Witwenrente abgelehnt weil der Mann rauchte

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Die Entscheidung des Landessozialgerichts Hessen zeigt, welche Tragweite persรถnliche Lebensgewohnheiten bei der Anerkennung einer Berufskrankheit haben kรถnnen.

Obwohl der verstorbene SchweiรŸer wรคhrend seiner Arbeit zweifellos hohen Schadstoffbelastungen โ€“ etwa durch Chrom, Nickel und Asbest โ€“ ausgesetzt war, fรผhrten seine jahrzehntelangen Rauchgewohnheiten letztlich dazu, dass sein Lungenkrebs nicht als berufsbedingte Erkrankung anerkannt wurde.

Die Gerichte legten dar, dass sein Konsum von etwa 20 Zigaretten am Tag รผber 30 Jahre hinweg die entscheidende Rolle bei der Entstehung des bรถsartigen Tumors spielte. In der juristischen Abwรคgung hatte der beruflich bedingte Einfluss deshalb ein geringeres Gewicht als das Rauchen selbst.

Belastungen am Arbeitsplatz

Die Arbeit als SchweiรŸer in einem Stahlwerk zwischen 1977 und 1985 ist aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht durchaus mit einem erhรถhten Risiko fรผr Lungenkrankheiten verbunden.

Denn Chrom, Nickel-Stรคube und auch Asbest werden in Forschung und Praxis immer wieder als relevante Risikofaktoren fรผr das Entstehen von Lungenkrebs benannt. Bereits in den 1980er-Jahren zeigten sich beim spรคter Verstorbenen erste Symptome einer chronischen Lungenerkrankung.

Als die Diagnose Lungenkrebs im Jahr 2004 gestellt wurde, lag es nahe, einen Zusammenhang zwischen der langjรคhrigen Tรคtigkeit in schadstoffbelasteter Umgebung und der Erkrankung zu vermuten.

Der Fall zeigt jedoch, dass Gerichtsgutachten den Einfluss der beruflichen Schadstoffe genau mit anderen Risikofaktoren abgleichen. Hier schรคtzten die medizinischen Sachverstรคndigen den Faktor Rauchen so hoch ein, dass eine Berufskrankheit im juristischen Sinne ausgeschlossen wurde.

Wieso kam es zunรคchst dennoch zu einer Anerkennung der Krankheit?

Das Sozialgericht GieรŸen hatte in erster Instanz im Jahr 2009 eine andere Perspektive eingenommen und der Witwe recht gegeben. Es erkannte die erheblichen Schadstoffexpositionen am Arbeitsplatz als ausschlaggebend an und bewertete die Minderung der Erwerbsfรคhigkeit (MdE) als so hoch, dass dem Verstorbenen letztlich eine 100%ige MdE zugesprochen wurde.

Die Berufsgenossenschaft akzeptierte dieses Urteil jedoch nicht und ging in Berufung. Das Landessozialgericht Hessen ordnete schlieรŸlich erneute Begutachtungen an, unter anderem durch Lungenspezialisten. Diese Sachverstรคndigen fรผhrten die langjรคhrigen Rauchgewohnheiten detailliert auf und setzten sie in Relation zu den tatsรคchlich gemessenen, allerdings wohl nicht รผberschrittenen, Grenzwerten fรผr Schadstoffe am Arbeitsplatz. Am Ende dieser Neubewertung wurde das Rauchen als Hauptauslรถser bezeichnet.

Was bedeutete das Urteil fรผr die Witwe des Verstorbenen?
Die Konsequenzen fรผr die Witwe sind weitreichend. Hรคtte das Gericht das Lungenkarzinom als Berufskrankheit bestรคtigt, so wรคre sie finanziell besser gestellt gewesen.

Nach dem Tod ihres Mannes hรคtte sie bei einer anerkannten Berufskrankheit mit einer Verletztenrente und entsprechenden Nachzahlungen rechnen kรถnnen. Da das Urteil nun besagt, dass in diesem speziellen Fall das Rauchen des Verstorbenen die Ursache von grรถรŸter Bedeutung war, wurde ihr Anspruch auf Leistungen aus der Unfallversicherung abgelehnt.

Diese Entscheidung kann nicht nur eine spรผrbare finanzielle Belastung bedeuten, sondern sorgt auch fรผr eine emotionale Enttรคuschung. Denn der Kampf um die Anerkennung einer Krankheit, die scheinbar im Beruf wurzelt, erweist sich als komplexer, als es zunรคchst erscheinen mag.

Inwieweit beeinflussen persรถnliche Risiken eine Berufskrankheit?

Das Urteil zeigt, wie stark persรถnliche Faktoren โ€“ insbesondere Rauchen โ€“ in die juristische und versicherungsrechtliche Bewertung einflieรŸen. Fรผr die Berufsgenossenschaften steht bei der Anerkennung einer Berufskrankheit immer die Frage nach dem ursรคchlichen Zusammenhang im Vordergrund.

Wenn der Anteil des persรถnlichen Risikoverhaltens den Einfluss einer mรถglichen Belastung am Arbeitsplatz รผberwiegt, ist es hรคufig schwierig, Ansprรผche auf eine Verletztenrente durchzusetzen. Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang von der โ€žwesentlichen Mitursacheโ€œ. Liegt diese auรŸerhalb des Arbeitsumfeldes, rรผckt die berufsbedingte Exposition in den Hintergrund.

Welche Chancen bleiben Betroffenen in รคhnlich gelagerten Fรคllen?

Die Witwe in diesem Fall hat nach der Entscheidung des Landessozialgerichts Hessen die Mรถglichkeit, beim Bundessozialgericht Revision einzulegen. Das Aktenzeichen (B 2 U 6/15 R) weist darauf hin, dass dieser Rechtsweg zumindest formal offensteht. Ob es tatsรคchlich zu einer erneuten umfassenden Prรผfung kommt, hรคngt von mehreren Faktoren ab, etwa von grundsรคtzlicher Bedeutung der Rechtsfrage oder mรถglichen Verfahrensfehlern.

Betroffene sollten sich stets professionell beraten lassen, denn die Auseinandersetzung mit Berufsgenossenschaften und Gerichten erfordert fundiertes Wissen รผber medizinische Zusammenhรคnge, juristische Verfahrensablรคufe und die Einschรคtzung spezifischer Risiken.

Warum ist die Beratung bei Rentenfragen so wichtig?

Gerade beim Thema Altersrente und mรถglichen Hinterbliebenenleistungen ist es entscheidend, rechtzeitig qualifizierten Rat einzuholen. Fragen zur Antragstellung, zum eventuellen Hinzuverdienst und zu steuerlichen Aspekten sind komplex und nicht immer leicht zu durchschauen.

In Fรคllen, in denen eine Berufskrankheit im Raum steht, sind zusรคtzlich medizinische Gutachten und genaue Informationen zur frรผheren beruflichen Belastungslage erforderlich.

Hรคufig geraten Betroffene hier schnell an ihre Grenzen und finden sich im Dickicht an Fachbegriffen und Formalitรคten wieder. Eine frรผhzeitige Beratung, wie sie zum Beispiel durch Rentenberater angeboten wird, kann helfen, den รœberblick zu bewahren, Fehler zu vermeiden und eigene Ansprรผche korrekt zu ermitteln. (Az. B 2 U 6/15 R)