Wegen angesparter Grundsicherungs-Nachzahlung nach dem SGB 12 hat ein Antragsteller kein Anspruch auf neue laufende Sozialleistungen.
Nachzahlungen von Sozialleistungen sind zwar kein anrechenbares Einkommen, aber anzurechnendes Vermögen.
Dies gilt umso mehr, wenn zwischen der Gutschrift einer Nachzahlung einer Sozialleistung und dem streitigen Zeitraum für eine (andere) Sozialleistung ein längerer Zeitraum (hier 12 Monate) vergangen ist, in dem der Hilfesuchende eventuell aufgelaufene Zahlungen/Investitionen/Schulden hätte nachholen können.
Angesparte Nachzahlung von Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des SGB 12 ist kein Einkommen, doch Vermögen, welches die Hilfebedürftigkeit ausschließen kann ( LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.05.2023 – L 2 SO 3161/22 -).
Kurzbegründung des Gerichts
Ein pflegebedürftiger auf ambulante Pflegeleistungen angewiesener Antragsteller bekommt vom Sozialamt keine Hilfe zur Pflege ( § 61 SGB 12 ) bei Nicht- Vorliegen der Hilfebedürftigkeit wegen zu hohem Vermögen.
Die Hilfe zur Pflege erfordert entsprechend dem Nachranggrundsatz der Sozialhilfe gemäß § 2 SGB XII die finanzielle Bedürftigkeit des Pflegebedürftigen. Diese ist nach § 61 SGB XII nur dann gegeben, wenn die Tragung der benötigten Mittel aus eigenem Einkommen und Vermögen des Pflegebedürftigen selbst sowie seines nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners unzumutbar ist. Dies ist hier nicht der Fall, denn der Kläger verfügte über Vermögen, dass vorrangig einzusetzen war.
Bei der (Weiter-)Beantragung einer laufenden Sozialhilfeleistung, hier Leistungen zur ambulanten Pflege, kann ein Guthaben , das aufgrund der Nachzahlung von Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des SGB 12 entstanden ist, als Vermögen leistungsmindernd berücksichtigt werden.
Nachzahlung von Sozialleistungen ist kein Einkommen Aber Vermögen auch aus einer Nachzahlung ist einzusetzen – kein Härtefall nach § 90 Abs. 3 SGB XII
Die Nachzahlung nach § 82 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XII gehört nicht zum Einkommen im Sinne des SGB XII , mangels einer entsprechenden gesetzlichen Regelung für Vermögen ist aber nicht die Annahme gerechtfertigt, dass auch Vermögen, das aus der Nachzahlung stamme, generell nicht einzusetzen sei oder generell eine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII darstelle.
Das Gericht betont besonders
Dass seit der Nachzahlung der Sozialleistungen ein erheblicher – langer Zeitraum ( hier wohl 1 Jahr ) vergangen sein, und dementsprechend die der Nachzahlung zugrundeliegende, gerade nicht unabhängig von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen gezahlte Grundsicherungsleistung ihre zeitabschnittsweise existenzsichernde Funktion verloren habe, weshalb dessen Einsatz und Verwertung als Vermögen – auch keine Härte i. S. d. § 90 Abs. 3 SGB XII bedeute.
Kein fiktiver Vermögensverbrauch
Solange vorhandenes und nach Abzug der Freibeträge zu berücksichtigendes Vermögen vorliegt und den monatlichen Bedarf übertrifft, besteht keine Hilfebedürftigkeit.
Nach § 90 Abs. 1 SGB XII zu berücksichtigendes Vermögen steht, soweit und solange es (noch) nicht eingesetzt oder verwertet worden sei, einem Bezug von Leistungen nach dem SGB XII auch dann – entgegen – , wenn es nicht den Bedarf für den gesamten Bedarfszeitraum gedeckt habe.
Eine fiktive Vermögensberechnung sei nicht zulässig und scheide mithin ein sogenannter fiktiver Vermögensverbrauch aus.
Anmerkung vom Sozialrechtler Detlef Brock
1. Aus dem Umstand, dass bei einer Nachzahlung von Grundsicherungsleistungen, die grundsätzlich nach § 82 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XII nicht zum Einkommen im Sinne des SGB XII gehören, ergibt sich nicht, dass auch das Vermögen, das aus der Nachzahlung stammt, generell nicht einzusetzen ist oder generell eine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII darstellt.
2. Denn für den Einsatz des Vermögens nach § 90 SGB XII ist dessen Herkunft grundsätzlich unerheblich (siehe BSG Urteil vom 30. April 2020 – B 8 SO 12/18 R – ).
3. Dies gilt umso mehr, wenn wie im hier zu entscheidenden Fall zwischen der Gutschrift einer Nachzahlung einer Sozialleistung und dem streitigen Zeitraum für eine (andere) Sozialleistung ein längerer Zeitraum (hier 12 Monate) vergangen ist, in dem der Hilfesuchende eventuell aufgelaufene Zahlungen/Investitionen/Schulden hätte nachholen können.
4. 4. Anspruch auf Sozialhilfe auch mit Vermögen aus Opferrente möglich – Nachzahlungen unterliegen auf jeden Fall dem Vermögensschutz – § 90 Abs. 3 SGB XII – siehe BSG, Urteil v. 30.04.2020 – B 8 SO 12/18 R – .



