Überzahlung nach Jahren: Bürgergeld-Bezieherin muss nichts zurückzahlen

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Eine Bürgergeld-Bezieherin muss eine Überzahlung nicht zurückerstatten, da Sozialbehörden die Zustellung eines Bescheids beweisen müssen. Zudem gelten Verjährungsfristen.

Arbeitsagentur forderte Rückzahlung aufgrund einer Überzahlung

Im April 2020 erhielt die Klägerin, eine Empfängerin von Leistungen nach dem SGB II (heute auch Bürgergeld genannt), eine Mahnung der Inkassostelle der Bundesagentur für Arbeit.

Die Mahnung betraf eine vermeintliche Hartz IV-Überzahlung aus dem Jahr 2012, von der die Klägerin bis dahin nichts wusste.

Auf Nachfrage bei der Arbeitsagentur wurde ihr mitgeteilt, dass ein entsprechender Aufhebungs- und Erstattungsbescheid bereits im September 2012 ergangen sei.

Die Betroffene bestritt jedoch, einen solchen Hartz-4-Bescheid jemals erhalten zu haben.

So stellte sich die Frage: Kann die Arbeitsagentur das Geld dennoch zurückverlangen, obwohl die Klägerin den Bescheid nicht erhalten hat?

Wer muss den Zugang des Bescheides beweisen?

Die Rechtslage ist klar geregelt: Wer sich auf den Zugang eines Behördenbescheids in diesem Fall eines Verwaltungsakts, beruft, muss dessen Zugang auch beweisen.

Diese Regelung dient dazu, um sicherzustellen, dass die Rechte der Betroffenen gewahrt bleiben und Verwaltungsakte ordnungsgemäß zugestellt werden.

Im vorliegenden Fall konnte die Arbeitsagentur den Zugang des Bescheides aus dem Jahr 2012 nicht nachweisen.

Die Klägerin hingegen beteuerte, den Bescheid erst im Juni 2020 erhalten zu haben.

Sie erhob daraufhin Widerspruch, der jedoch als unzulässig verworfen wurde, da die Widerspruchsfrist längst abgelaufen war. Doch die Geschichte endet hier nicht.

Was passiert, wenn der Bescheid erst Jahre später zugestellt wird?

Nachdem ihr Widerspruch erfolglos blieb, stellte die Klägerin einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X.

Dieser ermöglicht, einen Bescheid auch nach Ablauf der Widerspruchsfrist überprüfen zu lassen, wenn dieser auf einem fehlerhaften Sachverhalt oder einer falschen Rechtsanwendung basiert.

Die Arbeitsagentur lehnte jedoch den Überprüfungsantrag ab und berief sich auf eine andere Vorschrift, nach der ein Bescheid nur innerhalb von vier Jahren zurückgenommen werden kann.

Diese Frist sei bereits abgelaufen, argumentierte die Agentur.

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Welche Möglichkeiten bestehen nach Ablehnung eines Überprüfungsantrags?

Die Ablehnung eines Überprüfungsantrags ist nicht das Ende der rechtlichen Möglichkeiten. Gegen eine solche Entscheidung kann Widerspruch eingelegt werden.

Die Klägerin nutzte dieses Recht, doch auch dieser Widerspruch wurde von der Arbeitsagentur abgewiesen, erneut mit Verweis auf die abgelaufene Überprüfungsfrist.

An diesem Punkt schaltete sich der DGB Rechtsschutz Hannover ein und reichte Klage beim Sozialgericht ein.

Die Argumentation der Juristen: Die Klägerin habe den ursprünglichen Bescheid von 2012 nie erhalten, und selbst wenn ein solcher Bescheid existiert, sei der Rückforderungsanspruch mittlerweile verjährt.

So bewertete das Gericht die Glaubwürdigkeit der Klägerin?

In ihrer Urteilsfindung glaubte die Kammer des Sozialgerichts Hannover der Klägerin.

Diese hatte stets auf behördliche Aufforderungen reagiert, was darauf hindeutet, dass sie auch im Jahr 2012 auf einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid reagiert hätte, wenn sie ihn denn erhalten hätte.

Dies stärkte die Glaubwürdigkeit der Klägerin in den Augen des Gerichts.

Welche Beweise konnte die Arbeitsagentur vorlegen?

Auch entscheidend für das Urteil war die Frage, ob die Arbeitsagentur den Zugang des Bescheides aus dem Jahr 2012 nachweisen konnte.

Das Gericht stellte fest, dass in den Verwaltungsakten kein Vermerk über den Versand des Bescheides im Jahr 2012 vorhanden war. Auch aus sonstigen Umständen ließ sich ein Versand nicht ableiten.

Das Sozialgericht wies darauf hin, dass gemäß § 37 Abs. 2 SGB X ein schriftlicher Verwaltungsakt, der per Post versandt wird, am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als zugestellt gilt.

Diese sog. Fiktionswirkung tritt jedoch nur ein, wenn der Tag der Aufgabe zur Post in den Akten vermerkt ist.

Ein solcher Vermerk fehlte hier, sodass die Fiktionswirkung nicht greift und die Arbeitsagentur den Zugang nicht nachweisen konnte.

Anspruch auf Rückerstattung der Arbeitsagentur verjährt

Der Erstattungsanspruch verjährt nach § 50 Abs. 2 SGB X in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt unanfechtbar geworden ist.

Da der Bescheid aus dem Jahr 2012 stammte, wäre die Verjährung somit am 31. Dezember 2016 eingetreten.

Das Gericht bestätigte, dass die Verjährung eingetreten ist und die Arbeitsagentur keinen Anspruch mehr auf die Rückforderung hat.

Urteill: Kein Rückzahlungsanspruch für die Arbeitsagentur

Das Urteil des Sozialgerichts Hannover zeigt somit, dass Arbeitsagenturen und Jobcenter sich an strenge formale und rechtliche Vorgaben halten müssen, wenn sie Rückforderungen durchsetzen wollen.

Im vorliegenden Fall scheiterte die Arbeitsagentur daran, den Zugang des Bescheides nachzuweisen.

Zudem war der Rückforderungsanspruch bereits verjährt. Die Klägerin muss somit die geforderten 730 Euro nicht zurückzahlen. (Az: S 39 AS 2739/20)