Sozialhilfe: Ist die Vorlage von Kontoauszügen verfassungswidrig? – Gericht entschied

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Vorlagepflicht für Kontoauszüge gilt auch für Folgezeiträume bzw. Weiterbewilligungsantäge

Die Pflicht zur Vorlage von Kontoauszügen gilt für Sozialhilfeempfänger genauso wie für Bürgergeld-Bezieher. Als erforderlichen Mindestzeitrahmen zur Vorlage der Beweismittel sieht der Senat hier – 6 Wochen, wobei es natürlich auch 3 Monate nach BSG Rechtsprechung sein können.

Die Vorlage von Kontoauszügen verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Kontoauszüge sind von Leistungsbeziehern auch bei Folgezeiträumen vorzulegen bzw. nach zuweisen – hier war es für ein Zeitraum von 6 Wochen.

Der Hilfebedürftige nach dem SGB XII möchte mit seiner Feststellungsklage folgendes erreichen

1.Er hält selber die Vorlage von Kontoauszügen für verfassungswidrig im Sinne des Art. 3 Grundgesetz (GG).

2. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom 22. November 2023 (1 BvR 2577/15 u.a.) festgestellt, dass bei Legasthenikern der Eintrag, dass die Rechtschreibung im Abitur nicht bewertet wurde, rechtens sei, allerdings nur dann, wenn das für alle Behinderungen gelte. So sei es auch hier. Wenn die Vorlage von allen verlangt werden würde, dann sei die Vorlage auch rechtens.

Wenn aber die Vorlage sich auf Grundsicherungsberechtigte und Bürgergeldberechtigte beschränke, sei die Vorlage verfassungswidrig.

Vorlage von Kontoauszügen für den Weiterbewilligungsantrag auf SGB XII – Leistungen rechtens

Dazu hat der 7. Senat des LSG BW, Urteil vom 20.06.2024 – L 7 SO 831/24 – wie folgt entschieden: Die Vorlage von Kontoauszügen für den Weiterbewilligungsantrag auf SGB XII – Leistungen rechtens. Die Anforderung von Kontoauszügen durch den Sozialhilfeträger für einen Zeitraum von sechs Wochen im Rahmen der Prüfung des weiteren Vorliegens der Leistungsvoraussetzungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist nicht zu beanstanden.

Der Antragsteller träumt von einer – blinden Weiterbewilligung – all so keine Vorlage von Kontoauszügen

Vor einer Weiterbewilligung muss der Leistungsträger die Voraussetzungen überprüfen, ob weiterhin Anspruch auf Leistungen besteht, dabei kann die Behörde – wie hier geschehen – einen zurückhaltenden, aber angemessenen Prüfungsumfang ansetzen, in dem sie von dem Kläger lediglich Kontoauszüge für weniger als zwei Monate und die Übersendung eines ausgefüllten Antrags gefordert hat.

Die Anforderung von Kontoauszügen in dem hier fraglichen Umfang ist eine ohne Weiteres von dem Kläger zu fordernde Mitwirkungshandlung.

Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.

Kontoauszüge sind Beweismittel

Es handelt es sich bei Kontoauszügen um Beweismittel bzw. Beweisurkunden im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I (BSG, Urteil vom 19. September 2008 – B 14 AS 45/07 R; BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 10/08 R – ).

Die Grenzen der Mitwirkungspflichten des Klägers wurden durch die Vorlage der Kontoauszüge auch nicht überschritten

Nach § 65 Abs. 1 SGB I bestehen die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 SGB I nicht, soweit 1. ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder 2. ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder 3. der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.

Der 7. Senat schließt sich der Rechtsauffassung des BSG an,

Zitat: “dass es im Rahmen eines aus Steuermitteln finanzierten Fürsorgesystems, das strikt an die Hilfebedürftigkeit der Leistungsempfänger als Anspruchsvoraussetzung anknüpft, keine unzumutbare und unangemessene Anforderung darstellt, Auskunft über den Bestand an Konten und die Kontenbewegungen (durch die Vorlage von Kontoauszügen) zu geben, jedenfalls soweit die Einnahmeseite betroffen ist.

Dies gilt auch für den Fall, dass der Betroffene schon Leistungen bezogen hat und Grundsicherungsleistungen für Folgezeiträume geltend macht. Angesichts der Vielfalt jederzeit möglicher Änderungen gibt es für eine differenzierende Beurteilung der Vorlagepflicht keinen Grund (BSG, Urteil vom 19. September 2008 – B 14 AS 45/07 R ).

Auch in zeitlicher Hinsicht begegnet die Anforderung von Kontoauszügen für sechs Wochen keinen Bedenken, wobei die Beklagte im Ergebnis sogar die Vorlage von Kontoauszügen für kaum mehr als einen Monat hat genügen lassen.

Dies dürfte als unbedingt erforderlicher Mindestzeitrahmen anzusehen sein.

Nach der vorgenannten Rechtsprechung des BSG ist demgegenüber auch die Anforderung von Kontoauszügen für jedenfalls drei Monate nicht zu beanstanden “.

Kontoauszugsanforderung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken

Diese Mitwirkungsverpflichtung stellt zwar einen Eingriff in den Schutzbereich des aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) folgenden Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung dar. Dieser ist jedoch verhältnis- und insgesamt rechtmäßig, wie sich aus der Abwägung zwischen der Intensität des Eingriffs und dem vom Gesetzgeber bezweckten Ziel ergibt (s. dazu BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2007 – 1 BvR 1550/03 –).

Auch ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ist zur Überzeugung des Senats vorliegend nicht gegeben.

Denn dieser gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich, aber auch wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (st. Rspr. BVerfG, vgl. etwa Beschluss vom 8. Dezember 2021 – 2 BvL 1/13- ).

Anmerkung Sozialrechtsexperte Detlef Brock

Auch bei der Beantragung von Bürgergeld für Folgezeiträume gilt hier das Gesagte. Kontoauszüge für knapp 6 Wochen, da hatte der Antragsteller richtig Glück, im Einzelfall mehrere Jahre möglich.

Der 7. Senat nennt als Mindest-Überprüfungsrahmen einen Zeitraum von 6 Wochen bei Folgeanträgen, schon beachtlich.

Rechtstipp vom Sozialrechtsexperten Detlef Brock

SG München, Beschluss v. 08.08.2023 – S 46 SO 266/23 ER – nachfolgend LSG Bayern, Beschluss v. 24.11.2023 – L 8 SO 176/23 B ER – nachfolgend Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht vom 10.01.2024 – Az.: – 1 BvR 2397/23 – abgelehnt

Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung: Vorlage der Kontoauszüge auch bei kurzem Bewilligungszeitraum

1. Bewilligungszeitraum von weniger als sechs Monaten ist möglich ( hier 3 Monate )

2. Dass sich bei einer rechtmäßigen Beschränkung des Bewilligungszeitraum auf drei Monate durchgängige Kontoauszüge ergeben, ist nicht zu beanstanden.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss der 2. Kammer des 1. Senats vom 10.01.2024 – Az.: 1 BvR 2397/23