndige Finanzverwaltung einen Verlustvortrag anerkannt, dann bleibt dieser trotzdem bei dem Arbeitseinkommen unberรผcksichtigt, dass auf eine Witwenrente angerechnet wird. Das Bundessozialgericht beharrt damit auf seinem Standpunkt zum ยง 18a Absatz2a SGB VI.
Wie ist die Anrechnung von Einkommen bei Witwenrenten begrรผndet?
Die Einkommensanrechnung bei der Rente fรผr Witwen, Witwer und Hinterbliebene soll alle Arten von Erwerbseinkommen einbeziehen.
Zum einen soll die Witwenrente den Verlust des Einkommens des Verstorbenen fรผr die Hinterbliebene dรคmpfen. Zum anderen wird das Einkommen der Hinterbliebenen / des Witwers teilweise angerechnet, weil und wenn die Betroffenen sich mit eigenen Mitteln selbst unterhalten kรถnnen.
Kurz gesagt: Wer sich gut mit eigenem Einkommen versorgen kann, darf kein Witwenrente erwarten – wer sich teilweise mit eigenem Einkommen versorgen kann, kann mit einer teilweisen Witwenrente rechnen.
Es geht um das verfรผgbare Einkommen
Das Bundessozialgericht stellte jetzt klar, dass angerechnetes Einkommen bei der Witwenrente nur verfรผgbares Einkommen sein kann – also Einkommen, dass die Betroffenen tatsรคchlich nutzen kรถnnen.
Im konkreten Fall urteilte das Gericht: Wenn eine Hinterbliebene berechtigt ist, Einkommenssteuerpflicht durch das Einreichen negativer Einkรผnfte zu mindern, die teilweise weit zurรผckliegen, dann hat dies nichts mit der tatsรคchlichen Verfรผgbarkeit รผber das Einkommen zu tun.
Deshalb dรผrfen entsprechende rechtliche Mรถglichkeiten nicht auf die Witwenrente angerechnet werden.
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Wonach bemisst sich Einkommensanrechnung bei Hinterbliebenenrenten?
Laut dem Bundessozialgericht gilt beim angerechneten Einkommen auf Witwenrenten das
Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) ยง 18a Art des zu berรผcksichtigenden Einkommens.
Diesem zufolge mรผssen bei Renten wegen Todes folgende Einnahmen als Einkommen berรผcksichtigt werden: Erwerbseinkommen; Erwerbsersatzeinkommen; Vermรถgenseinkommen; Elterngeld; Aufstockungsgelder und Zuschlรคge; Gewinne aus Land- wie Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieben und aus selbststรคndiger Arbeit.
Worum ging es?
Die Klรคgerin hatte erfolglos vor dem Sozialgericht und Landessozialgericht geklagt und eine Revision vor dem Bundessozialgericht erwirkt. Seit 1992 erhรคlt sie eine Witwenrente von der beklagten Rentenversicherung. Zwischen 2007 und 2026 erwirtschaftete sie als Schaustellerin positive Einkรผnfte.
Das Finanzamt hatte nach einem Verlustvortrag negative Einkรผnfte der Vergangenheit abgezogen und deshalb die Einkommenssteuer auf Null gesetzt. Die Rentenversicherung berรผcksichtigte diese negativen Einkรผnfte jedoch nicht und forderte fรผr 2007 bis 2016 12.600 Euro von der Betroffenen zurรผck – fรผr die positiven Einkรผnfte aus dem Gewerbe.
Das Bundessozialgericht bestรคtigte jetzt, dass der Verlustvortrag keine Bedeutung fรผr die Witwenrente hat. Die Betroffene muss die Rรผckforderung also bezahlen.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universitรคt Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen fรผr ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.