Gelingt es Menschen mit einer Schwerbehinderung, ihre Behinderung durch Hilfsmittel und erworbene Fähigkeiten teilweise auszugleichen, kann ihnen der Pflegegrad 5 und ein höheres Pflegegeld verwehrt werden.
In Ausnahmefällen kann bei einer Schwerbehinderung ein Pflegegrad 5 allerdings erworben werden. Dies geht aus einem am Donnerstag, 22. Februar 2024, verkündeten Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel hervor (Az.: B 3 P 1/22 R).
Danach ist es verfassungsrechtlich zulässig, dass hier der Medizinische Dienst Bund die gesetzlichen Vorgaben mit einer Richtlinie konkretisiert.
Was bedeutet der Pflegegrad 5?
Mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz hat der Gesetzgeber ab 2017 das System der drei Pflegestufen durch ein System von fünf Pflegegraden ersetzt.
Dabei prüft der Medizinische Dienst, wie selbstständig der Pflegebedürftige in bestimmten Bereichen ist, zum Beispiel bei der Mobilität oder der Grundversorgung. Je geringer die körperlichen, kognitiven und psychischen Fähigkeiten sind und je weniger der Alltag selbstständig bewältigt werden kann, desto höher ist der Pflegegrad und damit das Pflegegeld.
Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
Ab einem Punktwert von 90 von 100 liegt eine schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung und damit Pflegegrad 5 vor.
Voraussetzung für den Pflegegrad 5 sind fast immer neben den körperlichen Beeinträchtigungen auch kognitive Einschränkungen. Den Betroffenen steht dann ein Pflegegeld von derzeit 947 Euro zu.
Vergibt der Medizinische Dienst zwischen 47,5 bis 70 Gesamtpunkte, liegt eine schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit und ein Pflegegrad 3 vor. Das Pflegegeld beträgt dann nur noch 573 Euro monatlich.
Mensch mit Schwerbehinderung klagte auf höheren Pflegegrad
Der schwer pflegebedürftige, aber geistig fitte Kläger aus Zwickau wurde zuletzt in den Pflegegrad 3 eingestuft. Er verlangte jedoch von seiner Pflegekasse den Pflegegrad 5 und ein entsprechend höheres Pflegegeld.
Bei ihm liege eine besondere Bedarfskonstellation vor. Er habe eine angeborene Verkürzung der Arme und Beine und könne weder laufen, greifen noch stehen.
Nach den Begutachtungs-Richtlinien könne aber bei einer Gebrauchsunfähigkeit beider Arme und Beine aber der Pflegegrad 5 zuerkannt werden, auch wenn er die dafür erforderliche Gesamtpunktzahl nicht erreiche. Das Waschen, Zähneputzen, Anziehen oder die Zubereitung von Mahlzeiten sei nur mit der dreimal wöchentlich erscheinenden Pflegeassistenz möglich.
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Schwerste Behinderung führt nur ausnahmsweise zu Pflegegrad 5
Das BSG wies den Kläger ab. Wann konkret ein Härtefall vorliege und ein Pflegebedürftiger trotz geringerer Gesamtpunktzahl dennoch den Pflegegrad 5 erhalte, solle nach dem Willen des Gesetzgebers zunächst der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung und seit 2020 der Medizinische Dienst Bund bestimmen.
Dieses Vorgehen sei verfassungsrechtlich zulässig, zumal die Richtlinie des Medizinischen Diensts vom Bundesgesundheitsministerium genehmigt werden müsse.
Auch der Inhalt der Richtlinie sei rechtmäßig und nicht zu eng gefasst, so das BSG weiter.
Demnach ist Pflegegrad 5 möglich, wenn beide Beine und Arme eines Betroffenen gebrauchsunfähig sind und der Betroffene nicht mehr laufen, greifen und stehen kann. Ein Beispiel dafür seien etwa Wachkomapatienten.
BSG: Gebrauchsunfähige Arme und Beine allein reicht nicht für Pflegegrad 5
Könne der Pflegebedürftige jedoch trotz seiner erheblichen körperlichen Beeinträchtigungen mit Hilfsmitteln oder „angeeigneten Kompensationsmechanismen“ Alltagsaktivitäten selbstständig oder teilselbstständig ausführen, komme der Pflegegrad 5 nicht mehr in Betracht, so das BSG.
Dies sei auch beim Kläger der Fall. So habe die Gutachterin festgestellt, dass keine vollständige Gebrauchsunfähigkeit der Arme und Beine mit vollständigem Verlust der Greif-, Steh- und Lauffähigkeit vorliege. Der Kläger habe teils gelernt, seine Beeinträchtigungen zu kompensieren. An diese Feststellungen sei das BSG gebunden. fle/mwo
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