Sozialhilfe: Anspruch auf zusätzliche Schuhe durch das Sozialamt

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Für Sicherheitsschuhe eines Beschäftigten einer Werkstatt für behinderte Menschen muss die Sozialhilfe aufkommen, und nicht die Rentenversicherung. Das gilt auch, wenn der Betroffene eine volle Erwerbsminderungsrente bezieht. So urteilte das Sozialgericht Karlsruhe. (S 5 SO 3426/18)

Rente und Sozialhilfe

Der Versicherte bezieht seit 2009 eine Rente wegen Erwerbsminderung. Zwischen März 2014 und Februar 2019 bezog er zudem Leistungen der Eingleiderungshilfe durch den zuständigen Träger der Sozialhilfe.

Arbeitsschuhe auf ärztliche Verordnung

Sein behandelnder Arzt verordnete ihm für seine Beschäftigung in einer Reha-Werkstatt orthopädische Arbeitsschuhe. Diese sollten den Erwerbstätigen entlasten, denn er leidet an einer beideseitigen Tarsusarthrose.

Die Schuhe kosteten laut Voranschlag insgesamt 1.861,05 Euro. Die Werkstatt beantragte beim Träger der Sozialhilfe die Kostenübernahme. Der Arbeitgeber begründete dies mit einer Tätigkeit im Getränkehandel, denn dort benötigte der Beschäftigte Sicherheitsschuhe, und dies müssten orthopädisch sein.

Von der Sozialhilfe zur Rentenkasse

Der Sozialhilfeträger hätte schon einmal zwei Jahre zuvor Sicherheitsschuhe für den Betroffenen bewilligt, dieser brauche jetzt neue, und ansonsten sei sein Arbeitsplatz gefährdet. Der Sozialhilfeträger leitete den Antrag an die Rentenversicherung weiter und räumte ein, dass hier nicht die Sozialhilfe zuständig sei.

“Rentenkasse zahlt nicht nach Eingliederung“

Die Rentenversicherung bewilligte die Zahlung der Sicherheitsschuhe als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Dann forderte sie vom Sozialhilfeträger Erstattung in Höhe von 1.771,05 Euro.

Sie begründete die Forderung damit, dass nach der Eingliederung in den Arbeitsbereich der Werkstatt für behinderte Menschen der Rententräger nicht verantwortlich sei.

“Für den Arbeitsbereich ist die Sozialhilfe verantwortlich“

Zuständig sei vielmehr der Träger, der die Kosten für den Arbeitsbereich selbst trage, und das sei die Sozialhilfe. Da dieser verpflichtet sei, die kompletten Leistungen zu übernehmen, müsse er auch die Arbeitsschuhe bezahlen.

Argumente drehen sich im Kreis

Der Sozialhilfeträger lehnte eine Erstattung ab und verwies erneut darauf, nicht zuständig zu sein.

Denn da der Beschäftigte eine volle Rente wegen Erwerbsminderung beziehe, müsse die Rentenkasse zahlen. Die Argumente drehten sich also im Kreis, und die Rentenversicherung klagte gegen den Träger der Soziallhilfe, um die 1.771,05 Euro zu erhalten.

“Anspruch gegenüber der Rentenversicherung“?

Der Sozialhilfeträger beantragte, die Klage abzuweisen und begründete dies damit, dass Sozialhilfe eine nachrangige Leistung sei, die nur dann in Frage käme, wenn kein anderer Träger zur Leistung verpflichtet sei.

Doch hier habe ein Anspruch gegenüber der Rentenversicherung bestanden. Denn die orthopädischen Schuhe dienten ausschließlich der beruflichen Rehabilitation (und nicht der medizinischen).

Es handle sich also um Leistungen zur Teilhabe an der Arbeit, und für diese sei die Rentenkasse zuständig, oder auch die Agentur für Arbeit – nicht aber die Sozialhilfe. Als Empfänger einer Erwerbsminderungsrente habe die Rentenversicherung (laut Paragraf 16 SGB VI sowie Paragraf 49 SGB IX) die Schuhe bezahlen müssen.

