Sozialhilfe: Das Sozialamt schnappt sich oftmals das Erbe

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Auf viele Erben wartet eine bรถse รœberraschung. Der verstorbene pflegebedรผrftige Vater, die Ehefrau, die im Pflegeheim lebte und Sozialhilfe empfing, hinterlรคsst ihnen ein Hรคuschen oder etwas Bargeld.

Kaum kommt die Nachricht รผber die Erbschaft, da greift auch schon das Sozialamt danach, um den Erben ihr Erbe wegzunehmen.

Pflicht zur Erstattung

Den Erben mag das vorkommen wie behรถrdliche Wegelagerei. Doch was scheint wie das Handeln institutioneller Strauchdiebe ist rechtlich vorgeschrieben.

Erben eines vom Sozialamt Unterstรผtzten sind nach Paragraf 102 SGB XII verpflichtet, die Kosten fรผr geleistete Sozialbeitrรคge fรผr die vergangenen zehn Jahre dem Sozialamt zu erstatten – sofern das Erbe dies zulรคsst.

Dabei darf das Amt von den Erben nicht mehr Geld verlangen als das Erbe enthรคlt. Den รผberschรผssigen Betrag mรผssen die Erben dann nicht mehr zahlen.

Es gilt eine Drei-Jahres-Frist

Fรผr Erben ebenfalls wichtig ist die gesetzte Frist. Das Sozialamt muss die Summe fรผr die geforderten Sozialleistungen innerhalb von drei Jahren nach dem Tod des Leistungsberechtigten von den Erben einfordern.

Danach besteht kein Anspruch mehr, und das Sozialamt geht leer aus.

Rรผckforderungen gelten auch fรผr Hausbesitz

Die Erstattungsforderungen an die Erben gelten auch fรผr vererbte Immobilien.

Wer Sozialhilfe erhรคlt darf ein Hรคuschen oder eine Wohnung besitzen, bei Einzelpersonen in der GrรถรŸe von 90 Quadratmetern. Stirbt der oder die Leistungsberechtigte und vererbt das Wohneigentum, dann wird das Sozialamt fordern, die Immobilie zu verkaufen, um die Sozialleistungen der letzten zehn Jahre zu bezahlen.

Aufpassen: Freibetrag

Das Sozialamt darf allerdings nicht auf jeden Cent zugreifen, der von Hilfebedรผrftigen an Hinterbliebene geht. Es gilt ein Freibetrag von 3378 Euro. Erst wenn die Leistungen des Sozialamts an den Verstorbenen hรถher waren, kann es das Erbe einkassieren.

Es gibt kein “postmortales Schonvermรถgen”

Erben haben kaum Mรถglichkeiten, diesen Zugriff auf ihr Erbe abzuwehren. Das stellte das Bundessozialgericht klar. Es betonte 2019, dass es kein “postmortales Schonvermรถgen” gebe. Im Verfahren ging es um eine 83-jรคhrige Witwe, die ihr Hรคuschen verkaufen sollte, um dem zustรคndigen Sozialamt 15.316 Euro Kosten fรผr das Pflegeheim ihres verstorbenen Mannes zu erstatten. (Az. B 8 SO 15/17 R).

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Was ist die Rechtsgrundlage?

Paragraf 102 des Sozialgesetzbuches XII (Sozialhilfe) regelt den “Kostenersatz durch Erben”. Dieser gilt ausdrรผcklich nicht bei Erwerbsminderung und bei Grundsicherung im Alter, sondern bezieht sich auf ausgezahlte Sozialhilfe.

Angewandt werden diese Regelungen hauptsรคchlich bei der “Hilfe zur Pflege”, also bei der รœbernahme der Kosten fรผr Pflege / Heimunterbringung durch das Sozialamt.

Erben sind per Gesetz dazu verpflichtet, die Kosten der Sozialhilfe der letzten zehn Jahre vom Erbe zu bezahlen.

Was mรผssen die Erben erstatten?

Wie bereits beschrieben, gilt ein Freibetrag, der dem sechsfachen des monatlichen Regelbedarfs eines Alleinstehenden entspricht. Erst darรผber darf dass Sozialamt zur Kasse bitten.

Wichtig: Lebten der / die Verstorbene und der Erbe / die Erbin in hรคuslicher Gemeinschaft zusammen, dann kรถnnen sogar รผber 15.000 Euro Erbvermรถgen vor dem Zugriff des Sozialamts gerettet werden.

Die Hรคrteklausel

Es gibt zudem eine allgemeine Hรคrteklausel. Das Sozialamt darf das Erbe nicht einfordern, wenn das “nach der Besonderheit des Einzelfalles eine besondere Hรคrte bedeuten wรผrde”.

Kein genereller Schutz der Wohnung

Ausdrรผcklich stellte das Bundessozialgericht aber klar, dass es keinen generellen Schutz fรผr Erben vor dem Zugriff des Sozialamts auf geerbtes Wohneigentum gibt – auch dann nicht, wenn sie selbst seit Jahrzehnten darin leben.

Wohnungslos durch Erbschaft

Da es kein “postmortales Schonvermรถgen” gibt, mรผssen Hinterbliebene also auch die geerbte Wohnung verkaufen, um die Erstattungsforderungen des Sozialamts zu erfรผllen. Zu erben bedeutet in diesem Fall auf der StraรŸe zu stehen.