Die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) ist wichtig Menschen mit Behinderungen, da sie oft Voraussetzung für Vorteile und soziale Nachteilsausgleiche ist.
Im Rahmen dieser Feststellung gibt es immer wieder Streitfälle, in denen rückwirkende Anträge gestellt werden. In diesem Fall soll es dabei sehr weit in die Vergangenheit zurückreichen.
Rückwirkende GdB Feststellung bei Asperger-Syndrom
Im vorliegenden Fall klagte eine Frau, geboren 1971, auf die rückwirkende Anerkennung eines GdB ab ihrer Geburt aufgrund eines spät diagnostizierten Asperger-Syndroms.
Das Verfahren zeigt einen häufigen Fall, über psychische oder neurologische Erkrankungen, die erst spät diagnostiziert werden.
Antragstellung und erste Entscheidungen
Die Klägerin stellte 2004 erstmals einen Antrag auf Feststellung eines GdB. Zu diesem Zeitpunkt beschränkte sie den Antrag auf die Berücksichtigung von Morbus Crohn und gab explizit an, dass andere Gesundheitsstörungen nicht einbezogen werden sollten.
Auf dieser Grundlage wurde ihr ein GdB von 30 zuerkannt. Der Versuch, diesen Bescheid im Nachhinein zu ändern und die Anerkennung auf eine psychische Störung auszuweiten, stieß jedoch auf rechtliche Hürden.
Die Problem der rückwirkenden Anerkennung
Eine Frage des Verfahrens war, ob eine rückwirkende Feststellung des GdB möglich ist, wenn eine Behinderung erst spät diagnostiziert wird.
Das Gericht stellte fest, dass eine rückwirkende Anerkennung nur dann in Betracht kommt, wenn bereits in der Vergangenheit entsprechende Beeinträchtigungen vorlagen, die auch belegbar sind.
Eine pauschale Rückdatierung ab Geburt ohne entsprechende Nachweise ist nicht zulässig.
Steuerliche Fristen sind entscheidend
Neben der Frage der gesundheitlichen Beeinträchtigungen spielt das steuerliche Interesse eine Rolle.
Seit Änderungen in der Abgabenordnung im Jahr 2014 kann ein GdB rückwirkend nur für jene Jahre festgestellt werden, für die die steuerliche Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist.
Diese Frist beträgt in der Regel vier Jahre. Die Klägerin hatte argumentiert, dass ihr durch die späte Diagnose steuerliche Vorteile entgangen seien, doch das Gericht sah dies aufgrund der abgelaufenen Fristen als nicht relevant an.
Keine allgemeine Rückwirkung bei spät diagnostizierten Erkrankungen
Das Gericht bestätigte, dass eine rückwirkende Anerkennung des GdB nicht pauschal ab dem Zeitpunkt der Geburt erfolgen kann. Entscheidend ist, ab wann die Erkrankung tatsächlich zu Teilhabeeinschränkungen führte.
Im Fall des Asperger-Syndroms, das bei der Klägerin diagnostiziert wurde, sei dies typischerweise erst ab der Manifestation der Erkrankung im Kindes- oder Jugendalter möglich.
Da die Klägerin jedoch bis zur Diagnose keine wesentlichen Beeinträchtigungen aufwies, lehnte das Gericht eine rückwirkende Feststellung ab.
Welche Bedeutung besteht für zukünftige Verfahren
Der Fall zeigt, dass eine rückwirkende Anerkennung eines GdB nur unter festen Bedingungen möglich ist.
Entscheidend sind nicht nur die medizinischen Fakten, sondern auch die Einhaltung steuerlicher Fristen und die Nachweisbarkeit von Teilhabebeeinträchtigungen in der Vergangenheit. Aktenzeichen: L 6 SB 4715/17
Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht, Gesundheitsprävention sowie bei gesellschaftspolitischen Themen. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und engagiert sich politisch für Armutsbetroffene.