Rentenkasse muss nicht zahlen

Das Sozialgericht Karlsruhe teilte den Standpunkt der Rentenversicherung und verpflichte den Sozialhilfeträger, die 1.771,05 Euro zu erstatten. In der Begründung ging es darum, ob es sich bei der Leistung für den Beschäftigten um Teilhabe am Arbeitsmarkt handelte oder nicht.

Wer zuständig ist, muss zahlen

Das Gericht verwies auf den Paragrafen 14, Abs 1 des Sozialgesetzbuches IX. Demnach muss der zuständige Rehabilitationsträger die Leistung eines nicht zuständigen Trägers erstatten, wenn dieser die Zahlung übernommen hat.

Erst zahlen und später erstatten lassen

Dass ein anderer Träger erst einmal zahlt, soll eine rasche Entscheidung ermöglichen. Zum Beispiel bestand bei den Sicherheitsschuhe ein klarer Anspruch des Beschäftigten, und es ist dem Betroffenen nicht zuzumuten, so lange zu warten, bis die möglichen Träger ihre Zuständigkeit geklärt haben.

Das Sozialgericht machte aber zugleich klar, dass diese Regelung nicht dazu dient, dass ein Träger Lasten auf einen anderen verschiebt. Deswegen hat die Behörde, die zahlt, einen speziellen Anspruch auf Erstattung.

Das Gericht hatte beim Träger der Sozialhilfe einen Antrag auf Übernahme der Kosten für die Schuhe gestellt. Die Behörde hatte den Antrag dann an die Rentenversicherung weitergeleitet.

Die Rentenversicherung musste jetzt rasch über den Antrag entscheiden und konnte ihn nicht wieder zurückschicken. Trotzdem hatte der Beschäftigte einen Anspruch gegenüber dem Träger der Sozialhilfe und nicht gegenüber der Rentenkasse.

“Der Anspruch ist gerechtfertigt”

Das Gericht ist überzeugt, dass der Beschäftigte diese Schuhe braucht. Zu seiner Tätigkeit im Lager eines Getränkehandels gehöre der Umgang mit Paletten, und die Schuhe schützten vor Glasscherben. Mit seiner Arthrose sei auch gerechtfertigt, dass es sich um orthopädische Schuhe handle. Hier liege eine Behinderung vor, und die Schuhe seien wegen der Behinderung erforderlich, was auch der Träger der Sozialhilfe nicht bezweifle.

Warum ist die Sozialhilfe verantwortlich

Das Gericht sah die Sozialhilfe in der Pflicht, nicht die Rentenversicherung. Denn die Sicherheitsschuhe seien keine Leistung zur Tailhabe am Arbeitsleben, für die die Rentenkasse die Verantwortung trage.

Solche Leistungen müsse die Rentenversicherung aber nur übernehmen, “um die Erwerbsfähigkeit behinderter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern (§ 33 Abs. 1 SGB IX a.F.).”

Rentenversicherungen würden Maßnahmen zur Teilhabe nur in der Berufsausbildung der Werkstätten für behinderte Menschen finanzieren, nicht aber im Arbeitsbereich selbst.

Werkstätte für behinderte Menschen sind nicht der allgemeine Arbeitsmarkt

Erwerbsfähigkeit bezöge sich auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, und nicht auf den geschützten Arbeitsmarkt einer Werkstatt für behinderte Menschen. Bei dem Beschäftigten sei es nicht um Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit gegangen, denn seit 2009 sei er als Rentner voll erwerbsgemindert. Seitdem sei er auch in der Werkstatt tätig. Es sei nicht zu erwarten, dass er wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden könnte.

Erwerbsminderung hat nichts mit Arthrose zu tun

Um eine Vorbereitung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt sei es offensichtlich nicht gegangen. Dies zeige sich auch daran, dass die Erwerbsminderung psychisch begründet war, und mit der Arthrose und den folgenden orthopädischen Hilfsmitteln nichts zu tun hatte.

Als Leistung kam deshalb nur die Sozialhilfe in Frage, und deren Träger muss die Zahlung erstatten.